Mittelschwaebische Nachrichten
Glücksmomente im fragilen Gefüge des Lebens
In der Klinik Krumbach sind Fotos aus dem Alltag demenzkranker Menschen ausgestellt
Krumbach Einen Kuchenteig rühren, den Hund streicheln, im Garten Unkraut jäten – Dinge des Alltags, die oft erst dann ihren Wert bekommen, wenn sie keine Selbstverständlichkeit mehr sind. Für Menschen, die an Demenz erkrankt sind, können sie ein wichtiger Anker im immer fragiler werdenden Lebensgefüge sein und auch ein Moment des Glücks. Solche Glücksmomente hält die Fotoausstellung „Inseln der Erinnerung“fest, die ab sofort bis 6. Juli im Foyer der Klinik Krumbach zu sehen ist.
Es sind Bilder aus dem Alltag und nicht bei allen fällt auf den ersten Blick die besondere Lebenssituation der abgebildeten Menschen auf. Ein fröhliches Tänzchen, ein Nickerchen auf dem Sofa, ein Mann, der ein Baby auf dem Arm hält. Nein, es ist doch kein Baby, sondern eine lebensecht wirkende Puppe. Ist es für ihn sein Kind? Sein Enkelkind? Vielleicht weiß es der alte Mann selber nicht, denn er ist einer der mehr als 1,5 Millionen an Demenz Erkrankten in Deutschland. Jedenfalls drückt er die Puppe wie einen Schatz an sich.
Dr. Winfried Teschauer, Gerontologe, Biologe und Projektleiter der Deutschen Alzheimergesellschaft, hat die Fotos gemacht, „um zu zeigen, welche schönen Situationen es trotz der Behinderung, trotz der Demenzerkrankung gibt“, wie er bei der Eröffnung sagte. Die Präsentation dieser Wanderausstellung ist einer der vielen Bausteine, die zum Demenzprojekt in der Klinik Krumbach gehören. Seit 2014 ist Krumbach eine von sechs bayerischen Kliniken, die am Modellprojekt der Deutschen Alzheimergesellschaft „Menschen mit Demenz im Krankenhaus“teilnehmen.
Patienten mit demenzieller Entwicklung haben es im Krankenhaus oft schwer. Was in der vertrauten Umgebung zu Hause noch ganz gut geht, klappt in der fremden Klinikumgebung nicht mehr. Fremde Menschen, die unbekannte Umgebung, vielleicht Einschränkungen durch Infusionsschläuche und Katheter, medizinische Geräte, die furchteinflößend wirken können, neue Medikamente… es sind viele Faktoren, die solche Menschen durcheinanderbringen können.
Oft ist ein Delir die Folge, das sich durch Bewusstseinseintrübung, Orientierungs- und Wahrnehmungsstörungen, Halluzinationen, Unruhe oder Apathie äußert, sagt die Leitende Oberärztin Dr. Anneliese Hösch, die sich als Geriaterin an der Klinik Krumbach zusammen mit Projektleiterin Christine Rau und Klinikseelsorgerin Margarete Wachter für das Demenzprojekt engagiert.
Dabei geht es nicht nur um die Erkrankten selber, sondern auch um das Klinikpersonal und die Angehörigen der Patienten. Durch einen umfassenden Maßnahmenkatalog und Behandlung und Pflege mit Sensibilität für die besondere Situation will die Klinik diesen Patienten Sicherheit und Orientierung vermitteln. Es gibt laufend Schulungen des Personals, um Bedürfnisse und Verhaltensweisen eines demenzkranken Patienten besser verstehen zu können. „Wenn ein Patient alle paar Minuten fragt, wie spät es ist, dann kann das schon anstrengend sein“, sagt Projektleiterin Christine Rau, „aber wer über demenzielle Erkrankungen informiert ist, kann besser damit umgehen.“Neben Mitarbeiterschulungen, Fallbesprechungen, Coachings und regelmäßigen Supervisionen tragen in der Klinik Krumbach auch die Gestaltung des Patientenumfelds sowie das Erkennen und Vermeiden möglicher Delirrisiken zur individuellen Therapie eines dementen Patienten bei. Unverzichtbar ist dabei ein guter Informationsfluss zwischen Klinik, einweisenden Hausärzten, Sozialstationen, Pflegeheimen und Angehörigen. Letztere sind wesentliche Kooperationspartner für die Klinik, weil sie den kranken Menschen und seine Gewohnheiten und Vorlieben am besten kennen.
Angehörige sind aber auch oft aufs Äußerste gefordert, wenn sie einen Menschen mit Demenz pflegen. Deshalb hat die Klinik auch Angebote für sie eingerichtet wie das Demenz-Café immer am ersten Dienstag im Monat. „Man muss Hilfe annehmen und mit den eigenen Kräften haushalten“, sagt Christine Rau. Dafür arbeiten die Kooperationspartner Klinik, Fachstelle für pflegende Angehörige im Landkreis Günzburg und die Ökumenische Hospizinitiative Krumbach und Umgebung und elf Ehrenamtliche im Besuchsdienst zusammen.
All dies zusammen macht das Projekt „Menschen mit Demenz im Krankenhaus“zu einer runden Sache.
„Es ist hervorragend, dass in unserer Klinik solche Arbeit geleistet wird“, sagte dazu bei der Ausstellungseröffnung Cilly Ruf, die Schirmherrin für Alzheimerprojekte des Landkreises Günzburg, „ich bin voller Hochachtung für alle Beteiligten.“Dass alle Mitwirkenden, voran Projektleiterin Christine Rau und die Leitende Oberärztin Dr. Anneliese Hösch „sehr, sehr viel bewegt haben“, bestätigte die Seniorenbeauftragte des Landkreises Johanna Herold: „Das Thema ist eine riesengroße Herausforderung.“Dass diese Herausforderung Alzheimer-Erkrankung aber auch kleine glückliche Momente zulässt, macht die Ausstellung „Inseln der Erinnerung“sichtbar. (pm)