Mittelschwaebische Nachrichten
Wie der Minister aus Bleichen die Welt verbessern will
Zu Besuch bei seinem politischen Ziehvater skizziert Gerd Müller, wie eine faire Globalisierung aussehen kann
Krumbach Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Mitglied des Bundeskabinetts sich nach Mittelschwaben verirrt. Entwicklungsminister Dr. Gerd Müller war zuletzt eigentlich auch nur in privater Angelegenheit in Krumbach. Im Deisenhauser Ortsteil Unterbleichen aufgewachsen, verdiente sich der CSU-Minister in der Region seine ersten politischen Sporen in der Lokalpolitik.
Die Verbindung zu seinem politischen Ziehvater, Karl Kling überdauerte die Jahre und führt ihn zwischen Reisen in das von einer beispiellosen Hungerkrise gezeichnete Ostafrika und der Eröffnung der Allgäuer Festwoche auch nach Krumbach. Mit im Gepäck hat er sein neues Buch „Unfair“, mit dem er kurz vor dem Ende der Legislaturperiode noch ein Ausrufezeichen setzen will. Der 61-jährige Politiker beschreibt darin seine Begegnungen mit Menschen in Entwicklungsländern, die ihn persönlich tief bewegt und nachdenklich gemacht haben. Müller ist überzeugt davon, dass bei einer gerechten Verteilung der Ressourcen, kein Mensch verhungern müsste, trotz rasant wachsender Weltbevölkerung.
Er weist auf ein Bild, auf dem ein historisches Pferdefuhrwerk zu sehen ist, an der Wand des Gasthauses, in dem er zu Mittag speist. Es erinnert ihn an einen Buben aus Mauretanien, der mit seinem Esel ein Wasserfass auf einem Karren transportierte und nebenbei mit dem Smartphone telefonierte. Die Lebenswelt des jungen Burschen sei zu vergleichen mit der bei uns im 19. Jahrhundert. Doch das Handy am Ohr ist die Brücke ins 21. Jahrhundert.
Ein besonders tief beeindruckendes Erlebnis hat Müller, als er in Juba, der Hauptstadt des Südsudan ein Flüchtlingslager besucht. „Da habe ich in die Hölle geblickt“, erinnert er sich. Die Menschen dort vegetieren in wackligen Hütten aus Ästen und Plastikfolien ohne Kanalisation und ohne Toiletten. Am Abend habe er im nahegelegenen Sitz des Bischofs, wo er und seine Delegation übernachteten, das Fußballspiel Bayern München gegen Hertha BSC Berlin auf dem Flachbildfernseher angesehen.
In der Halbzeitpause zeichnete die Werbung ein glänzendes Bild Europas. Teure Autos, glückliche Menschen die Träume von einem Leben in Wohlstand wecken. Da wurde Müller klar, dass selbst hier, an einem der elendsten Flecken der Erde, dank der Globalisierung jeder weiß, wie wir in Europa leben. „Wir können nicht sagen, das interessiert uns nicht, was in Afrika passiert“, sagt Müller. Die Menschen, die in diesen Spannungsfeldern leben, wollen sich befreien.
Wie das kleine Mädchen auf der indischen Müllkippe, das Müller erklärte, es wolle keine Müllsammlerin sein, so wie sich ihr Vater das vorstelle, sie möchte Lehrerin werden. Müller, der seine Herkunft als Bauernsohn nie verleugnet, hält nichts davon, sich in vergeistigten Diskussionen zu verlieren. Er mag es konkret, will vor Ort sein, die Menschen treffen, ihr Lebens- und Arbeitsumfeld sehen, hören, riechen. Die Ursachen für das Wohlstandsgefälle zwischen Dritter Welt und den Industrieländern sind bekannt. Allein, es fehlt der Wille, etwas zu ändern. „Wir haben“, so Müllers Schlussfolgerung, „kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsproblem.“Er will aber keine Verbote. Er setzt darauf, fair zu teilen. Würde der Stundenlohn einer Näherin in Bangladesch von bislang rund 15 Cent auf 30 Cent verdoppelt, dann verteuere sich eine in Deutschland verkaufte Jeans maximal um etwa einen Euro, rechnet Müller vor. Die Näherin könnte damit aber ihren Lebensunterhalt bestreiten, was ihr bislang kaum möglich ist. Und weil Müller nicht nur konkret, sondern auch konsequent ist, will er den Erlös aus dem Verkauf seines Buchs spenden. Pro verkauftem Buch gehen fünf Euro an verschiedene Hilfsprojekte, darunter die Stiftung Menschen für Menschen und das Misereor-Projekt „Butterflies“, das auch dem oben genannten indischen Mädchen dabei hilft, sich seinen Traum zu erfüllen.