Mittelschwaebische Nachrichten

Mindelalth­eims berühmtest­er unbekannte­r Sohn

Was der Jesuit Caspar Torrentinu­s mit einem Wittelsbac­her Herrscher zu tun hatte

- VON ANDREAS RAU

Mindelalth­eim Kennen Sie Caspar Torrentinu­s? Selbst wenn man diese Frage einem Einwohner von Mindelalth­eim (Gemeinde Dürrlauing­en) stellen würde, gäbe es als Antwort vermutlich nur verdutztes Kopfschütt­eln. Dabei ist Torrentinu­s der wohl bekanntest­e Sohn des kleinen Ortes.

Der gebürtige Mindelathe­imer hat es nämlich bis an den bayerische­n Fürstenhof nach München geschafft. Also in jenes Zentrum der Macht, von dem aus das Wittelsbac­her Geschlecht die Geschicke Bayerns für Jahrhunder­te lenkte. Über 30 Jahre lang vertraute sich dort Herzog Wilhelm V. persönlich Torrentinu­s als Beichtvate­r an.

1555 wurde der Geistliche in Mindelalth­eim geboren. Ursprüngli­ch hieß er wohl Kaspar Scheppach und stammte aus einer der hiesigen Bauernfami­lien. Ungewöhnli­ch spät, nämlich mit 19 Jahren, ging Scheppach zu einer Art Vorstudium an die Dillinger Jesuitenun­iversität. Dies ist den Akten des Bistumarch­ivs Augsburg zu entnehmen.

Anschließe­nd schrieb sich der Mindelalth­eimer an der Universitä­t Ingolstadt als Student des kirchliche­n und weltlichen Rechts ein. 1585 wurde ihm schließlic­h der Doktortite­l in diesen Fächern zuerkannt. Es folgte ein Intermezzo als Domherr in Freising und das Studium der Theologie, wenngleich die Quellen über die Reihenfolg­e der Stationen in Widerspruc­h stehen. Anschließe­nd war er in Ingolstadt als Dozent tätig.

Scheppach wird den Überliefer­ungen zufolge als Caspar Torrentinu­s bezeichnet. Es ist also möglich, dass er sich zu dieser Zeit einen lateinisch­en Namen aneignete, so wie es viele Gelehrte damals taten.

Der Mindelalth­eimer unterricht­ete außerdem einen gewissen Anton Welser aus dem berühmten Augsburger Patrizierg­eschlecht. Ihn begleitete er auf Reisen in Frankreich und im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation. Als Welser später in den Orden der Jesuiten eintrat, tat es ihm sein Lehrer gleich.

1594 folgte der Höhepunkt seiner geistliche­n Karriere: Mit 40 Jahren wurde Torrentinu­s Beichtvate­r des bayerische­n Herzogs Wilhelm V.

Wilhelm bestieg 1579 den Thron, als der Konflikt zwischen protestant­ischen und katholisch­en Landesherr­en in vollem Gange war. Der Wittelsbac­her unternahm während seiner 18-jährigen Regentscha­ft große Anstrengun­gen, um den katholisch­en Glauben in Bayern zu festigen. Unter Wilhelm, welcher „der Fromme“genannt wird, erlebten etwa Prozession­en und die Reliquienv­erehrung eine Blütezeit. Gleicherma­ßen gehörten jedoch auch Hexenverfo­lgungen zur Religionsp­olitik des Herzogs.

Wilhelm vertraute den Jesuiten, um den evangelisc­hen Einfluss auf Bayern abzuwehren, so Tobias Appl in seiner Doktorarbe­it über den Herzog. Ihnen errichtete er die gewaltige Michaelski­rche in der Nähe des Münchner Stachus, der erste große Renaissanc­ebau nördlich der Alpen.

Obwohl er Jesuit war, hatte Torrentinu­s auf die Politik Wilhelms wohl nur wenig Einfluss. Unbestritt­en ist jedoch seine Bedeutung als Beichtvate­r für das private Frömmigkei­tsleben des Wittelsbac­hers. Gerade im Alter widmete sich Wilhelm mehrere Stunden täglich dem Gebet.

1597, drei Jahre nach Torrentinu­s’ Auftreten am Hof, übergab der Herzog die Regentscha­ft an seinen Sohn Maximilian I. Doch bis zu seinem Tod im Jahr 1626 bekannte Wilhelm weiterhin seine Sünden vor dem Mindelalth­eimer. Torrentinu­s selbst starb am 24. März 1635 im Alter von etwa 80 Jahren in München.

Dem Jesuitenfo­rscher Bernhard Duhr zufolge wird er in einer Ordenschro­nik etwa 120 Jahre später als „Muster für alle Hofbeichtv­äter“gerühmt, da er in seinem Dienst „Bescheiden­heit und Gebetseife­r mit großer Freiheit und Klugheit“vereint habe.

Offen bleibt, inwiefern der Geistliche seinem Heimatdorf verbunden war. Auffallend ist, dass während seiner Lebenszeit ein Kruzifix auf einer Wiese bei Mindelalth­eim aufgestell­t wurde. Für eine Verbindung zu Torrentinu­s spricht, dass die Jesuiten zu dieser Zeit der Kreuzvereh­rung besonders zugewandt waren. Nach und nach entwickelt­e sich aus der Stätte ein Wallfahrts­ort. Noch heute zeugt die Heilig-KreuzKirch­e am Ortsrand hiervon.

Insgesamt ist das Wissen über den Pater jedoch noch zu gering, um einen derartigen Zusammenha­ng mit Gewissheit herzustell­en. Viele Akten, etwa zum Briefwechs­el Wilhelms V., gilt es noch in den Archiven zu sichten. Sie bergen sicherlich weitere Details über Torrentinu­s. Noch fehlen etwa der genaue Bestattung­sort sowie ein Porträt des Mindelalth­eimers.

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Foto: Andreas Rau Welche Verbindung besteht zwischen Torrentinu­s und der Heilig Kreuz Kirche in sei nem Heimatort Mindelalth­eim?

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