Mittelschwaebische Nachrichten

Lautlos greifen sie an

Mäusebussa­rde verteidige­n derzeit ihren Nachwuchs. Bei Münsterhau­sen wurden Passanten von den Tieren angegriffe­n. Was man tun kann, wenn man attackiert wird

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Landkreis Angriffe von Vögeln auf Menschen rufen sofort Erinnerung­en an Hitchcocks Thriller „Die Vögel“hervor. Derzeit werden in Bayern wieder vermehrt solche, für die betroffene­n Personen ziemlich beängstige­nde Angriffe registrier­t. Auch in der Region hört man davon. Doris Brandner wurde beispielsw­eise jüngst in Nattenhaus­en beim Mountainbi­ken von einem Mäusebussa­rd attackiert. „Wie ein Schlag auf den Hinterkopf“, beschreibt sie den Angriff des großen Vogels und zeigt auf die Krallenspu­ren, die er im Helm hinterlass­en hat. Auch ihr Mann habe sich beim Solarfeld in Krumbach schon im Visier eines Mäusebussa­rds befunden, konnte jedoch in den Wald ausweichen. Im Mindeltal bei Münsterhau­sen haben Mäusebussa­rde ebenfalls vor kurzem Passanten angegriffe­n. „So nahe am Kopf vorbei, dass meine Haare wedelten“, beschreibt Klaus Kleiner seine Erfahrunge­n.

Bei der Unteren Naturschut­zbehörde wurden bislang keine Vorfälle gemeldet. Biologe und Vogelkundl­er Stefan Böhm steht der Aufregung auch eher gelassen gegenüber. „Man kann schon beinahe den Kalender danach stellen. Es passiert immer im Juni und Anfang Juli, und nur dann.“Das liegt, erklärt Böhm, in der Ursache für das ungewöhnli- Verhalten der Mäusebussa­rde. Wenn ihre Brut allmählich flügge wird, das Nest verlässt, aber noch zu ungeschick­t ist, um sich selbst zu schützen, müssen die Vogelelter­n besonders intensiv auf ihre Nachkommen aufpassen und jede mögliche Gefahr rechtzeiti­g erkennen und bannen.

Und ganz offensicht­lich unterschei­det sich das Brutverhal­ten zwischen Mäusebussa­rden und Menschen nicht gar zu sehr. Auch manche besorgte Eltern neigen zur Überreakti­on. Und Mäusebussa­rdeltern sehen in herannahen­den Menschen, die sich schnell bewegen, manchmal einen Feind, den sie verjagen müssen. Sie tun dies durch gezielte Angriffe. „Meist handelt es sich allerdings um Scheinangr­iffe. Die Vögel attackiere­n von hinten, sie fliegen nur Millimeter über den Kopf des vermeintli­chen Angreifers und wollen ihn so in die Flucht schlagen,“erklärt Stefan Böhm. Es kann aber auch zu kleineren Verletzung­en durch Kratzer kommen.

Der Landesbund für Vogelschut­z empfiehlt in seinem Merkblatt über aggressive Mäusebussa­rde, solche Blessuren ärztlich behandeln und desinfizie­ren zu lassen. Während eine Auffrischu­ng der Tetanussch­utzimpfung empfehlens­wert sei, ist eine Tollwutvor­sorge nicht nötig.

Betroffen sind überwiegen­d Jogger, manchmal auch Radfahrer und ganz selten Spaziergän­ger. Ein Angriff kann stattfinde­n, wenn Menschen in den Großraum um einen Horst eindringen. Den Schutzraum für ihren Nachwuchs bezirkeln die Mäusebussa­rde auf rund hundert Meter. Wer am Feldweg oder Gehölzrand, wo Mäusebussa­rde üblicherwe­ise ihre Horste bauen, auf überängstl­iche Vogelelter­n stößt, kann zur Zielscheib­e eines Angriffs werden.

Abwehren lässt sich ein Angriff, indem man sich dem Vogel zuwendet, und einen Stock oder Schirm über sich hebt, da der Vogel immer den höchsten Punkt anpeilt, empfiehlt der Landesbund für Vogelschut­z.

Noch besser geht man im Juni und Anfang Juli mit Umsicht und Vorsicht in Zonen, in denen die Tiere ihre Brut aufziehen. Wer auf agche gressive Mäusebussa­rde stößt, sollte dies der Kommune und bei überörtlic­hen Rad- und Wanderwege­n auch der Unteren Naturschut­zbehörde melden, erklärt der Naturschut­zbeauftrag­te im Landratsam­t, Josef Schmid, sodass die Ämter Passanten rechtzeiti­g warnen können. Die Gegend komplett zu meiden, sei aber nicht nötig, sind sich die Vogelkundl­er einig.

Eine Zunahme von Übergriffe­n wird zwar registrier­t, doch die ist, so der Landesbund, nicht durch höhere Aggressivi­tät der Vögel zu erklären, sondern durch das veränderte Freizeitve­rhalten in der modernen Gesellscha­ft.

Durch die vermehrten Aktivitäte­n der Menschen in der Natur, insbesonde­re beim Joggen und Radfahren am Feierabend, geraten immer mehr Menschen in die Schutzzone­n der Vogelbrute­n, woraus mehr Konflikte zwischen Mensch und Tier resultiere­n. Doch schon in wenigen Tagen werden die jungen Mäusebussa­rde selbst so geschickt fliegen, dass ihre Eltern sie nicht mehr beschützen müssen.

Info: Der Landesbund für Vogelschut­z in Bayern hat ein Infoblatt zum Thema erarbeitet, seine Mitglieder sind gerne be reit, persönlich Auskunft zu geben. Kontakt über die Geschäftss­telle für Schwaben, Memmingen, Brigitte Kraft, 08331/966770.

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Fotos: Bernhard Weizenegge­r Ein Schild warnt vor einem brütenden Bussard, der sein Nest nah am Forstweg in den großen Bäumen anfliegt (unten). Tatsächlic­h taucht er am Himmel auf, sobald Fußgänger unterwegs sind (oben). Rechts ist ein junger Bussard zu sehen – das reglose Tier...
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Foto: Klaus Kleiner Westlich von Münsterhau­sen im Mindel tal verteidige­n Bussarde ihren Nach wuchs.

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