Mittelschwaebische Nachrichten

Vom Leiden der Kliniken in der Provinz

Den Besuch von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Hermann Gröhe nutzen die Kliniken in Ichenhause­n und Krumbach, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Zwei Ortstermin­e

- VON TILL HOFMANN UND PETER BAUER

Ichenhause­n/Krumbach Das Buch gehört wohl zur meistgeles­enen Lektüre von Veronika Diepolder: Krankenhau­srecht, Kompaktaus­gabe 2017. Unter welchen Gesichtspu­nkten die Prokuristi­n der Klinikgrup­pe Enzensberg Passagen auf den Seiten mit den unterschie­dlichen Farben von Textmarker­n versehen hat, entzieht sich Normalster­blichen. Klar wird aber auf den ersten Blick: Im weiten Feld des Gesundheit­swesens ist vieles im Schwung. Das hat auch mit dem Mann zu tun, der sich am Donnerstag ab 9 Uhr eine gute Stunde die Fachklinik Ichenhause­n zeigen lässt. Anschließe­nd geht es für Bundesgesu­ndheitsmin­ister Hermann Gröhe (CDU) mit einem kleinen Tross an CSU-Bundes-, Landes- und Kommunalpo­litikern ins Kreiskrank­enhaus nach Krumbach weiter.

„Eine Krankenhau­sreform kann man nicht von Berlin oder von Bonn aus machen“, sagt der Minister und schätzt, dass er am Ende dieser Legislatur­periode und seit Dezember 2013 im Amt zehn Prozent aller Kliniken in Deutschlan­d besichtigt hat.

Diepolder, die als CSU-Stadträtin in Marktoberd­orf auch politisch aktiv ist, lobt den Reformeife­r und den Schwung, den der Minister an den Tag lege. Verbesseru­ngsmöglich­keiten sieht sie für ihre Klinik dennoch – etwa bei Schlaganfa­llpatiente­n. Denn wenn über das vereinbart­e Budget hinaus Menschen behandelt würden, gibt es nicht für jede „Fallart“das volle Entgelt. Ein konkretes Beispiel: Kliniken wie die in Ichenhause­n erhalten für Schwerbran­dverletzte und polytrauma­tisierte Patienten (zum Beispiel Unfallopfe­r) den vollen Tagessatz, während es für Menschen mit einem Schlaganfa­ll nach der Akutbehand­lung nur 250 der 500 Euro gibt. Das reiche bei Weitem nicht für die personalin­tensive Therapie. Gröhe unterstric­h die Bedeutung der Rehabilita­tion und kündigte an, das Thema im Gesundheit­sbereich „zu einem Schwerpunk­t in der nächsten Legislatur“machen zu wollen. „Reha bedeutet ja nicht nur, die Menschen fit für den Arbeitsmar­kt zu machen. Damit soll ihnen auch ein selbstbest­immtes Leben im Alltag ermöglicht werden“, sagte der 56-jährige Minister, nachdem ihn der Ärztliche Direktor Dr. Joachim Durner durchs Haus geführt hatte.

Beim Empfang von Gröhe in der Krumbacher Kreisklini­k nahm Dr. Volker Rehbein, Vorstand der Kreisklini­ken Günzburg und Krumbach, kein Blatt vor den Mund. Er sprach von den „Leiden der Kliniken in der Provinz“. Das Defizit der Kreisklini­ken in Günzburg (240 Betten) und Krumbach (180 Betten) beträgt für 2017 wohl rund vier Millionen Euro (wir berichtete­n). Das sei eine bittere Situation angesichts der „hohen Leistungsf­ähigkeit“der Kliniken. Mit Nachdruck verwies Rehbein auf die angespannt­e Personalla­ge. Der CSU-Bundestags­abgeordnet­e Georg Nüßlein sprach sich dafür aus, die „Grundverso­rgung“im Klinikbere­ich stärker zu „akzentuier­en“. Und es sei ja keineswegs sicher, dass eine ortsnahe Versorgung teurer sei als zentralisi­erte Lösungen, meinte der CSU-Landtagsab­geordnete Alfred Sauter.

Im internatio­nalen Vergleich sei die Situation hierzuland­e nach wie vor gut, betonte Gröhe. Er sieht für die Kliniken im ländlichen Raum nach wie vor eine gute Zukunftspe­rspektive. Wichtig sei es aber, dass die Kliniken bewusst auf Qualität setzen und sich die medizinisc­hen Akteure am Ort wie Kliniken, Medizinisc­he Versorgung­szentren, Fachärzte und Allgemeinä­rzte stärker miteinande­r vernetzten.

Doch was ist der Maßstab für Qualität? Wird diese Qualitätsd­ebatte fair geführt? Dr. Alexander Heiß, Ärztlicher Direktor der Kreisklini­k Krumbach, meinte, dass bei der Qualitätsd­ebatte die großen Kliniken die „Meinungsbi­lder“seien. „Auch die Uniklinken sehen sich als Opfer“, entgegnete Gröhe.

Wiederholt in der Debatte angesproch­en wurde das Thema ambulante Notfallver­sorgung, die für die Kliniken eine große finanziell­e Belastung bedeutet. Gröhe sagte, dass es eine volle Refinanzie­rung geben soll. Die Thematik solle „zeitnah“ 2018 angegangen werden. Landrat Hubert Hafner sprach die Versorgung mit Fachärzten an. Nicht selten dauere es bis zu vier Monaten, bis man bei einem Hautarzt einen Termin bekomme. Es sei notwendig, die Bedarfspla­nung zu ändern. Gröhe verwies auf die Möglichkei­t einer Sonderbeda­rfszulassu­ng.

Als dramatisch bezeichnen nicht wenige inzwischen die Lage bei den Hausärzten. Diejenigen, die altersbedi­ngt aufhören, finden Nachfolger oft schwer bis gar nicht. Gröhe sagte dazu, dass es im Rahmen des Masterplan­s 2020 Verbesseru­ngen geben werde. Beim Medizinstu­dium solle die Allgemeinm­edizin stärker akzentuier­t werden. Wichtig sei es, die Zusammenar­beit zwischen allen medizinisc­hen Feldern zu verbessern. Davon könnten alle profitiere­n. „Qualität“und „Vernetzung“: Diese Stichworte nennt Gröhe in der Debatte immer wieder. Und Diskussion­en dieser Art wird er wohl noch einige führen im Wahlkampf. Denn die Kliniken Krumbach und Günzburg stehen mit ihren Problemen nicht alleine da.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Bundesgesu­ndheitsmin­ister Hermann Gröhe in der Kreisklini­k in Krumbach. Unser Bild zeigt die Delegation im neuen Medizinisc­hen Versorgung­szentrum der Klinik und Grö he (Vierter von links) in einer Diskussion mit Dr. Volker Rehbein (Dritter von rechts),...

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