Mittelschwaebische Nachrichten

Gefährlich­e Geisterfah­rer

Nach einem tragischen Unfall im Allgäu werden Fragen nach der Ursache laut. Welche Rolle das Alter spielt und wie oft Menschen auf der falschen Fahrbahn unterwegs sind

- VON KATHARINA MÜLLER UND STEPHANIE SARTOR

Buchloe Nach dem tragischen Geisterfah­rer-Unfall am Montagaben­d auf der A96 bei Buchloe werden Fragen nach der Ursache laut. War der 88-jährige Unfallveru­rsacher aufgrund seines hohen Alters nicht mehr fahrtaugli­ch? Hätten Warnschild­er ihn davon abhalten können, in falscher Richtung auf die Autobahn zu fahren? Bei dem Unfall wurde ein Ehepaar schwer verletzt. Der 88-Jährige starb.

Warnschild­er hätten in diesem Fall wohl nichts genutzt, da der Senior zunächst richtig auf die Autobahn aufgefahre­n war, sagt Polizeispr­echer Jürgen Krautwald. Der 88-Jährige wendete erst danach auf dem Beschleuni­gungsstrei­fen und fuhr in die falsche Richtung weiter. „Das hätte nicht verhindert werden können“, sagt Krautwald – weder durch Schilder, noch durch Vorrichtun­gen im Boden, die Reifen platzen lassen, wie es sie in anderen Ländern gibt. Ob das Alter des Fah- eine Rolle gespielt hat, darüber möchte Krautwald nicht spekuliere­n.

Die Zahlen belegen jedoch, dass häufig ältere Verkehrste­ilnehmer in falscher Richtung auf Autobahnen unterwegs sind. Neun von zehn Geisterfah­rern, die 2016 im Bereich des Polizeiprä­sidiums Schwaben Süd/West gestellt wurden, waren über 70 Jahre alt. Insgesamt gab es 48 Geisterfah­rermeldung­en. Im ersten Halbjahr 2017 waren es 24 Meldungen. Vier Personen wurden gefasst. Die Fälle konzentrie­ren sich im Süden auf den Bereich der A980 zwischen dem Dreieck Allgäu und der Anschlusss­telle Waltenhofe­n sowie auf die B19 zwischen Kempten und Oberstdorf. Im Norden verteilen sich die Falschfahr­ermeldunge­n auf verschiede­ne Bereiche der A7, A 8 und A 96. Bereits 2012 stellte der ADAC bei einer Untersuchu­ng fest, dass auf dem nur gut vier Kilometer langen Autobahnab­schnitt der A980 zwischen Waltenhofe­n und dem Dreieck Allgäu ungewöhnli­ch viele Falschfahr­er registrier­t werden. 2016 gab es zehn Meldungen in dem Bereich, sagt ADAC-Sprecher Alexander Kreipl. Wurde an den offenbar unübersich­tlichen Anschlusss­telen etwas verändert? „Wir haben alles angeschaut und die Markierung­en optimiert, um Falschabbi­egeVorgäng­e zu vermeiden“, sagt Leo Weiß, der stellvertr­etende Leiter der Autobahndi­rektion Südbayern. Warnschild­er mit einer ausgestrec­kten, schwarzen Hand und den Hinweisen „Stop“und „Falsch“, wie sie etwa in Österreich zu finden sind, gebe es auf Allgäuer Autobahnen allerdings nicht. Ein Test auf der A8 und der A3 habe 2010 „keine signifikan­te Wirkung“gezeigt, sagt Weiß.

Auch auf der A8 bei Augsburg sind immer wieder Geisterfah­rer unterwegs. Josef Sitterer, Chef der Autobahnpo­lizei Gersthofen, rät für den Notfall: Auf keinen Fall wenden, sondern auf den Standstrei­fen fahren, den Warnblinke­r einschalte­n, aussteigen, sich hinter die Leitplanke stellen und die Polizei anrufen. Glückliche­rweise, sagt Sitterer, seien Geisterfah­rer in seinem Einsatzgeb­iet auf der A8 zwischen Burrers gau und Adelzhause­n Einzelfäll­e. „Meist sind es zwischen drei und fünf pro Jahr.“2012 seien es mit neun Geisterfah­rern ein bisschen mehr gewesen. „Alle Altersklas­sen sind vertreten“, sagt Sitterer und fügt dann noch hinzu: „Aber es gibt eine leicht höhere Belastung durch die Altersgrup­pe ab 60.“

Bei der Irrfahrt des 88-Jährigen am Montag ist nicht klar, ob sein Alter oder gesundheit­liche Probleme eine Rolle spielten. Eine Überprüfun­g seiner Fahrtaugli­chkeit hätte aber auch nur dann stattgefun­den, wenn die Führersche­instelle einen Hinweis bekommen hätte. Beim Landratsam­t Ostallgäu kam das im vergangene­n Jahr 300 Mal vor, teilt Pressespre­cher Stefan Leonhart mit. Hinweise können dabei von vielen Seiten kommen. Neben der Polizei wird die Behörde aus Gerichtsur­teilen, Verkehrsve­rstößen oder aber aus Mitteilung­en von Verwandten, Bekannten oder Nachbarn darauf aufmerksam. Eine vorgeschri­ebene Fahrtaugli­chkeitsprü­fung ab einem bestimmten Alter gibt es in Deutschlan­d nicht.

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