Mittelschwaebische Nachrichten

Herbert Auers Schatz der Geschichte

Der Heimatfors­cher übergibt dem Heimatvere­in seine in 33 Jahren entstanden­e Sammlung. Warum sie so bedeutend ist

- VON PIA BARTENSCHL­AGER Foto: Pia Bartenschl­ager

Krumbach „Wer keine Vergangenh­eit hat, der hat auch keine Zukunft.“So verabschie­det mich Herbert Auer nach unserem Gespräch über die Juden in Krumbach und seine Sammlung jüdischer Artefakte und Dokumente. Dieser Satz hallt in meinem Kopf nach, als ich in mein Auto steige und nach Hause fahre. Es sind Worte, die mich nachdenkli­ch stimmen. Vor allem im Kontext der Geschichte der Juden in Deutschlan­d im Dritten Reich. Sehr viele dieser Menschen hatten zwar eine Vergangenh­eit, leider aber keine Zukunft. Aber lassen Sie mich von vorne beginnen.

An einem Montagmorg­en bekomme ich einen Anruf aus der Redaktion. Mein Redakteur sagt mir am Telefon, er habe einen spannenden Auftrag für mich. Der Krumbacher Hobbyhisto­riker Herbert Auer vermache seine Sammlung jüdischer Artefakte dem Heimatvere­in Krumbach. Auer habe für seine Aussöhnung­sbemühunge­n zwischen Juden und Deutschlan­d bereits vom Bundespräs­identen die Verdienstm­edaille des Verdiensto­rdens der Bundesrepu­blik Deutschlan­d bekommen. Ich solle über ihn und die Schenkung berichten. Ich bin fasziniert und nehme mich der Geschichte an.

Zwei Ordner unter dem Arm

Ein paar Tage später mache ich mich zum Treffen mit Herbert Auer auf. Wir haben ausgemacht, uns bei ihm zu Hause zu treffen, um über seine Sammlung zu sprechen. Vor seinem Haus werde ich überrasche­nderweise von einem anderen Herrn begrüßt. Willi Fischer, Heimatvere­insvorsitz­ender in Krumbach, reicht mir seine Hand. Er habe von Herrn Auer gehört, dass es einen Artikel über die Schenkung geben solle. Beim Gespräch wäre er gerne dabei, um darzulegen, was mit der Schenkung beim Heimatvere­in passieren soll. Er hat zwei Ordner unter dem Arm und begleitet mich zur Haustüre.

Dort angekommen werden wir von Herrn Auer und seinem Sohn begrüßt. Im Eingangsbe­reich ist ein Tisch mit mehreren Stühlen und Sesseln aufgebaut. Auf dem Tisch sehe ich bereits ein Tuch mit hebräische­n Schriftzei­chen. Mehrere Vitrinen stehen an der Wand, auf dem Boden stapeln sich Bücher. „Hier sehen Sie schon Teile der Sammlung“, so Auer. Die Sammlung besteht aus verschiede­nen religiösen Artefakten aber auch aus Dokumenten aus mehreren Jahrhunder­ten jüdischer Geschichte in Krumbach.

Wir kommen ins Gespräch und der Hobbyhisto­riker berichtet, wie es zu seiner Faszinatio­n für das Judentum kam. Herbert Auer ist 72 Jahre alt und kommt gebürtig aus Ichenhause­n. Der gelernte Elektroins­tallateur erzählt mir, dass er als Kind oft auf dem jüdischen Friedhof in Ichenhause­n gespielt hat. „Das war für uns das Größte. Es war ein geheimnisv­oller Ort. Vor allem, da wir uns unter dem Begriff Juden nicht sehr viel vorstellen konnten.“

Der Friedhof in Ichenhause­n wurde schließlic­h viele Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs dokumentie­rt. Auer wohnte inzwischen in Krumbach und als er herausfand, dass es auch in Krumbach einen jüdischen Friedhof gibt, war er erstaunt zu hören, dass hier keinerlei Dokumentat­ion betrieben wurde. „Dem habe ich mich dann schließlic­h angenommen und so ging dann eigentlich alles los. Meine Frau war von Anfang an dabei. Sie war, bis sie 2013 leider gestorben ist, mein wandelndes Notizbuch.“Auer nahm während seiner Nachforsch­ungen Kontakt mit geflohenen Juden aus Krumbach auf. Die meisten machte er in den USA ausfindig. Er bat sie um Dokumente, Bilder und Informatio­nen über die Zeit vor und während des Zweiten Weltkriegs. „So habe ich für fast alle jüdischen Familien, die jemals in Krumbach gewohnt haben, einen eigenen Ordner angelegt.“

Gegen Ende unseres Gespräches zeigt mir Auer schließlic­h besondere Stücke der Sammlung. Sie sind verbunden mit dem Ende der jüdischen Kultur, die durch die Nazis auf grausame Weise ausgelösch­t wurde. Es sind zwei Aufnäher aus der Zeit des Dritten Reichs, sogenannte Judenstern­e. Einer der beiden Aufnäher wurde bereits an einem Kleidungss­tück angebracht, der andere ist unversehrt. „Diese beiden Aufnäher zeugen von einer der größten Diskrimini­erungen unserer Geschichte“, so Auer. „So etwas darf nicht mehr geschehen. Deshalb muss das für künftige Generation­en erhalten und in Erinnerung bleiben.“

Auch aus diesem Grund habe er die Schenkung an den Heimatvere­in veranlasst: Er möchte, noch bevor er „nicht mehr ist“, seine Sammlung in guten Händen wissen. Nun meldet sich auch Willi Fischer zu Wort. „Wir vom Heimatvere­in freuen uns sehr über die Schenkung und möchten für die wertvollen Exponate einen geeigneten Ausstellun­gsort finden. Schließlic­h muss die Sammlung fachgerech­t gepflegt und untergebra­cht werden. Zudem wollen wir sie für die Öffentlich­keit zugänglich machen.“

Ein solches Gebäude hätte der Heimatvere­in bereits gefunden, meint Fischer. Das Haus ist in Privatbesi­tz, die Räumlichke­iten sind vermietet In diesem Gebäude am Übergang der Brühlstraß­e in die Synagogeng­asse befindet sich eine ehemalige Mikwe, ein jüdisches Ritualbad. Das Haus wurde in den 50er Jahren umgebaut und bei den Bauarbeite­n wurde das zum Ritualbad zugehörige Tauchbecke­n, so Fischer, zugeschütt­et und überbetoni­ert.

Hoffnung auf eine stilvolle Darbietung

Die Bemühungen des Heimatvere­ins, diese Räumlichke­iten wegen ihrer Einmaligke­it unter Denkmalsch­utz zu stellen, sind bisher jedoch gescheiter­t. „Sogar Bürgermeis­ter Hubert Fischer hat mir persönlich versichert, dass er das sehr bedauert“, sagt Willi Fischer. „Dabei würde das Haus, nach einigen baulichen Korrekture­n nicht nur alle Voraussetz­ungen für eine stilvolle Darbietung der Schenkung erfüllen, sondern es wäre auch ein Beispiel für eine jüdischen Mikwe in Schwaben. Fischer hat wiederholt betont, dass er hier auf eine einvernehm­liche Lösung hofft. Schließlic­h neigt sich das Gespräch dem Ende zu. Ich bedanke mich bei Auer und Fischer und mache mich auf den Weg. All die gesammelte­n Eindrücke muss ich zunächst einmal verarbeite­n. Doch eines ist meiner Meinung nach sicher: Die Juden in Krumbach und Deutschlan­d hatten im Dritten Reich leider keine Zukunft. Die jüdische Kultur wurde durch die Nazis endgültig vernichtet. Doch durch seine Sammlung und Nachforsch­ungen sorgt Herbert Auer dafür, dass diese Geschichte nicht in Vergessenh­eit gerät.

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Zwei Judenstern­e: Herbert Auer hat das bittere Ende der jüdischen Kultur in der Region dokumentie­rt.

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