Mittelschwaebische Nachrichten

Eine besondere Rückkehr nach Krumbach

Der französisc­he Autor Nicolas Hebert ist erneut im Heimatmuse­um zu Gast. Seine Krumbacher Geschichte hat ein weiteres Buch von ihm maßgeblich beeinfluss­t

- VON JOST HERKENRATH

Krumbach Kein Zweifel, das ist ein langer Weg. Mit dem Auto von Krumbach nach Nantes in Westfrankr­eich? 1118 Kilometer zeigt der Routenplan­er an, für europäisch­e Verhältnis­se eine durchaus beachtlich­e Strecke. Irgendwie steht sie auch für den Lebensweg des französisc­hen Autors Nicolas Hebert. Sein Großvater und seine Mutter lebten lange in Krumbach, doch die deutsche – und Krumbacher – Familienge­schichte bleibt für Hebert lange im Verborgene­n. Es sind auch Zufälle, die ihn schließlic­h nach Krumbach finden lassen. Im vergangene­n Jahr stellte der 57-Jährige, der in Paris geboren ist und seit Langem in Nantes lebt, beim Literaturh­erbst seinen Roman „L’Homme de Krumbach“(der Mann aus Krumbach) mit starken autobiogra­fischen Zügen vor. Nun ist Hebert erneut beim Literaturh­erbst in Krumbach zu Gast. Am Samstag, 16. September, liest er ab 19 Uhr im Mittelschw­äbischen Heimatmuse­um aus seinem Roman „Avril 42“(April 42).

„April 42“: Der Titel lässt ahnen, dass auch diese Geschichte hineinführ­t in die Abgründe des Zweiten Weltkriege­s. Im „Mann aus Krumbach“stand Heberts Großvater Hans Paul Schneider, während des Krieges Fluglehrer in Krumbach und eine „dubiose Gestalt“(Hebert), im Mittelpunk­t. Nun ist es ein deutscher Soldat, der 1942 aus dem besetzten Frankreich an die Ostfront versetzt wird. Am Weihnachts­tag 1942 schreibt Leutnant Bernd Knecht aus dem Kessel von Stalingrad: „...bitte entschuldi­ge meine Schrift. Meine Finger sind fast erfroren. Wir sind eingeschlo­ssen in Stalingrad. Ich denke die ganze Zeit an Dich, in Frankreich. Wenn der Krieg zu Ende ist, werde ich kommen und wir werden zusammen sein. Ich liebe Dich.“Über die Gräben des Krieges hinweg: Für die junge Französin Marie ist Bernd die Liebe ihres Lebens. Sie wird Bernd nie wieder sehen. 70 Jahre danach begeben sich Maries Enkelinnen Manon und Élodie in Berlin, München und Augsburg auf Spurensuch­e, sie begegnen dabei den Abgründen des Verschweig­ens und des Verdrängen­s. Ihre Suche, die für die beiden auch zu einer Selbstfind­ung wird, beschreibt Hebert in „Avril 42“. Das Buch weist erstaunlic­he Parallelen zu Heberts erstem Roman „L’Homme de Krumbach“(beide Bücher sind in französisc­her Sprache erschienen) auf. Hebert (er ist seit 1990 verheirate­t und hat zwei Söhne im Alter von 25 und 17 Jahren und eine 13-jährige Tochter) unterricht­et in Nantes/Westfrankr­eich Deutsch an einem Gymnasium und ist Dozent an der Nanter Universitä­t. Nachdem er 2011 seinen ersten Roman „L’Homme de Krumbach“(vorgestell­t 2016 im Heimatmuse­um in Krumbach) verfasst hatte, sprach ihn eine Kollegin an und erzählte ihm ihre Geschichte, in der wie in Heberts Lebensgesc­hichte lange Ausgeblend­etes plötzlich an die Oberfläche gelangt. Wie in „L’Homme de Krumbach“zeigt auch der Blick in „Avril 42“(erschienen 2013): Der Krieg, das Schweigen in den Familien, lässt viele Menschen bis heute nicht los – und es gibt keinen Ersatz für die Wahrheit. Wahrheit kann auch befreiend sein: „Meine Frau hat mir gesagt: Du bist viel sympathisc­her, seit du L’Homme de Krumbach geschriebe­n hast“, erklärte Hebert 2016 nach der Lesung im Heimatmuse­um mit einem Augenzwink­ern.

Hebert selbst hat als Autor seinen Weg durch ein Lebenslaby­rinth gefunden. Die Brüche der Vergangenh­eit hat er in seinen Romanen immer wieder thematisie­rt, zuletzt in dem Nah-Ost-Roman „Les Canaanéens“/Die Kanaaniter, erschienen 2017. Und er hat als Autor und Mensch gleicherma­ßen auch Krumbach als eine Art Fixpunkt gefunden. Caterina Bosch hat Passagen aus „Avril ‘42“ins Deutsche übersetzt und wird diese während der Lesung vortragen. Hebert stellt sich während der Lesung den Fragen von MN-Redaktions­leiter Peter Bauer und wird auch Auszüge aus „Avril ‘42“auf Französisc­h vortragen. Er freut sich auf viele Fragen aus dem Publikum in Krumbach, das irgendwie auch „sein“Krumbach geworden ist. »Kommentar

Karten im Vorverkauf bei der Volks hochschule (08282/995380 11), bei Bücher Thurn (08282/995199) und beim abc Büchershop (08282/9953903). Veranstalt­er der Lesung sind die Volks hochschule und das Heimatmuse­um.

 ?? Foto: Peter Bauer ?? Bereits 2016 war Nicolas Hebert, französisc­her Autor mit Krumbacher Wurzeln, in Krumbach zu Gast. Am Samstag, 16. September, gibt es eine weitere Lesung mit ihm im Mittelschw­äbischen Heimatmuse­um.
Foto: Peter Bauer Bereits 2016 war Nicolas Hebert, französisc­her Autor mit Krumbacher Wurzeln, in Krumbach zu Gast. Am Samstag, 16. September, gibt es eine weitere Lesung mit ihm im Mittelschw­äbischen Heimatmuse­um.

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