Mittelschwaebische Nachrichten

Dr. Donald und Mister Trump

Der Mann mit den zwei Gesichtern: Erst erhielt der US-Präsident für seine Verhältnis­se viel Lob für seine bedächtige Rede an die Nation. Vor seinen Anhängern schaltet er teils härter denn je auf Attacke um. Kämpft Trump schon jetzt um sein Amt?

- Martin Bialecki, dpa

Phoenix Es ist nur 25 Stunden her, dass Trump eine beachtlich­e Rede an die Nation hielt, in den Mantel präsidiale­r Würde gehüllt, in deren Verlauf er fast 30 Minuten konzentrie­rt einem Gedanken folgte. Zwischen Fort Myer in Virginia und Phoenix in Arizona liegen indes nicht nur 3182 Kilometer, sondern eine ganze Welt. Hier der Präsident. Dort der Wahlkämpfe­r. In der Nacht zum Mittwoch gibt Trump dem Affen in Phoenix Zucker. Einmal mehr, und nicht zu knapp.

Dies war kein präsidiale­r Auftritt, Trump ist bereits im Wahlkampf, hat ihn eigentlich nie beendet. In der Halle von Phoenix kann er der Rockstar sein ohne all die Lästigkeit­en und Bürden des Amtes. Trump blendet die Rolle des Präsidente­n einfach aus. Er badet im Applaus, schließt sich an die Basis an, saugt Energie aus den Sprechchör­en. Ein gegenseiti­ges Aufladen.

Trump tritt bei solchen Kundgebung­en auf wie jemand, den sie in den USA „third party candidate“nennen. Ein Unabhängig­er, ein Kandidat ohne Partei. Das ist einerseits kurios, angesichts der republikan­ischen Partei, auf deren gebeugtem Rücken er ins Weiße Haus kam. Anderersei­ts setzt Trump systematis­ch genau das fort, was er 2016 be- gonnen hat. Er gibt den Volkstribu­n, den Außenseite­r, den ungehobelt populistis­chen „Endlichsag­t’s-mal-Jemand“, wie ihn viele Leute lieben. Als hätte der Wahlkämpfe­r auf der Bühne nichts mit dem regierende­n Präsident in Washington zu tun.

Trump beginnt seine Rede zurückhalt­end, noch ahnt man den Präsidente­n. Er erinnert daran, wie er noch am Vortag zur Einheit aufgerufen hatte – und alles hätte so friedlich weitergehe­n können. Aber für staatstrag­ende Worte war Trump nicht nach Phoenix gekommen, er streift das Präsidente­nhafte rasch ab. Es beginnt ein erstaunlic­her Freiflug durch die Fakten.

Minutenlan­g wiederholt Trump seine Position zu Rassisten und Neonazis in den USA. Scheinbar angefasst, beleidigt. Tut so, als habe er nach den gewalttäti­gen Zusammenst­ößen bei einer Rassistend­emo in Charlottes­ville sofort und sehr eindeutig reagiert, auch den Ku-KluxKlan und andere Ultrarecht­e abgelehnt.

„Perfekt“seien seine Worte zu Charlottes­ville gewesen, von Beginn an, sagt Trump. Dabei war er für seine als verharmlos­end wahrgenomm­ene Reaktion auf Charlottes­ville besonders auch in den eigenen Republikan­er-Reihen scharf kritisiert worden. Er hatte die Gewalt, bei der eine Frau von einem mutmaßlich­en Rechtsextr­emen mit einem Auto getötet worden war, „vielen Seiten“zugesproch­en. Er nannte Neonazis und Rassisten erst Tage später beim Namen, um danach wieder auf seine ursprüngli­che Reaktion zurückzufa­llen. Was Trump in Phoenix behauptet, stimmt ob- jektiv nicht. Der Präsident sagt schlicht nicht die Wahrheit.

Es sei alles nur die Schuld der Medien, sagt Trump, den selten großen Sturm des Protests aus der Gesellscha­ft nach Charlottes­ville ignorieren­d. Doch dass Trump bei Veranstalt­ungen wie diesen auf den Medien herumhackt, ist mittlerwei­le Standard. Doch in Phoenix geht er noch weiter: Er sprach Journalist­en die Liebe zu ihrem Land ab; das ist gerade in Amerika starker Tobak. „Die Reporter mögen unser Land nicht.“So viele Lügen, sagt Trump. Da nur so wenige angemessen berichtete­n, brauche er seine eigenen Kanäle in den sozialen Medien. „Die einzigen, die Hassgruppe­n eine Plattform bieten, sind die Medien und die Fake-News-Medien“, sagt Trump, der ein ganzes Drittel seiner Redezeit der Mediensche­lte widmet. „Sie erfinden Geschichte­n, in vielen Fällen haben sie keine Quellen.“Dann behauptet der Präsident, verächtlic­h abwinkend und kopfschütt­elnd, die Kameras hinten in der Halle würden gerade ausgeschal­tet, weil er sich so kritisch äußere, „seht, wie die roten Lichter ausgehen“. Natürlich senden alle Sender weiterhin live.

Weiter geht es mit der Trump’schen Sicht der Dinge: Nur ganz wenige Protestler seien vor der Halle. Im echten Leben waren es tausende, sagt die Polizei. Trump weist den Vorwurf zurück, das Land zu spalten: „Unsere Bewegung ist eine Bewegung, die auf Liebe aufgebaut ist“, sagt er.

Trump hat schlechte Tage und reichlich Nackenschl­äge hinter sich. Zuletzt machten ihm auch schlechte Umfragewer­te aus Bundesstaa­ten zu schaffen, die für seine Wahl zum Präsidente­n entscheide­nd waren: Michigan, Pennsylvan­ia und Wisconsin. Wenn ein Schnitt von nur noch 35 Prozent Zustimmung­srate Ausdruck beginnende­r Entfremdun­g mit der Basis ist, muss der Präsident wohl dringend auf Wahlkämpfe­r umschalten.

Im November 2016 wählte Arizona Trump mit 49 Prozent. Jetzt im August liegt seine Zustimmung dort bei 42 Prozent – möglicherw­eise zu wenig für einen Wahlsieg. Trump setzt auf sein altes Wahlkampft­hema, die Mauer zu Mexiko: Garantiert werde er im Herbst den Kongress dichtmache­n, wenn der das Gesetz mit den entspreche­nden Geldern nicht freigebe, sagt er. Das werden auch die Republikan­er mit Interesse gehört haben.

Trump begeistert seine Anhänger mit Verächtlic­hem über die Demokraten, Attacken gegen Nordkorea und das bestehende Gesundheit­ssystem. „Amerika zuerst“ruft er, badet reichlich in Selbstlob. Es ist das übliche Muster. Doch selbst der mächtige republikan­ische Mehrheitsf­ührer im Senat, Mitch McConnell, sagt laut New York Times, er sei nicht sicher, ob Trump seine Präsidents­chaft werde retten können. Doch hier in Phoenix wirkt Trump mehr denn je entschloss­en, mit allen Mitteln um seine Präsidents­chaft und seine Wiederwahl zu kämpfen.

„Unsere Bewegung ist eine Bewegung, die auf Liebe aufgebaut ist.“Donald Trump über seine Anhänger

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Foto: Alex Brandon, dpa Donald Trump vor seinen Anhängern in Phoenix: Seine Worte nach Charlottes­ville seien „perfekt“gewesen, meint der US Präsident.
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Foto: dpa Russische Soldaten üben mit einem Ra ketenwerfe­r nahe Wolgograd.

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