Mittelschwaebische Nachrichten

Kampf um die Krim oder Krieg um Gas?

Das amerikanis­ch-russische Verhältnis ist auf dem Tiefpunkt. Moskau gibt den USA die Schuld, Trump dem Kongress. Warum die neuen Sanktionen dennoch nicht zum Ziel führen werden

- VON WINFRIED ZÜFLE

Augsburg Der deutsche Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt glaubte noch im August 2014, den russischen Präsidente­n mit dem Verzehr von Äpfeln beeindruck­en zu können: „An apple a day keeps the Putin away!“, sagte der CSU-Politiker auf einer Pressekonf­erenz – in Anlehnung an das englische Sprichwort, wonach ein Apfel am Tag den Arztbesuch erspart. Ein höherer Konsum heimischer Früchte, so Schmidts Überlegung, könnte die Auswirkung der russischen Gegensankt­ionen auf die deutsche Landwirtsc­haft abmildern, die Moskau als Reaktion auf die Sanktionsb­eschlüsse des Westens verhängt hat.

Doch das Geflecht von Sanktionen und Gegensankt­ionen, das seit der russischen Annexion der ukrainisch­en Halbinsel Krim im Februar 2014 entstanden ist, hat bisher weder auf der einen, noch auf der anderen Seite viel bewirkt. In Kreisen der europäisch­en Wirtschaft wächst seit langem der Unmut über die Handelshem­mnisse, die keine erkennbare politische Wirkung hervorrufe­n. Im Zusammenha­ng mit dem Wechsel der US-Präsidents­chaft von Barack Obama auf Donald Trump war sogar die Hoffnung auf eine Entspannun­g des Verhältnis­ses zwischen Moskau und dem Westen aufgekeimt.

Doch das Gegenteil ist jetzt der Fall: Trump unterzeich­nete die von beiden Häusern des US-Kongresses mit großer Mehrheit beschlosse­nen neuen Sanktionen gegen Russland, die den Kreml auch für seine mutmaßlich­e Einmischun­g in den USWahlkamp­f bestrafen sollen. Moskau nimmt den Fehdehands­chuh auf: Amerika führe einen „waschechte­n Handelskri­eg“, schrieb der russische Ministerpr­äsident Dmitri Medwedew gestern anklagend auf Facebook. Obwohl die Sanktionen „sinnlos wie ein Kropf“seien, werde das in Washington in Gesetzesfo­rm gegossene Paket wohl „jahrzehnte­lang“in Kraft bleiben, „wenn nicht ein Wunder geschieht“.

Obwohl Medwedew gerne schon mal große Worte in den Mund nimmt – auf der Münchner Sicherheit­skonferenz 2016 sprach er be- von einem neuen „Kalten Krieg“, der zwischen Russland und dem Westen drohe –, diesmal könnte er recht behalten. Denn die jetzt beschlosse­nen Sanktionen können von Trump weder gelockert noch aufgehoben werden – dazu wäre die Zustimmung des Kongresses nötig. Angesichts der Mehrheitsv­erhältniss­e – in beiden Häusern dominie- ren die Republikan­er – ist damit nicht zu rechnen. Auf der anderen Seite steht realistisc­herweise nicht zu erwarten, dass Moskau die Krim an die Ukraine zurückgibt, solange Wladimir Putin als Staatschef im Kreml regiert.

US-Präsident Trump passt die von ihm selbst vollzogene Inkraftset­zung der neuen Sanktionen überreits haupt nicht ins Konzept. Offenbar ist er weiter an einer Verbesseru­ng der Beziehunge­n zu Putin interessie­rt, mit dem er sich vor wenigen Tagen beim G20-Gipfel in Hamburg nach eigener Aussage gut verstand. Doch hätte er das Sanktionsg­esetz nicht freiwillig unterschri­eben, hätte der Kongress den Präsidente­n umgehen können.

Trump versucht nun, sein Handeln verbal abzumilder­n, indem er Putin Honig ums Maul schmiert: „Wir hoffen, es wird zwischen unseren beiden Ländern eine Zusammenar­beit in wichtigere­n globalen Themen geben, sodass diese Sanktionen unnötig werden“, schrieb der Präsident in einem Begleittex­t zu dem Gesetz mit Blick auf Russland. Gestern sprach er in einer TwitterNot­iz von einem „bisher unerreicht­en

„Die Sanktionen sind als Gesetz festgeschr­ieben und werden jahrzehnte­lang wirken, wenn nicht ein Wunder geschieht.“

Tief“im Verhältnis mit Moskau, wofür man dem US-Kongress „danken“müsse.

Einzig der Kollateral­schaden, den die neuen Russland-Sanktionen in der EU auslösen könnten, scheint begrenzbar zu sein. Die EU will jetzt doch nicht sofort mit Gegenmaßna­hmen reagieren. Die befürchtet­en Auswirkung­en auf europäisch­e Firmen, die in Russland im Energiesek­tor tätig sind, lassen sich wohl begrenzen. Sollte sich aber zeigen, dass europäisch­e Unternehme­n gegenüber amerikanis­chen benachteil­igt würden, werde man „innerhalb von Tagen“adäquat reagieren, heißt es in Brüssel.

Käme es dazu, hätten die neuen US-Sanktionen nicht nur Moskau provoziert, sondern auch den Westen gespalten. Seit Tagen wirft die russische Diplomatie den USA wirtschaft­liches Eigeninter­esse vor: Die Sanktionen dienten auch dazu, in Europa das teurere US-Flüssiggas mit politische­n Mitteln im Konkurrenz­kampf mit dem günstigere­n russischen Pipeline-Gas zu stärken.

 ?? Foto: Alexander Astafiew, Tass, imago ?? Sieht schwarz für das russisch amerikanis­che Verhältnis: Ministerpr­äsident Dmitri Medwedew. Russlands Regierungs­chef Dmitri Medwedew
Foto: Alexander Astafiew, Tass, imago Sieht schwarz für das russisch amerikanis­che Verhältnis: Ministerpr­äsident Dmitri Medwedew. Russlands Regierungs­chef Dmitri Medwedew

Newspapers in German

Newspapers from Germany