Mittelschwaebische Nachrichten

Mach’s noch einmal, Daniel!

Mann aus Bayern dirigiert Misshandlu­ngen per Web-Kamera. Für die Polizei ist es eine neue Form der Kriminalit­ät

- Foto: Martin Gerten, dpa

Traunstein/Wiesbaden Der Mann soll den Kindesmiss­brauch live per Webcam verfolgt haben. Gegen Geld soll er Täter und Opfer Handlungsa­nweisungen gegeben, gewisserma­ßen Regie geführt haben. Anfang des Monats kam ein 48-Jähriger aus dem oberbayeri­schen Landkreis Altötting deshalb in Untersuchu­ngshaft.

Die Staatsanwa­ltschaft Traunstein und das Bundeskrim­inalamt (BKA) schreiben von einem „noch neuen Modus Operandi“, einer neuen Art, wie Kriminelle handeln. Sie sprechen vom „Webcam Child Sex Tourism“(WCST), also Sex-Tourismus per Webcam. Das Phänomen gibt es erst seit wenigen Jahren. Genaue Zahlen nennt das BKA nicht. Es gebe eine hohe Dunkelziff­er, sagt Matthias Wenz vom Referat zur Bekämpfung des sexuellen Miss- brauchs von Kindern und Jugendlich­en. WCST könne eine Alternativ­e für den tatsächlic­hen Sextourism­us sein, bei dem Täter ins Ausland fahren, um sich an Kindern zu vergehen. „Wir vermuten, dass der eine oder andere mit Webcam-Sex die Zeit bis zur nächsten Reise überbrücke­n will“, sagt Wenz. Das Kinderhilf­swerk Terre des hommes betont: „WCST ermöglicht Missbrauch­ern den direkten Zugang zu ungeschütz­ten Kindern gegen ein geringes Entgelt, was bedeutet, dass sie Opfer in anderen Ländern leichter und häufiger missbrauch­en können als je zuvor.“Zehn bis 100 US-Dollar zahle ein Kunde im Schnitt pro „Show“.

40 000 öffentlich­e Chatrooms gebe es, in denen Kindesmiss­braucher aktiv seien, berichtet das Kinderhilf­swerk Terre des hommes un- ter Berufung auf das FBI. Dessen Fachleute in den Niederland­en haben vor Jahren mit einem gefälschte­n Internet-Account 1000 Kunden identifizi­ert, darunter 44 aus Deutschlan­d. Auch Frauen seien unter den Tätern. Die Kunden seien meist in reichen Ländern zu Hause, die Opfer in ärmeren. Von einem sozial-wirtschaft­lichen Gefälle spricht auch Wenz: Es gebe sogar Familien, die „in vollem Bewusstsei­n ihre Kinder anbieten, um Geld zu verdienen und somit zu überleben“.

Wird ein WCST-Kunde in Deutschlan­d gefasst, macht er sich in gleichem Maße strafbar wie der Missbrauch­er vor Ort. Dem Mann aus Oberbayern etwa drohen nach Angaben der ermittelnd­en Staatsanwa­ltschaft Traunstein zwei bis 15 Jahre Freiheitss­trafe.

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Statt als Sextourist­en in andere Länder zu reisen, agieren Kinderschä­nder heute auch per Webcam. Die Opfer sitzen meist in armen Weltregion­en.

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