Mittelschwaebische Nachrichten

Die Situation nicht richtig eingeschät­zt

Nach einem Diebstahl konnte der Täter fliehen – dabei war sein Standort bekannt. Es gab ein Problem beim Notruf

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Seine Diebestour hatte einen 32-Jährigen aus Neu-Ulm auch nach Günzburg geführt, wo er bei einem Optiker mehrere Sonnenbril­len stahl und flüchtete. Bei der Gerichtsve­rhandlung wurde bekannt, dass die Polizei darüber informiert worden war, wo er sich bei seiner Flucht aufhielt – doch der Beamte am Notruf nahm die Meldung offenbar nicht ernst. So schilderte es zu- mindest der Zeuge vor Gericht. Der Täter konnte entkommen. Wie kann das sein?

Der Zeuge erklärte, den Mann in einem Hinterhof gefilmt und über seine Freundin die Polizei alarmiert zu haben. Doch weil es die Adresse angeblich nicht gibt und er nicht selbst anrief, sei der Notruf von der Einsatzzen­trale in Kempten abgewiesen worden. Von unserer Zeitung damit konfrontie­rt, recherchie­rte das Präsidium Schwaben Süd/West im Einsatzlei­tsystem, befragte den verantwort­lichen NotrufBeam­ten und nahm Kontakt mit dem Zeugen und der Freundin auf.

Wie Pressespre­cher Christian Eckel erklärt, habe die Frau von dem Zeugen eine Whats-AppNachric­ht erhalten, diese nicht als dringlich eingeschät­zt und erst mit einer Verzögerun­g den Notruf gewählt. Die zuständige­n Beamten konnten sich nun nach knapp einem Jahr daran nicht mehr erinnern. Eckel merkt an, dass mehr als 100000 Notrufe im Jahr bei der Einsatzzen­trale eingehen. „Letztendli­ch handelte es sich um eine Nachricht, die bei den Beamten wohl sehr undefinier­t eingegange­n sein muss und aufgrund fehlender Nachfragem­öglichkeit vermutlich nicht richtig eingeschät­zt wurde.“Der Fall werde zum Anlass genommen, das intern zu besprechen und die Kollegen zu sensibilis­ieren, verspricht Eckel. Eine Whats-App-Nachricht mit knappem Inhalt an eine unbeteilig­te Person zu verschicke­n, die dann die Polizei alarmieren soll – ohne dass es weitergehe­nde Informatio­nen oder eine Möglichkei­t zum Nachfragen gibt – berge aber immer die Gefahr von Missverstä­ndnissen. Ein bei der Polizei eingehende­r Notruf, der eine konkrete Gefahr erkennen lässt, werde jedenfalls immer zu einer sofortigen Reaktion führen, um schnellstm­öglich zu helfen, versichert der Pressespre­cher.

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