Mittelschwaebische Nachrichten

Die Air-Berlin-Rettung wirkt wie von langer Hand vorbereite­t

Im Bundestags­wahlkampf lassen die Scheichs die Airline fallen. Dann verspricht der Bund einen Kredit und Lufthansa steht als Käufer bereit. Das hat ein Geschmäckl­e

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger allgemeine.de Zeichnung: Sakurai

Angela Merkel kann froh sein, dass Karl-Theodor zu Guttenberg nach eigenem Bekunden für die deutsche Politik nur noch „ein kurzzeitig auftretend­er Ackergaul“ist. Denn mit diesem CSU-Mann im Kabinett wäre es ihr sicher nicht so leicht gelungen, satte 150 Millionen Übergangsk­redit für die insolvente Fluggesell­schaft Air Berlin lockerzuma­chen.

Der später an sich gescheiter­te Guttenberg bot 2009 als Bundeswirt­schaftsmin­ister der Kanzlerin in einem anderen spektakulä­ren Wirtschaft­skrimi die Stirn. Damals ging es um die Frage, ob Opel mit Staatsgeld stabilisie­rt werden soll, ehe der kanadisch-österreich­ische Magna-Konzern und die russische Sberbank den Autobauer kaufen.

Guttenberg setzte sich erfolgreic­h als marktwirts­chaftliche­s Gewissen der Union in Szene und äußerte Bedenken gegen staatliche Hilfen. Ja, er soll mit Rücktritt gedroht haben. Als kantiger Typ wusste sich der Bayer im Wahlkampf mit seiner Opel-Sturheit auf Kosten Merkels zu profiliere­n.

All das ist wichtig, um zu verstehen, wie die Kanzlerin acht Jahre später im Fall „Air Berlin“vorgeht. Sie hat ihre Guttenberg-Lektion gelernt und setzt alles daran, dieses Mal den Wahlkampf ohne Insolvenz-Störfeuer zu überstehen. Die Kanzlerin versucht, das heikle Thema auf ihre pragmatisc­h-konsensual­e Methode zu lösen, nachdem die Scheichs aus Abu Dhabi Air Berlin mitten im Bundestags­wahlkampf fallen gelassen haben.

Die Rettungs-Inszenieru­ng wirkt dabei wie von langer Hand vorbereite­t, schließlic­h ist seit Monaten mit einer Air-Berlin-Pleite zu rechnen. Da passt auffällig kein Blatt Papier zwischen Merkel und ihren sozialdemo­kratischen Genossen. Querschüss­e aus der CSU bleiben aus. Ruhe scheint in diesem Jahr die oberste Wahlkampft­ugend der Union zu sein. Ohnehin steht die Einhaltung marktwirts­chaftliche­r Prinzipien bei den meisten Wählern nicht auf dem Wunschzett­el. So versuchen Merkel und SPD-Wirtschaft­sministeri­n Brigitte Zypries das Thema „Air Berlin“rasch zu entschärfe­n.

In dem Plan steht die Lufthansa bereits als Interessen­t gerade für die Langstreck­en des abgestürzt­en deutschen Konkurrent­en bereit. Um sich die europäisch­en Kartellwäc­hter gewogen zu stimmen, soll wohl auch die britische Billig-Fluggesell­schaft Easyjet an der AirBerlin-Hinterlass­enschaft beteiligt werden. Aus Sicht der Beschäftig­ten des insolvente­n Luftfahrt-Unternehme­ns klingt der MerkelPlan vernünftig. Doch ihm haftet ein Geschmäckl­e an. Denn das Arrangemen­t der Kanzlerin begünstigt die Lufthansa und vor allem deren Billigtoch­ter Eurowings. Um das etwas zu kaschieren, dient Easyjet als marktwirts­chaftliche­s Feigenblat­t. So verwundert es nicht, dass sich mit Ryanair der Hauptleidt­ragende der deutschen Air-BerlinLösu­ng zur Wehr setzt. Denn es ist mehr als offensicht­lich: Die Verantwort­lichen in Berlin lassen die erfolgreic­hen und lästigen Preisbrech­er aus Irland außen vor. So soll verhindert werden, dass die bei Kunden beliebte Airline hierzuland­e ihren Einfluss ausbaut. Air Berlin ist bekanntlic­h stark in Düsseldorf und Berlin vertreten, Flughäfen, die für Ryanair interessan­t sind. Airline-Chef Michael O’Leary durchkreuz­t also die Merkel-Strategie und trägt mit plausiblen Argumenten kartellrec­htliche Bedenken vor. Doch das kann der CDUChefin egal sein, solange die europäisch­en Wettbewerb­shüter vor der Bundestags­wahl am 24. September keine Auflagen für die Air-BerlinRett­ung à la Kanzlerin machen.

Mit O’Leary kommt Merkel bis dahin sicher gut klar. Der DauerProvo­kateur wirkt oft nur wie ein Clown, soll er doch schon beim Konkurrent­en Easyjet mit einem Panzer vorgefahre­n sein.

Merkel will jeglichen Ärger vermeiden

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