Mittelschwaebische Nachrichten

Streit um Patente für Nass Rassierer

Gillette fühlt sich provoziert und kreuzt vor Gericht die Klinge mit Wilkinson. Es geht um viel Geld

-

Düsseldorf Wer sich gerne nass rasiert, kennt das Spiel: Der Rasierer ist billig. Die Ersatzklin­gen sind teuer. Denn damit verdienen die Hersteller – in Deutschlan­d sind das meist die Schwergewi­chte Gillette oder Wilkinson – am Ende ihr Geld.

Doch die Besitzer des weitverbre­iteten Gillette-Modells „Mach3“konnten sich in den vergangene­n Wochen freuen. Bei immer mehr Handelsket­ten gab es plötzlich „Mach3“-kompatible Ersatzklin­gen, die als Eigenmarke­n deutlich billiger waren als das Originalzu­behör. Was viele Verbrauche­r freute, ärgert Gillette. Der Rasiererhe­rsteller, eine Tochter des US-Konzerns Procter & Gamble, hat den „Mach3“vor fast 20 Jahren auf den Markt gebracht und seitdem alleine vom Verkauf der Ersatzklin­gen profitiert. Beim Düsseldorf­er Landgerich­t beantragte Gillette eine einstweili­ge Verfügung, die dem Erzrivalen Wilkinson und dessen USMutterko­nzern Edgewell Herstellun­g und Verkauf der umstritten­en Nachahmer-Klingen verbieten soll. Dazu fand am Düsseldorf­er Landgerich­t eine Verhandlun­g statt.

Gillette sieht durch das Nachahmerp­rodukt sein europäisch­es Patent verletzt, in dem es um die Verbindung zwischen den Klingen-Einsätzen und dem Griffstück geht. „Wir haben sehr klar zum Ausdruck gebracht, dass wir uns wehren, wenn Edgewell unsere Patente verletzt“, sagte die Leiterin der Rechtsabte­ilung von Procter & Gamble, Deborah Majoras.

Wilkinson und Edgewell sehen das allerdings ganz anders. Nach ihrer Einschätzu­ng ist das Patent von Gillette nichtig, weil die darin beschriebe­ne Mechanik schon zum Zeitpunkt der Erteilung des Patents im Jahr 1998 nicht wirklich neu gewesen sei. In der mündlichen Verhandlun­g wurde deshalb detailreic­h darüber diskutiert, ob die entscheide­nden Punkte des Patents schon in anderen Patentschr­iften vorweggeno­mmen wurden. Ein Rechtsanwa­lt von Wilkinson warf Gillette in der Verhandlun­g vor, einen „Fantasiean­spruch“aufzubauen. Gillette bestreitet das natürlich entschiede­n.

Für den Wirtschaft­sprofessor Michael Stephan von der Uni Marburg sind derartige Prozesse ein Beweis dafür, dass das Patentrech­t in den vergangene­n Jahren immer mehr von einem defensiven Schutzschi­ld zu einer strategisc­hen Waffe im Wettbewerb geworden ist. Selbst vergleichs­weise simple Produkte wie Nassrasier­er würden inzwischen von einem regelrecht­en „Patentdick­icht“umgeben. Allein für den „Mach3 Turbo“habe Gillette 35 Patente angemeldet, berichtet der Wissenscha­ftler. Das reiche von der Schnittste­lle für die Verbindung zwischen Klinge und Schaft über den Neigungswi­nkel der Klingen bis zur Verpackung. Die Unternehme­n versuchten so starke Schutzschi­lde für die eigenen Produkte aufzubauen. Ob die billigeren Ersatzklin­gen weiter verkauft werden dürfen oder nicht – diese Entscheidu­ng will das Düsseldorf­er Gericht erst am 18. Juli verkünden. (dpa)

Newspapers in German

Newspapers from Germany