Mittelschwaebische Nachrichten
Rollstuhltaxi auf drei Rädern
Bei einer einwöchigen Aktion fahren Mitglieder des Fahrradklubs Bewohner von Pflegeheimen spazieren
Neu Ulm Raus an die frische Luft, aufs Fahrrad und los. Was für viele das Normalste der Welt ist, ist für Roswitha eigentlich undenkbar – weil sie im Rollstuhl sitzt. Doch diese Woche ist alles anders. Grund dafür ist eine Aktion des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) des Kreisverbands Neu-Ulm: „Freunde auf 3 Rädern“. Dafür treten diese Woche zehn Freiwillige des Klubs kräftig in die Pedale einer speziellen Fahrrad-Rikscha, die Menschen im Rollstuhl transportieren kann.
Hans-Peter Gester ist Vorstandsmitglied des ADFC Kreisverband Neu-Ulm, Initiator des Projekts und selbst einer der ehrenamtlichen Rikscha-Piloten. „Damit wollen wir das Angebot hier in der Region anschieben“, sagt der 52-Jährige. Durch Zufall sei er vergangenes Jahr auf die Idee gekommen. Auf der Ehrenamtsmesse im Edwin-Scharff-Haus habe er mit Verantwortlichen der Lebenshilfe Senden gesprochen, die das spezielle Rad bereits vor einigen Jahren – von Spendengeldern – gekauft haben. Daraufhin habe Gester den Wunsch gehabt, die Rollstuhlfahrer auch einmal bei einer Fahrradtour mitzunehmen. Für diese Woche habe der ADFC das Rad nun von der sozialen Einrichtung in Senden gemietet.
Laut Gester ist an jedem Tag der Woche ein anderes Wohnheim aus der Region an der Reihe, von dem einzelne Bewohner abgeholt werden. Dazu zählen die Donau-Iller Wohnstätten, die Arbeiterwohlfahrt, das Haus St. Michael sowie das Albertinum. Als Ziel wolle der ADFC erreichen, dass mehr dieser Geräte angeschafft werden. Angehörige würden so selbst die Möglichkeit bekommen, mit Rollstuhlfahrern eine Radtour zu unternehmen. „Dafür leisten wir jetzt die Öffentlichkeitsarbeit“, sagt Gester.
Allerdings sind die Fahrzeuge teuer. Je nach Ausstattung sei der Preis der Räder unterschiedlich. Den Anschaffungspreis für das bereits vorhandene Elektrofahrrad aus Senden, dessen Akku bis zu 60 Kilometer weit reicht, schätzt Gester auf rund 7000 Euro. Sebastian Dirr, Einrichtungsleiter der Lebenshilfe Donau-Iller Neu-Ulm sagt, dass es für die Pflegeheime kaum möglich ist, ohne Spenden und Wohltäter weitere davon anzuschaffen. Gester: „Wir suchen mit der Aktion daher auch nach Sponsoren.“Rikscha-Piloten habe der 52-Jährige dagegen schon eine ganze Menge.
Das Interesse, an der Aktion teilnehmen zu können, sei bei den Mitgliedern des ADFC sehr groß gewesen. „So verfügen wir jetzt auch über einen Fahrerpool für danach“, sagt Vorstandsmitglied Gester. Eine Überlegung sei beispielsweise, Touren mit freiwilligen Fahrern anzubieten, „eventuell auch für ein kleines Entgelt“. Für das Pilotprojekt habe Gester zehn Piloten ausgewählt. „Eine Fahrerin wollte so gerne am Projekt teilnehmen, dass sie sich sogar extra Urlaub dafür genommen hat“, erzählt der begeisterte Radfahrer. Die Freiwilligen haben einen kurzen Einführungskurs erhalten: Dabei lernten sie einerseits, wie die drei Gurte befestigt werden, die den Rollstuhl fixieren, und wie der Fahrgast angeschnallt wird. Andererseits, wie der Rollstuhl auf die kippbare Ladefläche gezogen wird.
Nach einem kurzen Training geht es dann schon los: In Zweiergruppen absolvieren die zehn Freiwilligen die etwa 20 geplanten Fahrten. Die Routen führen beispielsweise an der Donau entlang, ins Wiley oder an den Ludwigsfelder Baggersee. „Wir fahren einfach dem Zwitschern der Vögel hinterher“, sagt Gester. Er selbst ist begeistert von dem Fahrrad – und seine Gäste sind es auch. Roswitha hat dafür drei einfache Worte: „Es ist super!“