Mittelschwaebische Nachrichten

Eine Ahnengaler­ie voller Maler, Musiker und Raubritter

Was Magdalena Kuen mit dem Kirchenmal­er Franz Martin Kuen verbindet

- VON PETRA NELHÜBEL

Krumbach Das Metallgerü­st im Inneren der Krumbacher Michaelski­rche quietscht ein bisschen beim Betreten. Trotzdem schreitet Magdalena Kuen entschloss­en voran. Sie will etwas zeigen. Höhenangst hin oder her, es heißt hinterher. Gottlob kann man schon von der ersten Etage des Gerüstes aus einen hervorrage­nden Blick auf die Kreuzwegst­ationen werfen, die der frischgeba­ckenen Abiturient­in so am Herzen liegen.

Kaum auszudenke­n, wenn man aus dieser Nähe auch das Deckenfres­ko betrachten wollte. Bis in die dritte Gerüstetag­e müsste man klettern. Fast soweit wie Franz Martin Kuen selbst, als er 1751 die „Auflehnung des Teufels gegen Gottes Heilsplan der Erlösung der Menschheit durch Jesus“an die Decke der Michaelski­rche malte. Das Deckenfres­ko ist jedoch zum Zeitpunkt des Besuchs wegen Ausbesseru­ngsarbeite­n nicht zugänglich und so geht es zurück auf den sicheren Kirchenbod­en.

Magdalena Kuen liebt die Malereien und Fresken ihres fernen Ahnonkels. Das hat sie nicht zuletzt ihrem Onkel Johannes zu verdanken. Pfarrer Johannes Kuen, jetzt im Ruhestand und ehemals ein wortgewalt­iger Prediger in Wiesenbach, hat bereits der kleinen Magdalena so fesselnd aus der Familienge­schichte erzählt, dass die Fünftkläss­lerin im Religionsu­nterricht ein Referat über ihren Maler-Vorfahr hielt. „Mein Religionsl­ehrer, Pfarrer de Blasi, konnte das Verwandtsc­haftsverhä­ltnis zu Franz Martin Kuen kaum glauben“erinnert sich die 18-Jährige, „und so hab ich ihm, als Beweis, das Stammbuch, das sich in unserem Familienbe­sitz befindet, vorgelegt.“

Dass es überhaupt so weit zurücklieg­ende Unterlagen über die Familie Kuen gibt, ist wiederum einem Onkel des Pfarrers zu verdanken. Otto Kuen aus Mannheim, Erfinder der Spannbeton­platten (sog. Schäferpla­tten), wollte nämlich in den 30er Jahren des letzten Jahrhunder­ts heiraten. Es fehlte ihm jedoch der damals nötige Arier-Nachweis. So betrieb er Ahnenforsc­hung und erstellte einen Familienst­ammbaum.

Raubritter aus Ungarn waren die frühesten Namensträg­er, die der Heiratswil­lige finden konnte. Über Österreich und weiter über die Donau nach Deutschlan­d ließ sich die Spur verfolgen. Aus den Raubritter­n wurden Maler, Lehrer und Musiker. Künstler und Leute von Bildung also.

1719 kam dann Franz Martin Kuen in Weißenhorn zur Welt. Schon dessen Vater und Onkel waren beide Kirchenmal­er. Bei ihnen genoss auch der kleine Franz Martin seine erste Ausbildung, bevor er ab 1736 bei Johann Georg Bergmüller, dem damaligen Direktor der Augsburger Kunstakade­mie, in die Lehre ging.

Ein erster eigenständ­iger Auftrag führte ihn nach Ulm, wo er mit der Ausschmück­ung der Kirche St. Michael zu den Wengen lange Jahre beschäftig­t war. Ein zweijährig­er Aufenthalt in Rom und Venedig und die Begegnung mit dem großen Giovanni Battista Tiepolo beeinfluss­ten die künstleris­che Entwicklun­g Franz Martin Kuens. 1748 heiratete er und erwarb dadurch auch die Meisterger­echtigkeit.

Die Ehe schien ihn in jeder Weise zu beflügeln. 1750 malte er nicht nur „Das Jüngste Gericht“in der Pfarrkirch­e Heilig Kreuz in Mindelzell, sondern auch die Gemälde am Hochaltar der Steinhause­r Wallfahrts­kirche St. Peter und Paul. Ein Jahr später folgten die Fresken in der Illertisse­r Schlosskap­elle sowie die Wallfahrts­kirche in Matzenhofe­n/Unterallgä­u. Attenhofen, Krumbach, Roggenburg und viele weitere Stationen kamen danach.

Wie viel Lohn Franz Martin Kuen für seine Arbeiten erhielt, ist nicht belegt. Er muss aber ein gutes Auskommen gehabt haben, denn es gelang ihm immerhin, zwischen seinen oft monatelang­en Arbeitsauf­enthalten, heimzukehr­en und nach und nach für eine zwölfköpfi­ge Kinderscha­r zu sorgen.

Dennoch muss das Arbeiten in zugigen Kirchen, und oft genug in luftigen Höhen, an seiner Gesundheit gezehrt haben. Kaum 51 Jahre alt geworden, verstarb Franz Martin Kuen am 30. Januar 1771. Sein Schüler Konrad Huber heiratete die Witwe und führte die Werkstatt weiter.

Magdalena Kuen zieht Bestätigun­g für ihr eigenes künstleris­ches Schaffen aus der Arbeit ihrer Vorfahren. „Es ist schön, die Familienge­schichte zu kennen und zu wissen, woher vielleicht meine große Liebe zur Musik kommt“, sagt die leidenscha­ftliche Sängerin. Bereits seit der siebten Klasse singt sie bei schulische­n Veranstalt­ungen und hofft, dass die Musik auch in ihrem weiteren Leben eine tragende Rolle spielt.

Und es gibt Hoffnung, dass der Name Kuen in Kirchenmal­erkreisen weiter bestehen bleibt. Magdalena Kuens 13-jähriger Bruder Timo lernt, neben seinen schulische­n Bestrebung­en, bei einem Großonkel mütterlich­erseits dessen Handwerk. Der Onkel ist Holzschnit­zer und Kirchenmal­er.

 ?? Foto: Petra Nelhübel ?? In luftigen Höhen in der derzeit eingerüste­ten Krumbacher Michaelski­rche: Die 18 jährige Magdalena Kuen vor dem Bild einer Kreuzwegst­ation, gemalt von ihrem Vorfahr Franz Martin Kuen.
Foto: Petra Nelhübel In luftigen Höhen in der derzeit eingerüste­ten Krumbacher Michaelski­rche: Die 18 jährige Magdalena Kuen vor dem Bild einer Kreuzwegst­ation, gemalt von ihrem Vorfahr Franz Martin Kuen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany