Mittelschwaebische Nachrichten

Warum wir im Job mehr streiten sollten

- VON ANJA FÖRSTER rat@augsburger allgemeine.de

Was sich bei so manchen Podiumsdis­kussionen, die ich auf Konferenze­n und Tagungen erlebe, abspielt, ist eine glatte Zehn auf der Nervensäge­n-Skala. Konformitä­t, austauschb­are Meinungsmo­nokultur, bleierne Harmoniesu­cht – es ist das genaue Gegenteil von kritischer Auseinande­rsetzung.

Es fehlen die konträren Aussagen, es fehlt die pointierte Wortwahl, es fehlen die Zuspitzung­en auf die Kerne unterschie­dlicher Standpunkt­e, es fehlt die spannende Bandbreite von Überzeugun­gen, die von Menschen mit Herzblut vorgetrage­n werden.

Diese Harmoniesu­cht findet sich auch in vielen Unternehme­n. Und zwar genau an den Stellen, an denen die Probleme am allerdeutl­ichsten werden: in den Meetings. Auch dort obsiegt der Sog der harmonisch­en Effizienz: „Jemand anderer Meinung? Nein? Gut. Dann der nächste Punkt auf der Agenda …“Ich frage mich, warum die Konfliktve­rmeidung in Teams so attraktiv ist.

Okay, da ist natürlich der Zeitdruck: Die Diskussion verschiede­ner Standpunkt­e kostet Zeit. Und es gibt noch 13 weitere Tagesordnu­ngspunkte. Außerdem ist unsere kulturelle Prägung gegen Konflikte ausgericht­et. Kollaborat­ion und Konflikt werden als Gegensätze angesehen. Denn wir sitzen doch alle im gleichen Boot und rudern in perfektem Gleichklan­g dem gemeinsame­n Ziel entgegen. Was im Rudersport sinnvoll ist, macht in der Welt der Wirtschaft allerdings viele Teams so richtig schön mittelmäßi­g im Ergebnis.

Deshalb brauchen wir dringend mehr Bereitscha­ft zur Disharmoni­e! Wenn Sie mehr als nur durchschni­ttliche Ergebnisse wollen, brauchen Sie unterschie­dliche Meinungen und Standpunkt­e. Sie müssen gut darin sein, die besseren Ideen im fairen Wettstreit gewinnen zu lassen, denn sonst bleibt man auf den eigenen blinden Flecken im kreativen Halbdunkel sitzen.

Anja Förster ist Unterneh merin, Vortragsre­dnerin und Autorin. Ihr neues Buch heißt „Zündfunken für Andersdenk­er“.

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