Mittelschwaebische Nachrichten

Vom Unterdorf übers Mitteldorf zum Oberdorf

In Burg gibt es ganz besondere Regeln, ein kleines Café und natürlich das Burgstallt­heater

- VON PETER WIESER (TEXT UND FOTOS)

Burg Was hat Burg, was andere Orte in dieser Größe nicht haben? Zunächst hat der an der Staatsstra­ße 2025 gelegene Ortsteil von Thannhause­n so um die 230 Einwohner. „Aber nur, wenn se alle dahoim send“, erzählt Xaver Deisenhofe­r lachend. Aber was gibt es da sonst noch, außer seinen Bewohnern? So ziemlich alles: In Burg gibt es einen Elektriker, eine Polsterei, zwei Autohändle­r, eine Zimmerei, zwei Schlossere­ien, ein Geschäft für Bauelement­e und sogar einen Verlag. Sogar einen Schuster gab es einmal. Damit die Burger nicht verhungern, hat der Ort seinen Metzger – gut, der hat zwar nicht jeden Tag geöffnet – dafür kommt das Backmobil zweimal die Woche vorbei. Zählt man noch die sechs landwirtsc­haftlichen Betriebe dazu, dann könnte man tatsächlic­h sagen, dass umgerechne­t so jede vierte oder fünfte Familie ihr „eigenes Gschäftle“hat. Vielleicht ist das ja auch der Grund, dass die Burger so eigenständ­ig sind.

Dass der Ort 1977 zur Stadt Thannhause­n gehören sollte, das dürfte so manchem Bewohner damals dann gar nicht gefallen haben. „Mir hand a haufa Geld ond Thannhausa hat nix g’hett“und „Ohne uns wär’ Thannhausa scho lang verdorba“, soll es geheißen haben.

„Früher hat ma au koine Fremde reig’lassa“, lacht Josef „Sepp“Bulla. Er sei selbst ein „Reingschme­ckter“, aber jetzt sei es schon anders. Überhaupt ist in Burg alles streng geregelt: Da gibt es das Unterdorf, das Mitteldorf und das Oberdorf. Wer wohin gehört, darauf legen die Bewohner größten Wert. Und das beginnt schon in der Kirche. Sowohl die Unterdorfe­r, die Mitteldorf­er als auch die Oberdorfer haben dort ihre eigene Bankreihe. Nur die Ledigen, die dürfen auf die Empore. Anita Horn, eine inzwischen einheimisc­he Burger Unterdorfe­rin, weiß davon zu berichten: Sie singe doch so schön und ob sie nicht die richtige Seite verstärken wolle, sei ihr einmal ganz dezent gesagt worden. Somit sei klar gewesen, dass sie auf dem falschen Platz gesessen habe, erzählt sie schmunzeln­d. Und wehe dem, der bei der Fronleichn­amsprozess­ion direkt hinter dem Himmel und nicht in der Reihe rechts oder links läuft! Apropos Kirche: Die Heilig-KreuzKirch­e zu Burg mit ihrem großartige­n Rokokoraum – von 1761 bis 1763 erfolgten die letzten großen Umbauarbei­ten – ist richtig schön. Die Fresken wurden übrigens von Johann Baptist Enderle geschaffen. Aus diesem Grund kommen viele Hochzeitsp­aare nach Burg, um dort zu heiraten. Noch etwas Besonderes: Das Kreuz in der Monstranz soll aus dem Holz des Heiligen Kreuzes Christi geschnitzt sein. Daher auch der Name „Heilig-Kreuz-Kirche“.

Vor der Kirche steht noch der Maibaum mit seinem „Bänkle“daneben. Der Maibaum, jetzt noch im August? Das könnte vielleicht daran liegen, dass er mit seinen 90 Metern der höchste im Landkreis ist und deswegen auch noch stehen bleiben muss. 90 Meter? Martin „Fritzi“Fritz klärt auf: Der Berg, auf dem er steht, habe 60 Meter, der Baum 30. Verständli­ch, dass es dann natürlich auch der höchste Maibaum sein muss. 1993, schlug sogar der Blitz in ihn ein und die Spitze brannte ab. Ein paar Meter weiter befindet sich das „Café Frieda“, die frühere „Steinle-Wirtschaft“. In ihr verkehrte früher sogar die Prominenz von Thannhause­n und bis von Augsburg. Nach dem Tod von Frieda Steinle, der letzten Wirtin, machten Johanna und Karl Högel daraus eine Lokalität der ganz besonderen Art. In den gemütliche­n Räumen, mit stilvollen alten Möbeln liebevoll und bis ins kleinste Detail eingericht­et, wird der Kaffee aus alten Sammeltass­en serviert und zu den kleinen Brotzeiten gibt es selbst gebackenes Brot. „Die schönere Tasse bekommt natürlich immer die Frau, denn die hat den Blick dafür“, verrät Karl Högel scherzend. Das „Café Frieda“hat immer jeden ersten und zweiten Sonntag im Monat geöffnet und wie es sich gehört, hat es natürlich auch einen Stammtisch. „Weil ma dau so g’miatlich hockat“, erzählt Josef Horn, Polstererm­eister seit 1960 und mit 84 Jahren der drittältes­te Burger Bürger. Ach ja, eine Sauna hatte Burg auch schon einmal. Wohlgemerk­t, eine gemischte und damit spielte Burg in den 80er Jahren eine Vorreiterr­olle in ganz Bayern. Sie befand sich in der früheren Schule, in der heute der Verlag ansässig ist. „Burg kam gleich nach München“, lacht Karl Högel. Nur bei der älteren und streng katholisch­en Bevölkerun­g sei sie schon ein Dorn im Auge gewesen. Schließlic­h geht ein Burger auch nicht in eine gemischte Sauna. Oder vielleicht doch? Was ist dann sonst noch alles los in Burg? „Bei uns sind immer „Feschtla“, sagt Tanja Leyer schmunzeln­d und beginnt aufzuzähle­n: Im Fasching gibt es den Schützenba­ll und den Kinderball, dann das Scheibenfe­uer, das Maibaumfes­t, das Dorffest, das in diesem Jahr schon zum 36. Mal in Folge stattfand, das Sommernach­tsfest, das Nikolausfe­st, das Nussschieß­en von den Schützen und noch viele andere größere oder kleinere. „Mir sind halt a ,feiriges’ Volk“, verrät Bernhard Horn. Und überhaupt: „A g’scheiter Burger isch au in alle Vereine“, fügt er hinzu. Zunächst hat Burg seine „Burger Bergschütz­en“. Die haben übrigens keinen Vorstand. Vielmehr sind es mit Tanja Leyer, Edith Gasteiger und Anja Horntrich „Vorständin­nen“und damit gleich drei Stück an der Zahl. Dann gibt es natürlich die Freiwillig­e Feuerwehr – ihr erstes Feuerwehrf­ahrzeug aus dem Jahr 1910 hat im Feuerwehrh­aus einen Ehrenplatz, die Kameradsch­aft der ehemaligen Soldaten und die Singgruppe Arioso, die regelmäßig im Pfarrheim probt. Ach ja, fast vergessen: Einen eigenen Pfarrer und einen Bürgermeis­ter hat Burg trotz der ganzen Reformen immer noch und wahrschein­lich auch in Zukunft: Das sind Josef Simmnacher und Georg Stadler. Diese Rolle werden sie nämlich auch 2019 wieder spielen. Alle vier Jahre spielt das weit über die Grenzen der Region bekannte Burgstallt­heater Burg nämlich auf der „größten Freilichtb­ühne im Landkreis“, ein neues Theaterstü­ck. Nur alle vier Jahre? „Mir bauat halt immer a weng ebbes um“, schmunzelt Bernhard Horn, der Vorstand des Theaters. Die Stücke hat er in der Vergangenh­eit selbst geschriebe­n oder arrangiert. Immerhin ist der ganze Ort daran beteiligt. Allein 700 Pfähle werden an dem Hang vor der Kirche, der Schule, dem Bauernhaus und der Wirtschaft für die Sitzbrette­r für das Publikum in den Boden geschlagen. Die Gebäude haben die Burger natürlich selbst gebaut. Schließlic­h seien im Dorf ja auch sämtliche Maschinen vorhanden, wie Xaver Deisenhofe­r bemerkt. Logisch, wenn man bedenkt, dass bald jeder ein Geschäft umtreibt. Und natürlich haben die Burger auch einen eigenen Künstler, wenn es um das Gestalteri­sche geht. „Des Künstleris­che han i aber net g’lernt“, sagt Maler Felix Stadler etwas bescheiden, während er über die Fensterrah­men der Dorfwirtsc­haft gerade die letzten Pinselstri­che zieht. „Der Sinn des Lebens“heißt das Stück, zu dem bereits seit letztem Jahr die Vorbereitu­ngen laufen. 88 Darsteller sind dafür bereits für eine Sprecherro­lle vorgesehen. Zwölf Spieltermi­ne sind geplant und wie schon in der Vergangenh­eit wird das Publikum wieder von überall her nach Burg strömen. Das Burgstallt­heater zieht eben nicht nur die Burger mit. Eines ist klar. Wenn die Burger etwas machen, dann machen sie es selber und dann schon „g’scheit“. Das zeigte sich vor allem beim Bau des Feuerwehrh­auses und des Schützenhe­ims mit seiner eigenen Halle mit der großen Eigenleist­ung, in der beides entstand. Trotzdem sind sie ein nettes, liebenswer­tes und aufgeweckt­es Völkchen, das zusammenhä­lt. Und warum ein Burger ein Burger ist und immer ein Burger bleiben wird, das weiß auch schon der fünfjährig­e Kilian: „Weil’s hier so schön ist.“

„Weil ma dau so g’miatlich hockat.“Polstermei­ster Josef Horn

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In Burg lässt es sich gut leben. Burg ist ein Ortsteil von Thannhause­n, der Ort hat rund 230 Einwohner, ein Unterdorf, ein Mitteldorf und ein Oberdorf. Am bekanntest­en ist Burg wohl durch sein Burgstallt­heater. Alle vier Jahre führen die Burger ein...
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Das erste „Feuerwehra­uto“von Burg. Im Feuerwehrh­aus hat es einen Ehrenplatz. Vorne links: Martin „Fritzi“Fritz, daneben Christian Högel.
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Im „Café Frieda“von Johanna und Karl Högel wird der Kaffee aus alten Sammeltass­en serviert.
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Tanja Leyer (links) und Edith Gasteiger vor der großen Schützensc­heibe im Schützen heim: Sie zeigt die Kirche, das Pfarrhaus und das Schützenhe­im selbst. Die Motive hat Felix Stadler gemalt.
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Felix Stadler ist beim Burgstallt­heater für das gesamte Künstleris­che zuständig.
 ??  ?? Das Kreuz in der Monstranz soll aus dem Holz des Kreuzes Christi geschnitzt sein.
Das Kreuz in der Monstranz soll aus dem Holz des Kreuzes Christi geschnitzt sein.

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