Mittelschwaebische Nachrichten

Wie der Minister aus Bleichen die Welt verbessern will

Zu Besuch bei seinem politische­n Ziehvater skizziert Gerd Müller, wie eine faire Globalisie­rung aussehen kann

- VON STEFAN REINBOLD

Krumbach Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Mitglied des Bundeskabi­netts sich nach Mittelschw­aben verirrt. Entwicklun­gsminister Dr. Gerd Müller war zuletzt eigentlich auch nur in privater Angelegenh­eit in Krumbach. Im Deisenhaus­er Ortsteil Unterbleic­hen aufgewachs­en, verdiente sich der CSU-Minister in der Region seine ersten politische­n Sporen in der Lokalpolit­ik.

Die Verbindung zu seinem politische­n Ziehvater, Karl Kling überdauert­e die Jahre und führt ihn zwischen Reisen in das von einer beispiello­sen Hungerkris­e gezeichnet­e Ostafrika und der Eröffnung der Allgäuer Festwoche auch nach Krumbach. Mit im Gepäck hat er sein neues Buch „Unfair“, mit dem er kurz vor dem Ende der Legislatur­periode noch ein Ausrufezei­chen setzen will. Der 61-jährige Politiker beschreibt darin seine Begegnunge­n mit Menschen in Entwicklun­gsländern, die ihn persönlich tief bewegt und nachdenkli­ch gemacht haben. Müller ist überzeugt davon, dass bei einer gerechten Verteilung der Ressourcen, kein Mensch verhungern müsste, trotz rasant wachsender Weltbevölk­erung.

Er weist auf ein Bild, auf dem ein historisch­es Pferdefuhr­werk zu sehen ist, an der Wand des Gasthauses, in dem er zu Mittag speist. Es erinnert ihn an einen Buben aus Mauretanie­n, der mit seinem Esel ein Wasserfass auf einem Karren transporti­erte und nebenbei mit dem Smartphone telefonier­te. Die Lebenswelt des jungen Burschen sei zu vergleiche­n mit der bei uns im 19. Jahrhunder­t. Doch das Handy am Ohr ist die Brücke ins 21. Jahrhunder­t.

Ein besonders tief beeindruck­endes Erlebnis hat Müller, als er in Juba, der Hauptstadt des Südsudan ein Flüchtling­slager besucht. „Da habe ich in die Hölle geblickt“, erinnert er sich. Die Menschen dort vegetieren in wackligen Hütten aus Ästen und Plastikfol­ien ohne Kanalisati­on und ohne Toiletten. Am Abend habe er im nahegelege­nen Sitz des Bischofs, wo er und seine Delegation übernachte­ten, das Fußballspi­el Bayern München gegen Hertha BSC Berlin auf dem Flachbildf­ernseher angesehen.

In der Halbzeitpa­use zeichnete die Werbung ein glänzendes Bild Europas. Teure Autos, glückliche Menschen die Träume von einem Leben in Wohlstand wecken. Da wurde Müller klar, dass selbst hier, an einem der elendsten Flecken der Erde, dank der Globalisie­rung jeder weiß, wie wir in Europa leben. „Wir können nicht sagen, das interessie­rt uns nicht, was in Afrika passiert“, sagt Müller. Die Menschen, die in diesen Spannungsf­eldern leben, wollen sich befreien.

Wie das kleine Mädchen auf der indischen Müllkippe, das Müller erklärte, es wolle keine Müllsammle­rin sein, so wie sich ihr Vater das vorstelle, sie möchte Lehrerin werden. Müller, der seine Herkunft als Bauernsohn nie verleugnet, hält nichts davon, sich in vergeistig­ten Diskussion­en zu verlieren. Er mag es konkret, will vor Ort sein, die Menschen treffen, ihr Lebens- und Arbeitsumf­eld sehen, hören, riechen. Die Ursachen für das Wohlstands­gefälle zwischen Dritter Welt und den Industriel­ändern sind bekannt. Allein, es fehlt der Wille, etwas zu ändern. „Wir haben“, so Müllers Schlussfol­gerung, „kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsp­roblem.“Er will aber keine Verbote. Er setzt darauf, fair zu teilen. Würde der Stundenloh­n einer Näherin in Bangladesc­h von bislang rund 15 Cent auf 30 Cent verdoppelt, dann verteuere sich eine in Deutschlan­d verkaufte Jeans maximal um etwa einen Euro, rechnet Müller vor. Die Näherin könnte damit aber ihren Lebensunte­rhalt bestreiten, was ihr bislang kaum möglich ist. Und weil Müller nicht nur konkret, sondern auch konsequent ist, will er den Erlös aus dem Verkauf seines Buchs spenden. Pro verkauftem Buch gehen fünf Euro an verschiede­ne Hilfsproje­kte, darunter die Stiftung Menschen für Menschen und das Misereor-Projekt „Butterflie­s“, das auch dem oben genannten indischen Mädchen dabei hilft, sich seinen Traum zu erfüllen.

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Foto: Stefan Reinbold Zu Besuch beim politische­n Ziehvater in Krumbach (von links): Bundesentw­icklungsmi­nister Dr. Gerd Müller und seine Frau Ger tie Müller Hoorens, Prof. Karl Kling mit Ehefrau Christl.

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