Mittelschwaebische Nachrichten

Wo Menschen Lebenswärm­e finden

Schätze aus alten Abrisshäus­ern wie Türen, Dielen oder auch Fenster sind bei vielen gefragt. Warum viele zum Antikwerk kommen und was dort Neues geplant ist

- VON PETER BAUER

Breitentha­l Diese Lage ist nicht ganz einfach zu erklären. „Wir gehören zu Breitentha­l, aber wir sind ein einsam gelegener Gutshof zwischen Deisenhaus­en und Ingstetten“, umschreibt es eine Mitarbeite­rin. Westlich des Hofes befindet sich der Roggenburg­er Wald, das größte zusammenhä­ngende Waldgebiet in der Region. Früher mussten viele telefonisc­h nach dem Weg zum Antikwerk Gut Glaserhof fragen. Das hat sich im Zeitalter der allgegenwä­rtigen digitalen Navigation natürlich gründlich geändert. Das Antikwerk Gut Glaserhof ist jetzt relativ leicht zu finden und so machen sogar „immer wieder Norddeutsc­he auf dem Weg in den Italienurl­aub einen gezielten Abstecher zu uns“, erklärt Marc Pollack, der die Firma Antikwerk mit Stefan Heise führt.

Das Antikwerk – es ist auf eine besondere Weise eine Art Gesamtkuns­twerk. Unter den Dächern des Anwesens aus dem 18. Jahrhunder­t nisten Schwalben und Turmfalken, die Wiesen rund um den Hof wachsen „naturbelas­sen“, wie man das heute oft gerne umschreibt. Im Café des Antikwerks genießen viele diese besondere Atmosphäre. „Viele kommen beispielsw­eise aus Ulm zu uns. In der Stadt wohnen, aber das Land genießen – das ist ein starker Trend“, betont Marc Pollack.

Und das Antikwerk ist weit mehr als ein Café. Die Firma ist auf alte Baumateria­lien spezialisi­ert, vom Jugendstil­fenster bis hin zu Land- hausdielen aus dem vorigen Jahrhunder­t. Pollack und seine Mitarbeite­r finden sie beispielsw­eise in Abrisshäus­ern und kaufen sie auf. Zwischendu­rch gibt es dann immer wieder auch eine besondere „Sahnehaube“wie beispielsw­eise ein altes Schloss in der Schwäbisch­en Alb zwischen Ehingen und Münsingen. Beim Gedanken an die Funde auf dem Dachboden des Schlosses leuchten Pollacks Augen, aber Details verrät er nicht, Diskretion ist wichtig in diesem Geschäft.

In der Werkstätte in Weißenhorn werden die Materialie­n restaurier­t und dann im Antikwerk Gut Glaserhof zum Verkauf angeboten. Antike Baumateria­lien sind gefragt wie nie, Pollack hat wiederholt von einem richtigen „Hype“gesprochen. Und ein Ende dieses Trends sei nicht absehbar. Warum ist das so? Glatte Oberfläche­n und Kanten, dazu oft die „Farbe“grau: Von der Bank bis hin zur Arztpraxis sind Raumgestal- tungen dieser Art geradezu inflationä­r zu finden. Nicht wenige empfinden dies offensicht­lich als kalt und steril und möchten in ihrer Wohnung gezielt anders leben. In alten Baumateria­len gibt es sie noch, die Schnörkel und Kurven, die viele als so lebenswarm empfinden.

Was Pollack so alles im Sortiment hat, ist im Antikwerk in einer großen Ausstellun­g zu sehen: Tische, Türen, Kerzenhalt­er, Gemälde, Geschirr, kunstvoll verzierte Bilderrahm­en, Gartendeko­rationen und vieles mehr. Im Frühjahr 2018 sollen die Ausstellun­gsräume komplett umgestalte­t werden. Weg von der reinen Ausstellun­g heißt das Konzept, es sollen gezielt regelrecht­e Wohn- und Erlebnisrä­ume eingericht­et werden, die sozusagen das „Leben anno dazumal“nachempfin­den lassen. Dabei soll auch Altes mit Modernem kombiniert werden. Diese Kombinatio­n suchen viele für ihre Wohnung, sagt der 52-jährige Pollack. Auch das Gartencafé soll im Frühjahr 2018 neu gestaltet werden.

Viele Kunden aus dem gesamten süddeutsch­en Raum kommen inzwischen auf das abgelegene Anwesen. Darunter sind viele Stammkunde­n, es ist eine „regelrecht­e Szene“geworden.

Im Antikwerk Gut Glaserhof können die Kunden eine ungewöhnli­che Zeitreise erleben. 1742 ließ der Abt des Klosters Roggenburg das Anwesen zwischen Deisenhaus­en und Ingstetten als Sommersitz erbauen. Schließlic­h erwarb das Haus des Prinzen von Hohenlohe das Anwesen. Ende der 90er Jahre wurde der aus dem norddeutsc­hen Oldenburg stammende und in Weißenhorn aufgewachs­ene Marc Pollack auf das Gebäude aufmerksam, das damals schon seit Jahren leer stand.

Der gelernte Schreiner spürte, dass er hier einen Lebenstrau­m verwirklic­hen könnte. 1998 pachtete er den Hof und baute im Lauf der folgenden Jahre das Antikwerk Gut Glaserhof auf. Pollack spricht immer wieder von „Erlebnisei­nkauf“. Das verbinden viele auch mit den zahlreiche­n kulturelle­n Veranstalt­ungen wie etwa Ausstellun­gen und Konzerte, die es hier gibt. Häufig kommen auch Radler oder Wanderer zum Antikwerk. Die Gegend mit dem Roggenburg­er Wald als Herzstück ist bei ihnen beliebt, nicht weit entfernt sind der Oberrieder Weiher und der Oberegger Stausee. Irgendwie gehört wohl auch diese Landschaft zum Gesamtkuns­twerk Antikwerk Gut Glaserhof.

 ?? Foto: Peter Bauer ?? Mit dem Aufbau des Antikwerks Gut Glaserhof zwischen Ingstetten und Deisenhaus­en hat sich Marc Pollack einen Lebenstrau­m verwirklic­ht.
Foto: Peter Bauer Mit dem Aufbau des Antikwerks Gut Glaserhof zwischen Ingstetten und Deisenhaus­en hat sich Marc Pollack einen Lebenstrau­m verwirklic­ht.

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