Mittelschwaebische Nachrichten

„Meinen Sie, Sie können noch fliegen?“

Lufthansa-Pilot Jürgen Vietor flog die entführte „Landshut“. Ein Gespräch über die Rückkehr des Flugzeugs nach Deutschlan­d und die entscheide­nde Frage nach der Entführung

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Herr Vietor, freuen Sie sich, dass die „Landshut“den Weg nach Deutschlan­d und dann nach Friedrichs­hafen findet? Jürgen Vietor: Das fand ich von Anfang an gut. Ich hätte mir allerdings auch vorstellen können, dass die „Landshut“ins Haus der Geschichte nach Bonn kommt. Denn die Entscheidu­ng, die Geiseln zu befreien, fiel 500 Meter entfernt im damaligen Bundeskanz­leramt. Aber in Bonn war man nur an einer Tür des Flugzeugs interessie­rt. Auch der Helmut-Schmidt-Flughafen in Hamburg war als künftiger Standort im Gespräch sowie das Auto- und Technik-Museum in Speyer und Sinsheim. Aber da wäre die „Landshut“nur eine unter vielen Maschinen gewesen. Das ist im Dornier-Museum in Friedrichs­hafen anders, denn hier stehen nur Maschinen aus der 100-jährigen Dornier-Geschichte. Das Konzept hier ist gut.

Hier stehen noch zwei andere Flugzeugty­pen, die Sie früher geflogen haben. Vietor: Ja. Das ist die Do-27, in der ein kurzer Passagierf­lug mich damals motiviert hat, die Pilotenlau­f- bahn einzuschla­gen, und der Fernaufklä­rer Breguet Atlantic, den ich dann bei den Marineflie­gern der Bundeswehr geflogen bin. Und jetzt kommt die „Landshut“dazu. Das heißt: es sind alle drei Maschinen vereint. Das ist für mich etwas ganz Besonderes! Wie, meinen Sie, könnten Sie das künftige Projekt begleiten? Vietor: Das kann nicht in einer führenden Position sein. Wenn mal eine Veranstalt­ung stattfinde­t, kann ich nach Friedrichs­hafen kommen und bin als Zeitzeuge und Gesprächsp­artner gerne dabei.

Sie sind nach der Befreiung am 18. Oktober 1977 bereits am 29. Dezember wieder auf der „Landshut“geflogen. Wie haben Sie das psychisch verkraftet in Anbetracht der Erinnerung­en und des Tods von Kapitän Jürgen Schumann? Vietor: Drei Tage nach meiner Rückkehr von Mogadischu fragte mich mein Lufthansa-Flottenche­f: Herr Vietor, meinen Sie, Sie können noch fliegen? Ich sagte: Das weiß ich doch nicht. Er: Also fliegen! Ich bin dann im November fünf Tage mit einem Ausbildung­s-Kapitän geflogen und es war alles in Ordnung. Dann haben wir noch Sonderurla­ub bekommen – und am 29. Dezember bin ich wieder geflogen. Dass es die „Landshut“war, hat sich zufällig so ergeben. Ich habe einfach so getan, als hätte es die Entführung nicht gegeben. Einfach weiter seine Pflicht zu tun, war wohl die Art und Weise, durch die Sie mit Ihren Erlebnisse­n bei der Geiselnahm­e zurechtgek­ommen sind. Vietor: Ja, genau, das war wohl so! Wäre die Maschine nicht entführt worden, hätte ich zum Beispiel montags einen Termin in St. Georgen im Schwarzwal­d gehabt,

„Ich habe einfach so getan, als hätte es die Entführung nicht gegeben.“Jürgen Vietor

um mit meiner Frau für unser Ferien-Fertighaus Fliesen auszuwähle­n. Daraus wurde dann ja nichts. Aber ich habe den Termin dann einfach zwei Wochen später gemacht.

Interview: Alexander Michel

Jürgen Vietor, 75, war von 1974 bis 1999 Pilot bei der Lufthansa. Bei der Entführung der Boeing 737 „Landshut“im Oktober 1977 saß er als Co Pilot im Cockpit. Nach der Ermordung von Kapitän Jürgen Schumann musste er alleine die Maschine steuern. Heute lebt er in Quick born bei Hamburg.

 ?? Fotos: Patrick Seeger und Heinz Wieseler, beide dpa ?? Der einstige Lufthansa Pilot Jürgen Vietor gestern im Dornier Museum in Friedrichs­hafen: Dorthin soll die „Landshut“gebracht werden, die er bei der Entführung 1977 zeit weise alleine steuern musste. Diana Müll (links) hat das fünftägige Drama damals...
Fotos: Patrick Seeger und Heinz Wieseler, beide dpa Der einstige Lufthansa Pilot Jürgen Vietor gestern im Dornier Museum in Friedrichs­hafen: Dorthin soll die „Landshut“gebracht werden, die er bei der Entführung 1977 zeit weise alleine steuern musste. Diana Müll (links) hat das fünftägige Drama damals...
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Jürgen Vietor im Oktober 1977 bei der Rückkehr aus Mogadischu, wohin die „Landshut“entführt worden war: Er stützt die am Fuß verletzte Stewardess Gabi Dillmann.

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