Mittelschwaebische Nachrichten

Aiwanger Besuch als gutes Omen?

Paul Heinle hofft bei Auftritt von Freie-Wähler-Chef in Freihalden auf französisc­he Verhältnis­se

- VON JÜRGEN BIGELMAYR

Freihalden Hubert Aiwanger hatte gerade eine Viertelstu­nde gesprochen und kam so richtig in Fahrt. Er hatte den etablierte­n Parteien im Bund und Land bereits gehörig die Leviten gelesen. Jetzt nannte er es einen Skandal, dass Hebammen so schlecht bezahlt und immer mehr Geburtssta­tionen auf dem Land geschlosse­n werden. Just da setzte das 20-Uhr-Glockengel­äut vom nahen Kirchturm ein. „Hoffentlic­h ist das keine Gegenreakt­ion der CSU“, scherzte der bundes- und bayerische Landesvors­itzende der Freien Wähler. „Nein“, widersprac­h Aiwanger sich sogleich selber, „das ist Beifall vom lieben Gott.“Viele der etwa 150 Besucher der Wahlkampfv­eranstaltu­ng in Freihalden lachten und applaudier­ten.

Das war die Grundstimm­ung beim Auftritt des 46-jährigen Landtagsab­geordneten bei „Pizza und Politik“im Hof der Dorfbäcker­ei Vogg. Aiwanger traf den Nerv seines Publikums. Er präsentier­te die Freien Wähler als Anwalt der kleinen Leute, des Mittelstan­des, des deutschen Handwerks mit MeisterQua­lität und der bäuerliche­n Landwirtsc­haft sowie als entschiede­ner Gegner einer Politik für die Finanzhaie, Großkonzer­ne und Lobbyisten. Der gelernte Landwirt und Agrar-Ingenieur aus Rahstorf im Landkreis Landshut empfahl die „regionale Energiewen­de anstatt des energiepol­itischen Größenwahn­s“. Der ländliche Raum müsse wieder attraktiv gemacht werden. „Ich will kein Bayern, das immer mehr nur noch ein Groß-München ist“, wetterte Aiwanger. Auf dem Land seien noch die tugendhaft­en Werte und guten Sitten zu Hause. Darauf müsse sich ganz Deutschlan­d zurückbesi­nnen. Er forderte das verpflicht­ende Soziale Jahr für alle jungen Menschen, für Männer und Frauen. Auch Migranten, vor allem muslimisch­er Prägung, sollten sich „vor Ort in die Gesellscha­ft einbringen“, statt ihnen „aus falsch verstanden­er politische­r Korrekthei­t eine Parallelku­ltur zu erlauben“. Wer im Dorf bei der Freiwillig­en Feuerwehr, in den Vereinen oder in der Landjugend moralisch verankert sei, der verfalle nicht dem mörderisch­en Terror oder dem gewalttäti­gen Extremismu­s. „Ich will, dass die Polizei noch Herr der Lage ist und nicht der Prügelknab­e der Nation“, spielte Aiwanger auf die Krawalle beim G20-Gipfel in Hamburg an.

Gut eine Stunde lang jonglierte er mit den Themen der Freien Wähler. Die Zuhörer erlebten einen schnörkell­osen Schnellred­ner, der es mit Dieter Thomas Heck zu dessen besten Zeiten, aufnehmen könnte. „Äh“-frei und ungekünste­lt spielte Aiwanger auf der Klaviatur der Zuspitzung­en sowie einprägsam­en Beispielen und Vergleiche­n. Manche Polemik blieb nicht aus.

Der Euro und Europa gerieten wegen der Rettungssc­hirme, vor allem für Griechenla­nd, „immer mehr in die Schieflage“, gab sich Aiwanger als niederbaye­rische Kassandra. Darum und wegen ihrer anfänglich­en Flüchtling­spolitik sei Bundeskanz­lerin Angela Merkel „die politische Mutter der AfD“. Die Menschen in Deutschlan­d seien „nicht politikver­drossen, sondern politikerv­erdrossen“. Als Abhilfe riet Hubert Aiwanger zu einer „bewährten bürgerlich-wertkonser­vativen Kraft“, selbstrede­nd den Freien Wählern.

Der vielbeklat­schte Lokalmatad­or Paul Heinle gab in seiner Euphorie über die „flammende Rede“des Bundesvors­itzenden jegliche Zurückhalt­ung auf. Das Mitglied des Marktgemei­nderats von Jettingen-Scheppach, der Aiwanger als Unterstütz­ung für seine Listenkand­idatur bei der Bundestags­wahl nach Freihalden geholt hatte, prognostiz­ierte sogar: „Vor der Europawahl war Ulrike Müller bei uns. Danach ist sie ins Europaparl­ament gekommen. Heute bist du, lieber Hubert, da. Ich sage, wir kommen nicht nur über die Fünf-Prozent-Hürde, sondern kriegen acht oder vielleicht sogar 20 Prozent – wie in Frankreich“.

 ?? Foto: Jürgen Bigelmayr ?? Paul Heinle (links) gelang es, Hubert Aiwanger zu seiner Unterstütz­ung im Bundes tagswahlka­mpf in den 800 Seelen Ort Freihalden zu holen.
Foto: Jürgen Bigelmayr Paul Heinle (links) gelang es, Hubert Aiwanger zu seiner Unterstütz­ung im Bundes tagswahlka­mpf in den 800 Seelen Ort Freihalden zu holen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany