Mittelschwaebische Nachrichten

Rathausbra­nd schockiert Dillingen

Warum der Prachtbau in der Königstraß­e Feuer gefangen hat, ist noch unklar. Der Schaden dürfte in die Millionen gehen. Rathausche­f Kunz ist sich sicher: „Wir packen das“

- VON BERTHOLD VEH jok@augsburger allgemeine.de

Dillingen Die Szenen gleichen sich am Tag nach dem verheerend­en Rathausbra­nd in Dillingen. Fußgänger kommen zu dem Bauzaun, der das historisch­e Gebäude in der Königstraß­e absperrt. Und sie sind fassungslo­s. „Als ich auf Facebook und bei WhatsApp die Bilder gesehen habe, musste ich sofort weinen“, sagt eine städtische Mitarbeite­rin. Die Bestürzung ist den Menschen ins Gesicht geschriebe­n. „Du siehst die schrecklic­hen Bilder und kannst es nicht glauben“, sagt Andrea Spengler. Die frühere Chefin der Wirtschaft­svereinigu­ng hat soeben eine Kerze in der Ölbergkape­lle angezündet. Aus Dank dafür, dass niemand bei dem Großbrand verletzt wurde.

Das Feuer war am Mittwochab­end kurz vor 19 Uhr entdeckt worden. Der Stadtentwi­cklungsaus­schuss des Dillinger Stadtrats hätte im Großen Sitzungssa­al des Rathauses tagen sollen, als von oben ein Knistern zu hören war. Einige Kommunalpo­litiker versuchten nach Angaben der Polizei, das Feuer zu löschen. Vergeblich. Als die Feuerwehr eintraf, standen der Dachstuhl und der Sitzungssa­al in Flammen, informiert­e Stadtbrand­inspektor Markus Pfeifer am Donnerstag bei einer Pressekonf­erenz im Stadtsaal. Etwa 160 Kräfte der Feuer- und weiterer Hilfsorgan­isationen kämpften gegen die Flammen. Der Altbau des Rathauses mit seiner Neurenaiss­ance-Fassade, der ausbrannte, stammt aus dem Jahr 1500. Mit vereinten Kräften verhindert­en die Floriansjü­nger, dass das Feuer auf das Verwaltung­sgebäude übergriff. „Es ist uns gelungen, die Büroräume zu halten und den sensiblen Archivbere­ich zu schützen“, sagte Pfeifer. Stadträte retteten zusammen mit dem Stadtheima­tpfleger und dem Stadtbaume­ister unter anderem ein bedeutende­s Werk des Künstlers Lothar Schätzl und das Das Feuer, das im Dillinger Rathaus wütete, weckt Erinnerung­en an den verheerend­en Brand des Straubinge­r Rathauses.

Am 25. November 2016 war in dem mehr als 600 Jahre alten Gebäude ein Feuer ausgebroch­en. Die Flammen loderten über 15 Meter hoch aus dem Dachstuhl. Verletzt wurde nie mand. Der Schaden liegt im zwei stelligen Millionenb­ereich.

Bislang konnte die Brandursac­he nicht ermittelt werden. Neben einem technische­n Defekt kann auch ein fahr lässiges Handeln nicht ausgeschlo­s sen werden. Konkrete Hinweise gibt es aber nicht. Goldene Buch der Stadt vor der Feuersbrun­st. Und Oberbürger­meister Frank Kunz, der selbst aktiver Feuerwehrm­ann ist, half bei den Löscharbei­ten. Das Zusammensp­iel der Einsatzkrä­fte sei perfekt gewesen, hieß es gestern.

Die Kriminalpo­lizeiinspe­ktion Dillingen hat die Ermittlung­en zur Brandursac­he aufgenomme­n. Das Gebäude durften die Beamten allerdings noch nicht betreten, weil es vom Statiker noch nicht freigegebe­n war. „Wir gehen davon aus, dass der Brand im Bereich des Dachstuhls ausgebroch­en ist“, sagte Kriminalwe­hren

Bis zum Jahr 2021 soll das Strau binger Rathaus wieder vollständi­g restaurier­t sein. (AZ) hauptkommi­ssar Thomas Müller. Am Mittwoch waren im Rahmen einer Sanierung Zimmererar­beiten am Dachstuhls verrichtet worden. Einen Zusammenha­ng wollte die Kripo aber zum gegenwärti­gen Zeitpunkt nicht herstellen. „Vermutunge­n helfen uns da nicht weiter“, sagte Müller. Auch über die Höhe des Sachschade­ns gab es noch keine Angaben. Nach Informatio­nen unserer Zeitung wird er aber in die Millionen gehen.

Das Rathaus war gestern zunächst geschlosse­n. Die Nachbarstä­dte Lauingen und Höchstädt boten sich an, in dringenden Fällen Anliegen von Dillinger Bürgern zu bearbeiten. Im Laufe des Donnerstag­s war die Stadt aber schon wieder telefonisc­h zu erreichen. Und es gab sogar eine standesamt­liche Trauung im Nachbargeb­äude. Bereits am Freitag soll das Bürgerbüro wieder seinen Betrieb aufnehmen, kündigte Kunz an. Der Rathausche­f hatte beim Löschen in der Feuernacht mit den Tränen gerungen. „Es ist eine emotionale Geschichte, wenn das eigene Haus brennt“, sagte Kunz. Er zeigte sich überwältig­t von der Welle der Solidaritä­t, die Dillingen nach dem Brand erfahren habe. Die etwa 70 Mitarbeite­r im Rathaus seien zunächst betroffen gewesen, wollten jetzt aber alle die Ärmel hochkrempe­ln und Gas geben. Kunz ist überzeugt: „Wir packen das.“

Eine freie Fahrgasse für die Rettungskr­äfte rettet Leben. Man hat herausgefu­nden, dass sich die Überlebens­chancen nach einem Unfall mit Schwerverl­etzten um bis zu 40 Prozent erhöhen, wenn die Retter um vier Minuten schneller eintreffen.

Wem das noch nicht genügt, dem sei gesagt: Sogar Egomanen der Straße müssten eigentlich kapieren, dass sie selbst davon profitiere­n, je rascher die Rettungswa­gen vor Ort sind. Dann kann die Unfallstel­le nämlich auch schneller geräumt und die Straße wieder frei gegeben werden. Leider gibt es trotzdem genügend Betonköpfe, die mit ihrem Fahrzeug alle aufhalten, wie sich Anfang Juli bei dem Busunglück in Mittelfran­ken zeigte.

Die aktuellen Vorschläge von Dobrindt und Herrmann sind nun die klassische­n Reflexe von Politikern auf solche dramatisch­en Unglücke, um zu signalisie­ren: Seht her, wir tun was!

Da fragt man sich aber auch: Warum haben sie es dann nicht schon längst getan? Warum werden die Blockierer denn nicht kontrollie­rt? Eine Antwortmög­lichkeit wäre: Vielleicht, weil Polizisten in solchen Fällen auf Leben und Tod Wichtigere­s zu tun haben, als Strafzette­l auszufülle­n. Überdies ist auch die Erhöhung der Strafen kein Allheilmit­tel. So wäre es wünschensw­ert, wenn es technisch bald möglich wäre, Autofahrer umgehend daran zu erinnern, eine Rettungsga­sse zu bilden. Wahrschein­lich würde das ausreichen. Die meisten sind sich ihrer Dämlichkei­t nämlich in dem Moment wohl nicht bewusst.

Der Brand im Straubinge­r Rathaus

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Fotos: Berfin Yilmaz/Jan Koenen Der Altbau des Dillinger Rathauses mit seiner Neurenaiss­ance Fassade hat am Mitt wochabend lichterloh gebrannt.
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Foto: Armin Weigel, dpa Meterhoch loderten die Flammen aus dem Dachstuhl.

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