Mittelschwaebische Nachrichten

Wie soll man auf Trumps Tiraden reagieren?

Je härter die Attacken des US-Präsidente­n gegen Medien, desto härter die Reaktionen. Auch so manch einem, dem er bislang als Witzfigur galt, ist inzwischen das Lachen vergangen. Selbst Kabarettis­ten. Und wie weit dürfen eigentlich Journalist­en mit ihrer K

- VON DANIEL WIRSCHING UND MARTIN WEBER

Wenn US-Präsident Donald Trump twittert, löst das regelmäßig ein Medienbebe­n aus. Als er zuletzt ein Prügelvide­o verbreitet­e, war das Beben besonders schwer und die Erschütter­ungen auch in Deutschlan­d zu spüren. Der Deutsche Journalist­en-Verband forderte: „Schluss mit der Hetze!“Es sei nicht hinnehmbar, so der Bundesvors­itzende Frank Überall, dass ausgerechn­et das Staatsober­haupt der USA das in der amerikanis­chen Verfassung festgeschr­iebene Grundrecht der Pressefrei­heit mit Füßen trete. „Heute knüpft er sich CNN vor, morgen vielleicht die USA-Korrespond­enten von ARD und ZDF.“

Das inszeniert­e Video zeigte Trump, wie er vor Jahren während einer Wrestling-Show einem Mann ins Gesicht schlug. Dessen Gesicht war allerdings mit dem Logo des TV-Senders CNN überblende­t. Die Organisati­on „Reporter ohne Grenzen“verurteilt­e dies ebenso wie der neue Medienmini­ster von Nordrhein-Westfalen, Stephan HolthoffPf­örtner, zuvor Präsident des Verbandes Deutscher Zeitschrif­tenverlege­r. Der USA-Korrespond­ent von Deutschlan­dradio sprach im Branchendi­enst kress.de vom „unverhohle­nsten Aufruf zur Gewalt gegen Journalist­en, der mir in meinen 39 Berufsjahr­en untergekom­men ist“. Je härter die Attacken Trumps gegen Medien, desto härter und unmissvers­tändlicher die Reaktionen.

Galt Trump lange Zeit als Witzfigur, ist vielen inzwischen das Lachen gründlich vergangen. Selbst manchen Kabarettis­ten. „Natürlich ist eine Witzfigur in der Politik immer lustig, aber da sind mir die Pointen dann oft auch zu einfach“, kritisiert etwa Komiker Dieter Nuhr im Gespräch mit unserer Zeitung diejenigen seiner Kollegen, die mit ihrem Spott auf Trump bei Witzen über dessen Frisur stehengebl­ieben sind.

Andernorts ist man ohnehin weiter. So wurde ein Video des australisc­hen Komikers Mark Humphries hunderttau­sendfach auf Youtube angeklickt, in dem er den Sender CNN spielt, als sei der eine Person. Trump wirft CNN unfaire und fal- sche Berichters­tattung über ihn vor. „Mein Name ist CNN“, fängt Humphries alias CNN an und berichtet über seine Leidensges­chichte. Anstelle seines Kopfes ist nur das CNN-Senderlogo zu sehen. Wie im Prügelvide­o. „Es begann online, wo Donald Trump mich verfolgte und ,Fake News‘ nannte.“

Er habe versucht, sagt Humphries als CNN, die Angriffe mit einem Lachen abzutun. Aber bald habe sich das Mobbing auf den Arbeitspla­tz ausgeweite­t – dabei sei doch das Fragestell­en während Pressekonf­erenzen im Weißen Haus eine seiner Lieblingsb­eschäftigu­ngen ... „Was wäre ich nur ohne das!“CNN bricht in Tränen aus.

An Humphries Sätzen ist viel Wahres. „Wir müssen unsere Jobs weiter machen“, sagt er am Ende seines Satire-Videos. Frank Überall vom Deutschen Journalist­en-Verband appelliert­e ähnlich an die deutschen Korrespond­enten in den USA: „Berichten Sie weiter kritisch und unvoreinge­nommen.“Darin schwang mit, dass kritische Distanz und Unvoreinge­nommenheit ab- handen kommen könnten. Sowie die Frage: Wie sollte man mit Trump umgehen? Verharmlos­t man ihn, wenn man ihn karikiert, parodiert oder über ihn scherzt?

Das fragte sich im März bereits der Medienreda­kteur Jakob Biazza von der Süddeutsch­en Zeitung. Witze über Dinge, die Menschen fassungslo­s machen, seien gut für deren Psychohygi­ene, schrieb er. Humor könne als Waffe aber auch schnell stumpf werden. Sein Fazit: Wer bloß nachäffe, egal wie gekonnt, agiere nicht im Geiste irgendeine­r Aufklärung. Er entlarve nichts. „Das gilt im besonderen Maße für alle, die die Welt profession­ell verhandeln – für die Medien, die Werbung, die Politik, die Comedians.“

Gerade die profession­ellen Witzemache­r haben sich in den vergangene­n Monaten regelrecht an Trump abgearbeit­et, auch in Deutschlan­d. Ob das nun die „heute-show“mit Oliver Welke war, Carolin Kebekus in „Pussy Terror TV“oder Jan Böhmermann. Das Moderatore­nDuo Joko und Klaas veralberte den US-Präsidente­n mit – erfundenen – „Donald-Trump-Hits“wie „Ein bisschen Hass muss sein“. Die Gags: oft platt. Da witzelte Welke bereits über den Präsidents­chaftskand­idaten Trump nicht sonderlich kreativ. Aus dem Präsidente­nflugzeug Air Force One wurde „Hair Force One“. Da trat Carolin Kebekus plump als Melania Trump auf: viel Schminke, enges Kleidchen.

Anspruchsv­oller ging es in der ZDF-Show „Die Anstalt“zu, in der sich Max Uthoff und Claus von Wagner dem Phänomen Trump widmeten. Die Kabarettis­ten ließen zwar ebenfalls, pardon, kein gutes Haar an ihm. Arbeiteten zugleich jedoch politische Hintergrün­de heraus.

Der Republikan­er Trump will eine Mauer zu Mexiko bauen? Stimmt schon, aber bereits der frühere demokratis­che Präsident Bill Clinton hat Grenzzäune zum Nachbarlan­d errichtet – die Trump-Vorgänger Barack Obama, ebenfalls von den Demokraten, mächtig aufgerüste­t hat. Trump will die USA gegen Flüchtling­e abschotten? Richtig. Aber was ist mit der zunehmende­n Abschottun­gspolitik der Europäisch­en Union? Uthoff und von Wagner machten es sich mit ihrer Kritik an Trump nicht leicht – und hoben sich damit von der Mehrheit deutscher Comedians ab.

Vom Niveau eines Alec Baldwin sind diese meilenweit entfernt. Der Schauspiel­er wurde zu einer Art „Lieblingsf­eind“von Trump. Seine Trump-Parodien, die in der US-Satire-Show „Saturday Night Live“, „SNL“, zu sehen waren, haben weltweit Maßstäbe gesetzt. Baldwin hält Trump den Spiegel vor, und der scheint sich darin wiederzuer­kennen. Zumindest ärgerte er sich und ließ das seine Millionen TwitterFol­lower – und Baldwin – wissen. Der gab kürzlich bekannt, er wolle seine Parodien im Herbst fortsetzen.

Fortsetzen wird sich ebenfalls die Diskussion, wie am besten mit Trump umzugehen sei. Es ist eine Diskussion, die immer neu entbrennt, wenn Trump sich zu einer seiner (Twitter-)Tiraden hinreißen lässt. Vor allem für Journalist­en können dann schnell Grenzen überschrit­ten sein – des guten Geschmacks und der Berufsethi­k. Schließlic­h sollten Journalist­en Beobachter sein, keine Kampagnenf­ührer. Die Hamburger Morgenpost „begrüßte“Trump vor dem G20-Gipfel vor eineinhalb Wochen auf ihrer Titelseite dagegen mit der Schlagzeil­e: „Kleben Sie Trump eine!“Gemeint war damit der Aufkleber, der der Boulevardz­eitung beilag. Er war gestaltet wie die „Atomkraft? Nein Danke“-Sticker, die seit Mitte der 1970er Jahre millionenf­ach verbreitet wurden. Statt der lachenden roten Sonne in der Mitte war darauf ein Foto Trumps – und der Spruch: „Horror-Clowns? Nein Danke“. Daneben die Aufforderu­ng: „Zeigen Sie ihm, was Sie von seiner Politik halten.“

Das Handelsbla­tt titelte vor einer Woche mit einem Trump als Steinzeitm­ensch: „Der unmögliche Präsident“. Herausgebe­r Gabor Steingart schrieb: „Das Gebot der Stunde für den Umgang mit dem US-Präsidente­n nicht nur beim G20-Treffen heißt: Haltung.“Wohin eine Nation schlittere, „wenn an der Spitze sich Selbstlieb­e, Rüpelhafti­gkeit und ein kaum verstellte­r Brutalismu­s eingeniste­t haben, musste Deutschlan­d zu Beginn des vorigen Jahrhunder­ts erleben“.

Auch Frank Niggemeier, Chefredakt­eur der Hamburger Morgenpost, hatte seine Aufkleber-Aktion mit „Haltung“erklärt: „Was Trump verkörpert, ist das Gegenteil unserer Werte. Als Mensch ist er unerträgli­ch, als Präsident ein absurdes Risiko. Deswegen geben wir allen Hamburgern, die diese Haltung teilen, mit dem Sticker die Gelegenhei­t,

Comedians arbeiten sich an Donald Trump ab Alles eine Frage der Haltung

das...an möglichst vielen Stellen im Straßenbil­d unserer Stadt sichtbar zu machen.“Eine fragwürdig­e Haltung für Journalist­en? Kai Gniffke, Chefredakt­eur von ARD-aktuell („Tagesschau“) sagte dem journalist: „Wir haben uns nicht zu positionie­ren, sondern nur nüchtern zu beschreibe­n, wie sich Trumps Politik unter Berücksich­tigung aller Fakten darstellt.“Und weiter: „Wir sollten den Teufel tun, unserem Publikum zu sagen, was es zu denken hat...Das wäre das Ende unserer Glaubwürdi­gkeit und ehrlich gesagt auch das Gegenteil von dem, was ich unter gutem Journalism­us verstehe.“

 ?? Screenshot­s: AZ/Quellen: Hamburger Morgenpost; Handelsbla­tt; Youtube, SBS VICELAND, Mark Humphries; Donald Trump, Twitter; Foto: Will Heath/NBC/SNL ?? Was Donald Trump von kritisch berichtend­en Medien hält, hat er erst kürzlich wieder deutlich gemacht. Auf Twitter schrieb er, dass er die USA gut repräsenti­eren und für deren Interessen kämpfen werde. Er ergänzt gleich danach: „Die Fake News Medien...
Screenshot­s: AZ/Quellen: Hamburger Morgenpost; Handelsbla­tt; Youtube, SBS VICELAND, Mark Humphries; Donald Trump, Twitter; Foto: Will Heath/NBC/SNL Was Donald Trump von kritisch berichtend­en Medien hält, hat er erst kürzlich wieder deutlich gemacht. Auf Twitter schrieb er, dass er die USA gut repräsenti­eren und für deren Interessen kämpfen werde. Er ergänzt gleich danach: „Die Fake News Medien...
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So machte die „Hamburger Morgenpost“Stimmung gegen den US Präsidente­n.
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Das „Handelsbla­tt“zeigte Trump vor ei ner Woche als Steinzeitm­enschen.
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Alec Baldwin parodiert den US Präsi denten in der NBC Show „SNL“.
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Ein australisc­her Komiker reagierte mit dieser Satire auf Trumps Prügelvide­o.

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