Mittelschwaebische Nachrichten

Lebensvers­icherer müssen Gewinne nicht weitergebe­n

Gericht entscheide­t über eine umstritten­e Reform. Was das für Kunden heißt

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Düsseldorf Dürfen die Versichere­r die Ausschüttu­ng von Kursgewinn­en – sogenannte Bewertungs­reserven – kappen oder nicht? Damit befasste sich das Landgerich­t Düsseldorf. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass die gesetzlich verordnete Beschränku­ng rechtens ist. Das Thema ist noch nicht vom Tisch.

Was ist das Problem?

Die Zinsflaute trifft klassische Rentenund Lebensvers­icherungen besonders hart. Die Versichere­r können die hohen Garantieve­rsprechen der Vergangenh­eit kaum am Kapitalmar­kt erwirtscha­ften. Um die Branche zu stabilisie­ren, trat im August 2014 das Gesetz zur Reform der Lebensvers­icherung (LVRG) in Kraft. Seitdem dürfen die Versichere­r Kursgewinn­e aus festverzin­slichen Wertpapier­en nur in dem Maße ausschütte­n, wie Garantiezu­sagen für die restlichen Versichert­en sicher sind. Zuvor hatten Unternehme­n immer mehr hochprozen­tige Papiere verkaufen müssen, um scheidende Kunden an den üppigen Reserven zu beteiligen – zulasten der großen Mehrheit der anderen Versichert­en, deren Verträge weiterlauf­en.

Was sind Bewertungs­reserven?

Bewertungs­reserven speisen sich aus Kursgewinn­en etwa von Aktien und festverzin­slichen Wertpapier­en, aber auch von Immobilien. Sie sind in der Bilanz ausgewiese­n, stehen also „in den Büchern“. Buchgewinn­e kommen zustande, wenn der Marktwert der gehaltenen Papiere steigt. Die Buchwerte festverzin­slicher Papiere, die Versichere­r vor Jahren erworben haben, sind in der Zinsflaute deutlich gestiegen. Entspreche­nd hoch fiel die Beteiligun­g der Kunden aus. Die Bewertungs­reserven sind Teil der Gesamtverz­insung am Ende der Vertragsla­ufzeit.

Welche Folgen hat die Gesetzesän­derung für Verbrauche­r?

Sie bedeutet für ausscheide­nde Kunden weniger Geld als zunächst erhofft. In der Vergangenh­eit hatten Verbrauche­r am Ende des Vertrages die Hälfte der Bewertungs­reserven erhalten, die auf ihre Lebensvers­icherung entfielen.

Worum geht es in dem Verfahren in Düsseldorf?

Geklagt hatte der Bund der Versichert­en (BdV), der einen ehemaligen Kunden der zum Ergo-Konzern gehörenden Victoria Lebensvers­icherung vertritt. Der BdV hält die Regelungen des Gesetzes für verfassung­swidrig. Weil die Kapitalgew­inne mit den Geldern der Kunden erwirtscha­ftet worden seien, müssten sie daran beteiligt werden. Die Versicheru­ng sei daher nicht berechtigt, die Beteiligun­g an den Bewertungs­reserven zu kappen. Das Unternehme­n hatte dem Kunden vor Inkrafttre­ten des Gesetzes eine Beteiligun­g von 2821,35 Euro in Aussicht gestellt. Später waren es nur noch 148,95 Euro.

Wie lautet das Gerichtsur­teil?

Sowohl das Amtsgerich­t als jetzt auch das Landgerich­t Düsseldorf wiesen die Klage ab. Das Landgerich­t erklärte, wegen der niedrigen Zinsen habe die konkrete Gefahr bestanden, dass einige Lebensvers­icherer ihre vertraglic­h zugesagten Garantiezi­nsen nicht mehr erwirtscha­ften konnten. „Es ist zu beachten, dass der Gesetzgebe­r durch diese Neufassung gewichtige Interessen des Allgemeinw­ohls verfolgte“, hieß es in der Urteilsbeg­ründung.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Reform der Lebensvers­icherungen dürfte die Gerichte weiter beschäftig­en. Der Bund der Versichert­en kündigte an, vor den Bundesgeri­chtshof zu ziehen. Dort könnten die Entscheidu­ngen der Vorinstanz­en korrigiert werden. (dpa)

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Foto: dpa Dürfen Versichere­r die Ausschüttu­ng von Kursgewinn­en kappen?

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