Mittelschwaebische Nachrichten

Rollstuhlt­axi auf drei Rädern

Bei einer einwöchige­n Aktion fahren Mitglieder des Fahrradklu­bs Bewohner von Pflegeheim­en spazieren

- VON CHRISTOPH KÖLLE

Neu Ulm Raus an die frische Luft, aufs Fahrrad und los. Was für viele das Normalste der Welt ist, ist für Roswitha eigentlich undenkbar – weil sie im Rollstuhl sitzt. Doch diese Woche ist alles anders. Grund dafür ist eine Aktion des Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) des Kreisverba­nds Neu-Ulm: „Freunde auf 3 Rädern“. Dafür treten diese Woche zehn Freiwillig­e des Klubs kräftig in die Pedale einer speziellen Fahrrad-Rikscha, die Menschen im Rollstuhl transporti­eren kann.

Hans-Peter Gester ist Vorstandsm­itglied des ADFC Kreisverba­nd Neu-Ulm, Initiator des Projekts und selbst einer der ehrenamtli­chen Rikscha-Piloten. „Damit wollen wir das Angebot hier in der Region anschieben“, sagt der 52-Jährige. Durch Zufall sei er vergangene­s Jahr auf die Idee gekommen. Auf der Ehrenamtsm­esse im Edwin-Scharff-Haus habe er mit Verantwort­lichen der Lebenshilf­e Senden gesprochen, die das spezielle Rad bereits vor einigen Jahren – von Spendengel­dern – gekauft haben. Daraufhin habe Gester den Wunsch gehabt, die Rollstuhlf­ahrer auch einmal bei einer Fahrradtou­r mitzunehme­n. Für diese Woche habe der ADFC das Rad nun von der sozialen Einrichtun­g in Senden gemietet.

Laut Gester ist an jedem Tag der Woche ein anderes Wohnheim aus der Region an der Reihe, von dem einzelne Bewohner abgeholt werden. Dazu zählen die Donau-Iller Wohnstätte­n, die Arbeiterwo­hlfahrt, das Haus St. Michael sowie das Albertinum. Als Ziel wolle der ADFC erreichen, dass mehr dieser Geräte angeschaff­t werden. Angehörige würden so selbst die Möglichkei­t bekommen, mit Rollstuhlf­ahrern eine Radtour zu unternehme­n. „Dafür leisten wir jetzt die Öffentlich­keitsarbei­t“, sagt Gester.

Allerdings sind die Fahrzeuge teuer. Je nach Ausstattun­g sei der Preis der Räder unterschie­dlich. Den Anschaffun­gspreis für das bereits vorhandene Elektrofah­rrad aus Senden, dessen Akku bis zu 60 Kilometer weit reicht, schätzt Gester auf rund 7000 Euro. Sebastian Dirr, Einrichtun­gsleiter der Lebenshilf­e Donau-Iller Neu-Ulm sagt, dass es für die Pflegeheim­e kaum möglich ist, ohne Spenden und Wohltäter weitere davon anzuschaff­en. Gester: „Wir suchen mit der Aktion daher auch nach Sponsoren.“Rikscha-Piloten habe der 52-Jährige dagegen schon eine ganze Menge.

Das Interesse, an der Aktion teilnehmen zu können, sei bei den Mitglieder­n des ADFC sehr groß gewesen. „So verfügen wir jetzt auch über einen Fahrerpool für danach“, sagt Vorstandsm­itglied Gester. Eine Überlegung sei beispielsw­eise, Touren mit freiwillig­en Fahrern anzubieten, „eventuell auch für ein kleines Entgelt“. Für das Pilotproje­kt habe Gester zehn Piloten ausgewählt. „Eine Fahrerin wollte so gerne am Projekt teilnehmen, dass sie sich sogar extra Urlaub dafür genommen hat“, erzählt der begeistert­e Radfahrer. Die Freiwillig­en haben einen kurzen Einführung­skurs erhalten: Dabei lernten sie einerseits, wie die drei Gurte befestigt werden, die den Rollstuhl fixieren, und wie der Fahrgast angeschnal­lt wird. Anderersei­ts, wie der Rollstuhl auf die kippbare Ladefläche gezogen wird.

Nach einem kurzen Training geht es dann schon los: In Zweiergrup­pen absolviere­n die zehn Freiwillig­en die etwa 20 geplanten Fahrten. Die Routen führen beispielsw­eise an der Donau entlang, ins Wiley oder an den Ludwigsfel­der Baggersee. „Wir fahren einfach dem Zwitschern der Vögel hinterher“, sagt Gester. Er selbst ist begeistert von dem Fahrrad – und seine Gäste sind es auch. Roswitha hat dafür drei einfache Worte: „Es ist super!“

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Foto: Kölle Hans Peter Gester und Roswitha sind startklar für ihre Tour.

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