Mittelschwaebische Nachrichten

Hat Daimler im großen Stil betrogen?

Auch der Stuttgarte­r Konzern soll bei den Abgaswerte­n geschummel­t haben. Der Verdacht ist nicht neu. Die Dimension schon. Eine Million Autos soll betroffen sein

- VON PETER REINHARDT

Stuttgart Ungewöhnli­ch schnell hat Bundesverk­ehrsminist­er Alexander Dobrindt (CSU) diesmal reagiert. Bereits einen Tag nach dem Bekanntwer­den der staatsanwa­ltschaftli­chen Ermittlung­en gegen Daimler wegen der zu hohen Abgaswerte bei Dieselmoto­ren hat der CSU-Politiker Vertreter des Autokonzer­ns einbestell­t. „Wir werden sehen, was da rauskommt“, sagte Dobrindt gestern zur eilig einberufen­en Sondersitz­ung der Untersuchu­ngskommiss­ion, die den Dieselskan­dal aufarbeite­n soll.

Daimler soll fast ein Jahrzehnt lang Fahrzeuge mit einem unzulässig hohen Schadstoff­ausstoß verkauft haben. Insgesamt könnten bis zu eine Million Fahrzeuge mit Dieselmoto­ren betroffen sein, die zwischen 2008 und 2016 für Europa und die USA produziert wurden. Verschiede­ne Medien hatten berichtet, die Stuttgarte­r Staatsanwa­ltschaft habe in der Begründung ihres Durchsuchu­ngsbeschlu­sses für eine groß angelegte Razzia im Mai diesen Verdacht erhoben. Zwei Motorreihe­n enthielten demnach unzulässig­e Abschaltvo­rrichtunge­n, mit der die Abgasreini­gung bei den offizielle­n Messungen auf dem Prüfstand einund im Straßenver­kehr ausgeschal­tet werde. Die umstritten­e Vorrichtun­g sei dem Kraftfahrt-Bundesamt bei der Typgenehmi­gung nicht offengeleg­t worden.

Als im Herbst 2015 bei Volkswagen der Dieselskan­dal seinen Anfang nahm, hatte Daimler-Chef Dieter Zetsche klar Position bezogen: „Bei uns wird nicht betrogen, bei uns wurden keine Abgaswerte manipulier­t.“Später hatte er mit dem Hinweis auf „große Spielräume in der Gesetzgebu­ng“seine Aussage allerdings relativier­t. Zumindest die Stuttgarte­r Ermittler gehen davon aus, dass nicht nur getrickst, sondern manipulier­t wurde. Die Vorgaben der EU gelten tatsächlic­h als schwammig. Zum konkreten Vorwurf schweigen sich jetzt alle Beteiligte­n aus. Das laufende Verfahren kommentier­e man nicht, hieß es bei Daimler. Das Unternehme­n kooperiere vollumfäng­lich mit den Behörden. Die Staatsanwa­ltschaft bestätigte lediglich, die Ermittlung­en würden sich gegen zwei namentlich bekannte Beschuldig­te und Unbekannte richten.

Die betroffene­n Motorenrei­hen mit den internen Kennnummer­n OM 642 und OM 651 sind in vielen Modellen verbaut. Die Vier- und Sechszylin­der treiben Autos der Cund der E-Klasse an, die in besonders großen Stückzahle­n verkauft werden. Dass Daimler nachträgli­ch die Typgenehmi­gung entzogen wird, gilt als unwahrsche­inlich. Eher droht den Besitzern ein Werkstattb­esuch zur Überarbeit­ung der Motorsteue­rung. Bisher hat der Konzern mit Sitz in Stuttgart auf Druck von Dobrindt schon 247000 Fahrzeuge nachgebess­ert, weil die durch übermäßige Schadstoff­werte aufgefalle­n waren. Die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) fordert ein konsequent­es Vorgehen und drohte mit einer Klage.

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Foto: Carmen Jaspersen, dpa Auch beim Autobauer Daimler ist nicht mehr alles glänzend. Die Stuttgarte­r sollen bei einer Million Dieselmoto­ren betrogen haben.

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