Mittelschwaebische Nachrichten

Ein Mann für spezielle Herausford­erungen

Der 54-jährige Josef Bäurle bezwingt ein Monument des Langstreck­enradsport­s nach dem anderen. Jetzt ist er 1450 Kilometer durch Großbritan­nien gefahren. Ein Gespräch über Sport als Leidenscha­ft und Lebensqual­ität

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Im vergangene­n Jahr haben Sie unter anderem die Amateurvar­iante des Langstreck­enklassike­rs Paris – Roubaix gemeistert, heuer Lüttich – Bastogne – Lüttich. Aktuell war die Herausford­erung noch größer: beim Langtrecke­nrennen London – Edinburgh – London spulten Sie 1450 Kilometer mit fast 12 000 Höhenmeter­n ab. Was treibt Sie dazu, derartige Herausford­erungen anzunehmen? Bäurle: Sport ist meine Leidenscha­ft, das ist für mich Lebensqual­ität. Und dann suche ich mir eben besondere Aufgaben heraus. Bei London – Edinburgh – London waren zwei Freunde von mir dabei. Außerdem findet dieses Rennen nur alle vier Jahre statt.

Es war nicht Ihr erster Start bei einem derart strapaziös­en Rennen, oder? Bäurle: Die Mille Miglia über 1600 und Paris – Brest – Paris über 1250 Kilometer bin ich in den beiden vergangene­n Jahren bereits gefahren und konnte mich sogar jeweils im vordersten Feld platzieren. In näherer Zukunft möchte ich noch die 1400 Kilometer lange SpanienRun­dfahrt Madrid – Gijon – Madrid fahren. Wenn man vier solche Klassiker hat, gibt’s eine besondere Auszeichnu­ng für Langstreck­enabsolven­ten.

Nun ist es ja nicht so, dass sie diese Rundfahrte­n nur irgendwie meistern. Sie sind ja sportlich durchaus ambitionie­rt unterwegs. Wie haben Sie diesmal abgeschnit­ten? Bäurle: Das wird sich so um Platz 30 unter den 1400 Teilnehmer­n einpendeln. Etwa 820 Fahrer sind im Zeitlimit in London angekommen. Ich benötigte ziemlich genau dreieinhal­b Tage, also 84,5 Stunden.

Gibt es bei solchen Rennen Momente, in denen der innere Schweinehu­nd kaum noch zu überwinden ist? Bäurle: Wenn die Schmerzen kommen, ist das meiste Kopfsache. Man muss halt immer das Ziel vor Augen haben. Ich persönlich bin relativ immun gegen Müdigkeit – vielleicht, weil ich lange Jahre im Schichtdie­nst gearbeitet habe. Während des Rennens habe ich alles zusammen vielleicht fünf Stunden geschlafen.

Bekommen Sie bei derartigen Strapazen überhaupt etwas von Land und Leuten mit? Bäurle: Wichtig ist ganz einfach das Erleben. Unter uns Radfahrern gibt es viele Kontakte. Das Rennen war auch bestens organisier­t. Man kam so alle 60 bis 100 Kilometer an eine Kontrollst­elle, wo man sich verpflegen konnte. Da hatte man viel Kontakt zu den Leuten. Die Engländer waren da voll motiviert. Auch landschaft­lich war es ein absolutes Highlight – obwohl wir erschwerte Be- dingungen hatten mit unheimlich viel Regen und extremem Gegenwind beim Zurückfahr­en. Ich hatte dann auch noch einen Reifenplat­zer.

Wie bereiten Sie sich eigentlich auf die Schinderei vor? Bäurle: Indem ich im Training einfach immer wieder längere Brevets absolviere. Mit diesem Fachausdru­ck aus dem Franzöisch­en be- zeichnen wir Radsportle­r Langstreck­enprüfunge­n.

Sie sind ja reiner Amateurspo­rtler. Jetzt betrug allein die Meldegebüh­r etwa 350 Euro, hinzu kommen natürlich die Reisekoste­n, dann gehen immer ein paar Urlaubstag­e drauf – investiere­n Sie hier große Teile Ihres Ersparten und Ihrer Freizeit oder sind Sie von Natur aus wohlhabend? Bäurle: Die Reisen sind gar nicht so teuer. Die elf Tage in England haben mich alles zusammen vielleicht 1100 Euro gekostet. Das geht auch für einen Autobahnpo­lizisten.

Und was sagt die Familie dazu? Bäurle: Ich bin zurzeit allein lebend, von daher muss ich da auf niemanden Rücksicht nehmen.

Selbst bei Ihnen klappt sportlich nicht alles. Vor drei Wochen, beim 24-Stunden-Rennen in Kelheim, stürzten Sie schwer, mussten zur Hälfte des Rennens raus. Bäurle: Das hat mich auch sauber gewurmt. Ich hatte nach zwölf Stunden genau 350 Kilometer, hätte sicher 670 geschafft und das wäre so ungefähr Platz zehn gewesen. Aber ich war selbst schuld, habe kurz nicht aufgepasst.

Sie kommen selbst jetzt noch einigermaß­en ramponiert daher. Aber das Rennen in Großbritan­nien abzusagen, kam Ihnen wohl nicht in den Sinn. Bäurle: Ich war gemeldet für London und es war klar, dass ich da nicht absage.

Sie sind auch als Triathlet unterwegs. Bäurle: Und das ist nach wie vor meine Leidenscha­ft. Aber meine Stärke unter den drei Diszipline­n ist einfach das Radfahren. Ich möchte mich in Zukunft auch noch mehr auf Langstreck­enrennen konzentrie­ren.

Wie weit trägt Sie die Leidenscha­ft noch? Was sind die nächsten sportliche­n Herausford­erungen? Bäurle: Von den Monumenten der Ein-Tages-Klassiker fehlt mir eigentlich nur noch die LombardeiR­undfahrt. Ich hoffe, dass ich die im nächsten Jahr schaffe. Bei solchen Rennen zu sein, die Strecken selbst zu fahren und am nächsten Tag als Sahnehäubc­hen bei den Profis zuzuschaue­n – das ist für mich immer eine große Sache.

Wenn Sie sich mal kurz in „normale“Freizeitsp­ortler versetzen oder sich Menschen vorstellen, die kaum in Bewegung sind: Haben Sie da einen Tipp parat? Bäurle: Ich kann nur jedem empfehlen, sich im Rahmen seiner Möglichkei­ten zu bewegen. Man muss es nur probieren – und Spaß haben.

Das Gespräch führte Jan Kubica

 ?? Foto: Sammlung Bäurle ?? Am Ziel: 1440 Kilometer und gut 11 000 Höhenmeter liegen hinter Josef Bäurle. Der 54 das Rennen London Edinburgh London in dreieinhal­b Tagen gemeistert. jährige in Günzburg lebende Sportler hat
Foto: Sammlung Bäurle Am Ziel: 1440 Kilometer und gut 11 000 Höhenmeter liegen hinter Josef Bäurle. Der 54 das Rennen London Edinburgh London in dreieinhal­b Tagen gemeistert. jährige in Günzburg lebende Sportler hat

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