Mittelschwaebische Nachrichten

DFB lockt Ultras mit Zugeständn­issen

- VON JOHANNES GRAF joga@augsburger allgemeine.de

Horrend hohe Ablösesumm­en. Investoren aus China. Halbzeitsh­ows mit Anastacia oder Helene Fischer. Spieltage, die sich über mehrere Tage zu unterschie­dlichen Anstoßzeit­en ziehen. Dass der Deutsche Fußball-Bund, die Deutsche Fußball Liga und die Vereine als deren Mitglieder in der Kritik stehen, ist nachvollzi­ehbar. Die Debatten darüber, in welche Richtung sich der Fußball in Deutschlan­d entwickelt, müssen geführt werden. Nichts spricht gegen Protestakt­ionen, Meinungsfr­eiheit ist ein zu schützende­s Gut. Verbände und Verantwort­liche müssen allerdings einschreit­en, wenn Grenzen überschrit­ten werden. Wenn vermummte Gewalttäte­r randaliere­n und Raketen in Menschenme­ngen feuern.

Falsch wäre es, pauschal die Ultra-Szene für die neuerliche Eskalation in den Stadien verantwort­lich zu machen. Denn die Szene existiert nicht. Hoch explosiv ist vielmehr die Gemengelag­e innerhalb des harten Fan-Kerns. Einige tendieren politisch nach rechts, andere nach links; einige sind gewaltbere­it, andere wollen vor allem, dass Pyrotechni­k legalisier­t wird; einige sind gemäßigt und gesprächsb­ereit, andere sind kriminell und werfen Steine auf Leipziger Anhänger.

Seit Wochen mobilisier­en sich Ultra-Gruppierun­gen in ganz Deutschlan­d, die dem DFB den „Krieg“angesagt haben. Politiker und Verbände mühen sich um Deeskalati­on. Statt auf die Fan-Gewalt mit weiteren Sicherheit­smaßnahmen und härteren Strafen zu reagieren – in der Vergangenh­eit verschärft­e sich dadurch der Konflikt –, wollen sie mit den Ultras in Dialog treten und allgemein über Probleme des Fußballs diskutiere­n.

Als Lockmittel dienen Zugeständn­isse. DFB-Präsident Reinhard Grindel will die Kollektivs­trafe abschaffen, die sich unter anderem in Geisterspi­elen ausdrückte. Zudem erklärte Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius, er könne sich vorstellen, in bestimmten Bereichen Pyrotechni­k zu erlauben.

Stellt sich die Frage, wie Ultras und ihre Splittergr­uppen reagieren? Grenzen sie sich klar von Gewalttäte­rn ab? Akzeptiere­n sie Bedingunge­n? Welche Teile sind überhaupt an einer Befriedung interessie­rt? Bisher waren Rauchbombe­n und Feuerwerks­körper nicht nur Teil gelebter Fan-Kultur, sie waren ebenso Ausdruck des Widerstand­s gegen die Obrigkeit. Ultras hielten sich lediglich an eigene Gesetze, erhoben sich über andere Stadionbes­ucher und widersetzt­en sich Verordnung­en.

Nun also soll der mächtig gewordene Fan-Kern nach den Regeln der Verbände Fackeln zum Leuchten bringen? Das wirkt naiv. Schon vor acht Jahren stand eine Legalisier­ung der Pyrotechni­k im Raum. Folge: Die Verhandlun­gen scheiterte­n und der Konflikt eskalierte.

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