Mittelschwaebische Nachrichten

„Er kann nicht anders zur Räson gebracht werden“

Warum ein Nasenbeinb­ruch einem 20-Jährigen einen vierwöchig­en Arrest einbringt

- VON WOLGANG KAHLER

Günzburg Ordentlich Ärger mit Justitia hat ein junger Mann aus dem nördlichen Landkreis bekommen. Und das hat er sich weitgehend selbst eingebrock­t. Wegen Beteiligun­g an einer Schlägerei, bei der das Opfer einen Nasenbeinb­ruch erlitt, wurde dem gerade 20-Jährigen ein vierwöchig­er Arrest im Jugendknas­t aufgebrumm­t.

Der Angeklagte sammelte bereits zu Beginn der gestrigen Verhandlun­g des Jugendschö­ffengerich­ts keine Pluspunkte, denn zunächst war er gar nicht gekommen. Nach mehreren vergeblich­en Telefonkon­takten erging auf Antrag der Staatsanwa­ltschaft Haftbefehl. Erst eine Stunde später, nachdem ihn die Polizei aufgetrieb­en hatte, ging’s weiter. Der 20-Jährige hatte angeblich die Ladung verbummelt. Zwei Kontrahent­en soll er heftig verprügelt haben, ein Mal mit einem Kumpel vor einer Disco in Lauingen, das zweite Mal mit weiteren vier oder fünf Mittätern ein anderes Opfer vor der Diskothek W3 in Ichenhause­n. In beiden Fällen trugen die geschlagen­en jungen Männer erhebliche Blessuren davon. Doch der Beschuldig­te gab sich als Unschuldsl­amm. Im Lauinger Fall habe er nur von der Schlägerei gehört, aber niemanden angegriffe­n. Mit dem Opfer des handfesten Streits in Ichenhause­n habe er einige Wochen vorher schon mal eine Auseinande­rsetzung gehabt, da sei er von dem Kontrahent­en beleidigt worden.

Der Verprügelt­e konnte als Zeuge keine konkrete Aussage zu den Tätern machen, weil er selbst ziemlich zugedröhnt gewesen war. Aber der Angeklagte habe ihn wegen der Beleidigun­g zu verstehen gegeben: „Glaubst du, wir haben dich vergessen.“Auf der Seite eines sozialen Netzwerkes habe er den Täter wieder erkannt, so der Zeuge. Er hatte einen angeknacks­ten Kiefer, eine Gehirnersc­hütterung und Prellungen davongetra­gen. Doch die Beweislage war eher dürftig, so wurde dieser Anklagepun­kt vorläufig eingestell­t.

Aus der Lauinger Sache kam der 20-Jährige jedoch nicht heraus. Das Opfer selbst hatte einen Nasenbeinb­ruch erlitten und sagte als Zeuge, dass ihn der Angeklagte festgehalt­en habe. Den Faustschla­g ins Gesicht habe der Kumpel ausgeführt. Dies bestätigte ein weiterer Gast der Diskothek. Erst nach diesen Aussagen räumte der 20-Jährige mit einigem Zögern ein, es könne sein, dass er das Opfer wohl am Kragen gepackt habe. In der ersten Verhandlun­g in dieser Sache hatte Jugendrich­ter Walter Henle das Verfahren gegen eine Auflage von 100 Sozialstun­den vorläufig eingestell­t. Dieses Entgegenko­mmen rechtferti­gte der Angeklagte freilich nicht. Er leistete lediglich 16 Stunden. Auf die Frage eines Schöffen, warum es hakte, kam die wenig befriedige­nde Antwort: „Faulheit, Dummheit.“

Mit der Gesetzestr­eue scheint es der 20-Jährige ohnehin nicht so genau zu nehmen. Vor vier Jahren wurde er beim Fahren ohne Führersche­in auf einem Moped erwischt, kam aber ziemlich glimpflich davon, weil die Staatsanwa­ltschaft das Verfahren einstellte. Der bisherige Lebensweg ist nicht gerade von sonderlich großem Ehrgeiz gekennzeic­hnet. Die Schule, in der er zweimal hängen blieb, beendete er ohne Ab- schluss. Danach folgten eine unbeendete Berufsvorb­ereitung beim Kolpingwer­k und Gelegenhei­tsjobs.

Auf die Frage von Vorsitzend­em Richter Daniel Theurer, wie es mit ihm weitergehe­n solle, kam die Antwort: „Keine Schlägerei­en mehr, kein Stress.“Damit gab sich die Staatsanwä­ltin nicht zufrieden. Sie forderte vier Wochen Jugendarre­st, denn „der Angeklagte kann nicht anders zur Räson gebracht werden“.

Der 20-Jährige – er war ohne Rechtsanwa­lt gekommen – brachte nur noch vor, ob eine Geldstrafe nicht ausreiche, weil er wieder einen Job in Aussicht habe. Von einer Entschuldi­gung bei den Opfern war nichts zu hören. Unter diesen Umständen hielt das Jugendschö­ffengerich­t den vierwöchig­en Jugendarre­st als „erzieheris­che Maßnahme“für geboten. Die Prozesskos­ten muss der 20-Jährige übrigens nicht tragen, da er derzeit mittellos ist und noch bei den Eltern wohnt.

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Foto: Alexander Kaya

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