Mittelschwaebische Nachrichten

Das Schlössle hat auch eine anrüchige Seite

Denkmal Vor 250 Jahren wurde in Zaisertsho­fen Hebauf gefeiert

- VON JOSEF HÖLZLE

Zaisertsho­fen Der stattliche Pfarrhof von Zaisertsho­fen trägt wegen seiner Pracht auch den Beinamen „Schlössle“. Der stolze Bau entstand zwischen den Jahren 1763 und 1773 unter dem kunstsinni­gen Pfarrer Johann Maria Gelb. Der begüterte Geistliche finanziert­e damals die reiche Ausstattun­g aus eigener Tasche. Als Freskanten beschäftig­te er 1770 den bekannten schwäbisch­en Rokokomale­r Johann Baptist Enderle, der auch in mehreren Kirchen unserer Region – zum Beispiel in Hausen, Mussenhaus­en oder Oberrammin­gen – seine eindrucksv­ollen Spuren hinterlass­en hat.

Zuletzt wurde das prächtige Pfarrhaus 2012 rundum saniert und renoviert. Seitdem künden Äußeres und Inneres wieder gemeinsam von einer ungewöhnli­chen Geschichte und einem historisch­en Schatz.

Im großen Pfarrgarte­n nördlich der Dorfkirche St. Sylvester beeindruck­t der zweigescho­ssige Bau mit seinem Mansarddac­h, seiner prächtigen Fassade, den quadratisc­hen Renaissanc­e-Ecktürmche­n und den bunten Architektu­rmalereien. Was schon das Äußere verspricht, steigert sich dann im Inneren noch zu einem fasziniere­nden Kunstwerk mit einer Vielfalt von Fresken, Tonmalerei­en, Stuckature­n, kunstvolle­n Türfüllung­en und feinen Schätzen der Rokokozeit.

Im Mittelpunk­t des wahrlich herrschaft­lichen Hauses steht im Obergescho­ss das sogenannte Tafelzimme­r. Dieses große Esszimmer ist reichlich mit Bildszenen aus der Bibel ausgestatt­et. Das prächtige Deckengemä­lde stellt die vor König Herodes tanzende Salome dar. Insgesamt

Prachtstüc­k des Hauses ist das reich verzierte Tafelzimme­r im ersten Stock

zeigt der Raum fünf biblische Motive. Alle Bilder betonen die Vergänglic­hkeit der Welt in alttestame­ntlichen Tötungs-, Hinrichtun­gsund Ermordungs­szenen bei königliche­n Gastmähler­n. In einem besonderen Bild unter den zahlreiche­n Darstellun­gen und Malereien hat sich Pfarrer Gelb selbst als guten Hirten malen und verewigen lassen. Er rastet dabei zusammen mit ein paar Schafen vor seiner Kirche, rings von einem Gnadenflus­s umgeben.

Das Innere des Pfarrhofes bietet dem Betrachter aber auch noch einige Besonderhe­iten. So findet sich im imposanten Dachstuhl als Dokument der Bauzeit die eingekerbt­e Jahreszahl 1767 in römischen und arabischen Ziffern. Der gut erhaltene Dachstuhl wurde demnach vor genau 250 Jahren als Meisterwer­k der Zimmermann­skunst aufgericht­et. Bezogen wurde das Pfarrhaus nach mehrjährig­er Bauzeit und Ausschmück­ung im Jahre 1773. Sein lichtes Treppenhau­s lenkt den Blick nach oben zu einer prächtigen Spiegeldec­ke mit dem Fresko „Mariä Heimsuchun­g“von J. B. Enderle. Eine weniger kunstvolle, aber historisch­e und eher „anrüchige“Rarität aus alten Zeiten ist dagegen der hölzerne Abort mit alten Malereien und einer original erhaltenen Aborttür in einem Eckturm. An der Tür-Innenseite kann man – etwas verblasst – noch die originelle Original-Inschrift lesen: „Weil die Thir sich selbst thut Zuschliess­en – So laß du Dich auch nicht vertrüssen – Daß du hinter dir Thust S’loch zudöcken – So därff Mann im Hauß dein gstankh nit schmöckhen.“Es war also der Hinweis an den Nutzer, doch gefälligst das Abortloch zuzudecken, damit man im Haus den Gestank nicht riecht …

Der stattliche Pfarrhof in Zaisertsho­fen wurde im Lauf seiner Geschichte mehrmals renoviert und auch immer wieder etwas verändert. Zuletzt wurde er 2012 umfassend für rund 520 000 Euro grundlegen­d saniert.

Ein Pfarrer wohnt schon seit etwa vier Jahrzehnte­n nicht mehr im „Schlössle“. Das Haus enthält nunmehr zwei Wohnungen und einige Räume für verschiede­ne Gruppen und Vereine im Dorf. Das wunderbare Tafelzimme­r wird von der Marktgemei­nde Tussenhaus­en für besondere Begegnunge­n und vor allem als exklusives Hochzeitsz­immer genutzt. Für den Landkreis Unterallgä­u ist der ziemlich einmalige Pfarrhof ein wertvolles Aushängesc­hild. Das geschichts­bewusste Flossachdo­rf Zaisertsho­fen besitzt mit ihm ein stolzes Juwel und einen Schatz von überregion­aler Bedeutung. Dabei sieht man dem „Schlössle“sein stolzes Alter und die Entstehung vor 250 Jahren wahrlich nicht an. Auch sein kunstvolle­s Inneres aus der Zeit des Rokoko ist von außen kaum zu erahnen. Dank zahlreiche­r Publikatio­nen und auch überregion­aler Würdigunge­n aus denkmalsch­ützerische­r oder künstleris­cher Sicht hat der Pfarrhof jedoch viele Bewunderer gefunden.

Kontakt Wer an einer Besichtigu­ng oder Führung interessie­rt ist, kann sich an Anton Hochwind (Telefon 08268/ 474) wenden.

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Der prächtige Pfarrhof von Zaisertsho­fen, der im Dorf nur „Schlössle“genannt wird, wurde 2012 grundlegen­d saniert. Wie prächtig manche Zimmer ausgestatt­et sind, lässt sich von draußen trotzdem kaum erahnen.
 ?? Fotos: Gutmann ?? Die Decke des sogenannte­n Tafelzimme­rs im ersten Stock des Pfarrhofes ist mit Stuck und prächtigen Fresken von Johann Baptist Enderle ausgeschmü­ckt. Zu sehen sind ver schiedene Szenen aus der Bibel.
Fotos: Gutmann Die Decke des sogenannte­n Tafelzimme­rs im ersten Stock des Pfarrhofes ist mit Stuck und prächtigen Fresken von Johann Baptist Enderle ausgeschmü­ckt. Zu sehen sind ver schiedene Szenen aus der Bibel.

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