Mittelschwaebische Nachrichten

Zur Hochzeit zwei Lamas

Tiere Über ein ganz besonderes Geschenk und warum dieses ein Glücksfall für das Ursberger Förderzent­rum ist

- VON MARKUS LANDHERR Fotos: Markus Landherr

Ursberg „Oh, sind die süß!“, war Steffi Konrads erste Reaktion, als sie auf ihrer Hochzeit plötzlich zwei Lamas gegenübers­tand. Diese waren jedoch nicht Teil einer Showeinlag­e, sondern das Hochzeitsg­eschenk ihres Trauzeugen Markus Rothermel und ihrer Freunde. „Dann habe ich gedacht, was machen wir denn mit denen?“, erinnert sie sich.

Die erste leichte Überforder­ung verflog jedoch sehr schnell, leben Steffi Konrad und ihr Mann Wolfgang doch in direkter Nachbarsch­aft von dessen elterliche­m Bauernhof. „Unsere Familie hat seit 350 Jahren Erfahrung mit Tieren. Zwei Lamas fallen da nicht so ins Gewicht, Weidefläch­en haben wir genug“, schmunzelt Wolfgang Konrad. Wenngleich sich die Haltung von Kühen, die die Konrads auf ihrem Bio-Hof in Oberegg beherrsche­n, durchaus von der Lamahaltun­g unterschei­det.

Aus diesem Grund besuchten Wolfgang und Steffi dann auch gleich ein eintägiges „Lama-Seminar“in München und lernten dabei allerhand über ihre neuen Mitbewohne­r Lima und Emil. Zum Beispiel, dass Lamas kein zu energierei­ches Futter bevorzugen und die weiblichen Tiere in der Rangordnun­g höher stehen als ihre männlichen Kollegen.

Zehn Jahre ist das jetzt her. Zur Familie haben sich mittlerwei­le der sechsjähri­ge Jakob und die fünfjährig­e Sophie gesellt. Auch die freuen sich über die beiden Lamas. „Jakob hat Lima und Emil schon als Einjährige­r aus dem Kinderwage­n ge- führt“, erinnert sich Steffi Konrad. Sophie und ihr Bruder gehen gerne mal eine Runde mit den beiden spazieren – an der Leine natürlich. „Lamas sind sehr gutmütige und sensible Tiere und auch für Kinder gut geeignet“, sagt Wolfgang Konrad.

Deswegen habe man sich damals auch für Lamas als ja doch eher ungewöhnli­ches Hochzeitsg­eschenk entschiede­n, erinnert sich Trauzeu- ge Markus Rothermel: „Die Tiere sollten zu Wolfgangs Beruf passen.“Als Sonderpäda­goge begleitet dieser Kinder und Jugendlich­e mit Behinderun­g am Ursberger Förderzent­rum des Dominikus-RingeisenW­erks. Dort ist er in einer Stützund Fördergrup­pe tätig. Das heißt, seine Kollegen und er nehmen einzelne Schüler stundenwei­se aus dem regulären Unterricht heraus und bieten eine zusätzlich­e Förderung an. „Die Zielsetzun­g ist beispielsw­eise, soziale Kompetenze­n zu stärken oder Aggression­en abzubauen“, sagt Konrad. Dafür seien die Lamas perfekte Partner.

Schulleite­r Konrad Bestle musste damals nicht lange nachdenken, als Wolfgang Konrad ihm von seiner Idee erzählte, die Lamas mit in die Schule zu bringen. Und so ist jeden Donnerstag „Lama-Tag“am Ursberger Förderzent­rum. „Die Schülerinn­en und Schüler lernen im Umgang mit den Tieren, was es heißt, Verantwort­ung zu übernehmen. Sie lernen beispielsw­eise das Halftern, Striegeln oder Füttern von Lima und Emil und führen es dann zuverlässi­g alleine durch.“

Da Lamas ehrlich und unvoreinge­nommen gegenüber Menschen reagieren, können Schüler im Umgang mit ihnen ihre sozialen Kompetenze­n ausbauen. Bei Kommunikat­ionsschwie­rigkeiten könne das Tier auch eine Art Vermittler­rolle einnehmen, so Wolfgang Konrad.

Für die Schülerinn­en und Schüler ist es natürlich ein ganz besonderer Termin, wenn Wolfgang Konrad jeden Donnerstag mit seinem Transporta­nhänger zur Schule kommt. Antonio und Bene übernehmen gerne die erste Schicht und helfen beim Ausladen und Striegeln der Tiere. Dann steht auch ein kleiner Spaziergan­g mit Lima und Emil an. Manchmal begegnen sie dabei auch staunenden Spaziergän­gern, die dann etwas über die aus Südamerika stammenden sogenannte­n „Neuweltkam­ele“wissen wollen – und die Schüler können sie ein wenig aufklären.

Dass die beiden Lamas dabei „spucken“– davor müssen sich die Schülerinn­en und Schüler übrigens nicht fürchten, denn Lamas tun dies im Regelfall nur untereinan­der. Für die Schüler ist ein solcher Spaziergan­g natürlich das Highlight des Tages und „viel besser als normaler Unterricht“.

Auch für Familie Konrad sind Lima und Emil etwas ganz Besonderes und nicht mehr wegzudenke­n. Und für Sohn Jakob ist klar: „Ich möchte später mal Landwirt werden und den Hof übernehmen.“Für die Zeit bis dahin hat er schon weitere Pläne. Neben den Lamas fände er auch Ziegen spannend, sagt er schmunzeln­d. Auf der Weide wäre jedenfalls noch Platz, wer weiß, vielleicht gibt es dann irgendwann auch einen Ziegentag am Ursberger Förderzent­rum.

 ??  ?? Donnerstag ist „Lama Tag“am Ursberger Förderzent­rum, Förderschw­erpunkt geistige Entwicklun­g: Die Schüler Antonio und Bene freuen sich über den etwas anderen Unterricht mit Lima und Emil.
Donnerstag ist „Lama Tag“am Ursberger Förderzent­rum, Förderschw­erpunkt geistige Entwicklun­g: Die Schüler Antonio und Bene freuen sich über den etwas anderen Unterricht mit Lima und Emil.
 ??  ?? Die beiden Lamas gehören mittlerwei­le zum Oberegger Ortsbild. Von links: Jakob, Wolfgang, Sophie und Steffi Konrad mit Lima und Emil.
Die beiden Lamas gehören mittlerwei­le zum Oberegger Ortsbild. Von links: Jakob, Wolfgang, Sophie und Steffi Konrad mit Lima und Emil.

Newspapers in German

Newspapers from Germany