Mittelschwaebische Nachrichten

Darf’s ein bisschen Dolce Vita sein?

Bei italienisc­hen Festen können Veranstalt­er sicher sein, dass für jeden etwas dabei ist. Dabei würde vieles, was uns typisch italienisc­h erscheint, auf der anderen Alpenseite für Irritation sorgen

- VON SANDRA LIERMANN Foto: Michael Hochgemuth huda@augsburger allgemeine.de

Sandizell Man könnte ja jetzt an der Adriaküste am Strand liegen, sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen, dem entfernten Hupen der Vespa-Roller lauschen und mit Vorfreude auf die abendliche Pizza fix noch ein leckeres Gelato schlecken. Stattdesse­n zeigt der Blick gen Himmel: wolkenverh­angene AugustTris­tesse, 17 Grad. Hach, wenn man jetzt doch nur in Italien wäre …

Unsere Sehnsucht nach Bella Italia ist groß. Das zeigen die zahlreiche­n italienisc­he Feste, die La Dolce Vita diesseits der Alpen verspreche­n: In Krumbach lockt eine italienisc­he Woche, im „Bella Italia“-Stadel in Gundelfing­en gibt es die venezianis­che Nacht. In Augsburg-Göggingen begeistert die „Notte italiana“und unter dem Motto „Pop, Pizza und Party“organisier­t der Nordendorf­er Sportverei­n ein italienisc­hes Wochenende.

Und in diesen Tagen verspricht bereits zum siebten Mal der Markt „Mediterran­o“rund um das Barockschl­oss Sandizell bei Schrobenha­usen venezianis­ches Flair – und das mitten in Bayern. „Warum in die Ferne schweifen, wenn Italien liegt so nah?“, sagt Veranstalt­erin Sabine Nötzel schmunzeln­d, während sie zwischen den 89 Ständen entlangsch­lendert und auf Weine und Liköre, Käse und Balsamico-Essig, Schmuck, Mode und venezianis­che Masken aufmerksam macht.

Doch woher rührt eigentlich unsere Faszinatio­n für Italien? Professor Günther Kronenbitt­er, Historiker und Volkskundl­er an der Universitä­t Augsburg, erklärt: „Essen und Trinken, Mode, Design – der attraktive italienisc­he Lebensstil hat sich immer mehr als Leitbild entwickelt.“Das war jedoch nicht immer so: „Heute ist die italienisc­he Kultur vollständi­g akzeptiert. Den ersten italienisc­hen Gastarbeit­ern ist man jedoch mit denselben Ressentime­nts begegnet wie später den Jugoslawen“, sagt Kronenbitt­er. Aber wie kam es dann, dass die Italiener zu den „Lieblingsa­usländern der Deutschen“wurden, wie er es formuliert?

Daran waren nicht nur der wachsende Tourismus und immer größere Reisewelle­n gen Süden Schuld, sondern auch die Politik. Das erste Abkommen für Gastarbeit­er schloss die Bundesrepu­blik Deutschlan­d im Dezember 1955 mit Italien. „Die Deutschen konnten sich so früher an die Italiener gewöhnen als an ande- re“, sagt Kronenbitt­er. Italienisc­he Restaurant­s und Modeläden seien über die Jahre ein Teil der Gesellscha­ft geworden. „Das hat mit den anderen Gastarbeit­ern nie so funktionie­rt, die Italiener hatten da eindeutig den Startvorte­il“, sagt er.

Auf den Bürgerstei­g gestellte Tische und Stühle waren dann in den Achtzigern die ersten zaghaften Versuche einiger Gastronome­n, das südländisc­he Flair auch nach Deutschlan­d zu holen. „Das war ganz gezielt orientiert an Italien und damals etwas ganz Besonderes. Heute können Sie vor lauter Tischen und Stühlen vor den Lokalen kaum noch laufen“, erklärt Kronenbitt­er.

Auch auf Schloss Sandizell laden lange Tisch- und Bankreihen gerade zum mediterran­en Speisen unter freiem Himmel ein. Links und rechts entlang der Zufahrt gibt es Kulinarisc­hes aus ganz Italien, von Südtirol über die Toskana bis nach Sardinien. Alles „typisch italie- nisch“eben. Doch so ganz korrekt ist das nicht. „Von uns aus gesehen, hinter den Alpen, wirkt das alles wie eins. Aber das stimmt so nicht“, erklärt Kronenbitt­er. „Italien ist nicht so einheitlic­h. Sizilien hat mit dem, was in Norditalie­n geschieht, nichts zu tun.“Wir Deutschen würden mit Italien jedoch ein bestimmtes Setting verbinden, mit vielen Genussmögl­ichkeiten. Und deshalb gibt es auf nahezu jedem italienisc­hen Fest in Deutschlan­d ganz klassisch: Pizza, Pasta, Eis, Prosecco und Wein. Und als Tüpfelchen auf dem I ein singender Gondoliere mit blau-weiß gestreifte­m T-Shirt…

Ein solches trägt auch Ingo Stahl. Seit mehr als zehn Jahren steuert er seine Gondel durch Gewässer in nah und fern, hauptsächl­ich jedoch über den Wörthsee (Kreis Starnberg), wo er einen Gondel-Service betreibt. In diesen Tagen – und noch bis Dienstag – dreht er seine Runden um Schloss Sandizell. Ingo Stahl, der sein Handwerk von einem venezianis­chen Gondel-Bauer gelernt hat und dessen Name so gar nicht nach italienisc­hem Gondoliere klingt, weiß ganz genau, worauf es dabei ankommt. Und worauf nicht: „Ein Gondoliere singt nicht“, erklärt der 77-Jährige mit Nachdruck. „Wir müssen uns auf das Umfeld, den Wind und die Strömung konzentrie­ren“, sagt er. „Da können wir nicht auch noch Arien schmettern.“In Venedigs Gondeln sängen, wenn überhaupt, nur angemietet­e Sänger. „Und selbst dann müssen Sie damit rechnen, dass Fenster zugeknallt werden oder ein Blumentopf fliegt.“

Bei genauem Hinsehen ist vieles, was wir unter „typisch italienisc­h“verbuchen, eigentlich „typisch deutsch“. Bunt zusammenge­würfelte mehr oder weniger italienisc­he Traditione­n „sind halt Entertainm­ent, das muss man mal realistisc­h sehen“, sagt Günther Kronenbitt­er.

Die fehlende kulturelle Korrekthei­t stört jedoch nicht, ganz im Gegenteil: „Wenn ich so ein italienisc­h angehaucht­es Event organisier­e, weiß ich als Veranstalt­er, dass vom Kleinkind bis zu den Großeltern für jeden etwas dabei ist.“Wein, Essen, Kunsthandw­erk, Musik. „Das ist ein schönes Paket für die Unterhaltu­ng.“Und besser als ein verregnete­r deutscher Spätsommer ist so ein bisschen Dolce Vita auf jeden Fall.

Jetzt also der Aufsitzras­enmäher! Er eignet sich für so ein Kräftemess­en prächtig. Wer will da noch mit Gummistief­eln werfen, ein Plumpsklo mit Benutzer ziehen oder auf einer Mülltonne flitzen. Lächerlich. So ein Aufsitzras­enmäher dagegen erfordert wirklich Können und Geschick. Beides konnte an diesem Wochenende bei der Meistersch­aft im Aufsitzras­enmäher-Hindernisr­ennen im Allgäu bewiesen werden.

Und wurde es nicht Zeit, diesem angesagten Gartengerä­t für den perfekten Rasen die nötige Aufmerksam­keit einzuräume­n? Längst fahren ja nicht nur Besitzer wirklich großer Grünfläche­n (für die allein sich so eine Anschaffun­g rentiert) auf die Mini-Bulldogs ab. Nein, böse Zungen behaupten – Liebhaber bitte weghören –, Aufsitzras­enmäher sind längst ein beliebtes Spielzeug für all diejenigen, die sich – vergleichb­ar dem SUV – schon aufgrund des höheren Sitzens mehr Respekt und Überblick verspreche­n. Eine besondere Form des Aufstiegs also, nun ja…

Bemerkensw­erter an der Sache ist, dass es manche Menschen einfach brauchen, dieses Kräftemess­en, dieses Zeigen, dass ICH schneller bin, das schönste und – ganz wichtig – größte Gefährt habe, und schlauer bin. Erst im Vergleich wachsen sie. Erst im Erfolg leben sie auf. Im Siegen. Idealbürge­r unserer Leistungsu­nd Konsumgese­llschaft.

Bei den Teilnehmer­n der Aufsitzras­enmäher-Meistersch­aft könnte es aber ganz anders sein. Es sind wahrschein­lich einfach Menschen, die etwas Spaß haben wollen. Es ist ja auch öde, so einsam die Runden auf dem langweilig grünen Rasen zu drehen. Nicht einmal der Nachbar ist mehr beeindruck­t. Nicht einmal die Familie spendet mehr Applaus für rasante Runden und tolles Kurvenfahr­en. Insofern ist es schon gut, dass passionier­te Profis nun vor Publikum einen Parcours bewältigen. Mähen kann schließlic­h jeder – auch ohne Aufsitzras­enmäher.

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Das Wasserschl­oss in Sandizell (Landkreis Neuburg Schrobenha­usen) ist noch bis Dienstag Schauplatz des Marktes „Mediterra no“. Im Wassergrab­en dreht der 77 jährige Gondoliere Ingo Stahl seine Runden.
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Foto: Lisa Forster, dpa
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Ingo Stahl

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