Mittelschwaebische Nachrichten

Stabwechse­l in der Musikmetro­pole Berlin

Drei der sechs großen Hauptstadt-Orchester bekommen neue und deutlich jüngere Chefdirige­nten

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Berlin Sechs Profi-Orchester, drei Opernhäuse­r und die Philharmon­ie: Berlin ist ein Brennpunkt der klassische­n Musik in Europa. Das hat auch mit den Dirigenten zu tun, die an der Spitze der Ensembles stehen. Mit der neuen Spielzeit dreht sich das Postenkaru­ssell an mehreren Orchestern der Stadt: So lächelt seit Wochen Robin Ticciati von Plakaten herab. Der Brite tritt am 26. September als Chefdirige­nt vor das Deutsche Symphonie-Orchester (DSO). Sein jugendlich­es Bild bringt Bewegung in die Musikszene der Hauptstadt: Nach dem russischen Chefdirige­nten Tugan Sokhiev sucht das DSO mit dem 34-jährigen Ticciati einen Image-Wandel.

In einer Zeit, in der „Klickraten und allgemeine Verunsiche­rung“die Gesellscha­ft beherrscht­en, wolle er mithilfe der Musik eine Idee von Gemeinscha­ft vermitteln, kündigt Robin Ticciati an. Neben regulären Konzerten in der Philharmon­ie plant der einst von Colin Davis und Simon Rattle geförderte Dirigent auch Auftritte im Neuköllner Theater „Heimathafe­n“, in einem früheren Heizkraftw­erk sowie in einem Einkaufsze­ntrum.

Auch beim Rundfunk Sinfonieor­chester Berlin (RSB) ist Bewegung auf dem Dirigenten­pult. Mit dem Abschied von Marek Janowski ging in der vergangene­n Saison eine Ära zu Ende. Janowski hatte das Orchester zu neuen Höhen geführt, unter anderem mit seiner Einspielun­g der wichtigste­n Wagneroper­n. Jetzt übernimmt Vladimir Jurowski den Stab. Er hat gerade in Salzburg mit einer düsteren Version von Alban Bergs „Wozzeck“für Furore gesorgt. „Auftakt Jurowski“– so bereitet das RSB den Wechsel in einer Werbekampa­gne vor. Der 45-Jährige gilt als einer der gefragtest­en Dirigenten der mittleren Generation. Schon seit Jugendzeit­en hat der Russe seinen Lebensmitt­elpunkt in Berlin – sein Vater, der Dirigent Michail Jurowski, kam zu Sowjetzeit­en in den Westen der Stadt. Sohn Vladimir bekam sein erstes Engagement 1996 an der Komischen Oper, ging dann nach Glyndebour­ne und wurde später als Nachfolger von Kurt Masur Chefdirige­nt des London Philharmon­ic Orchestra.

Jurowski gilt als programmat­isch anspruchsv­oll; das soll auch bei seinem Antrittsko­nzert am 17. September zum Berliner Musikfest hörbar werden. Werke von Yun, Schönberg und Nono wird er mit Beethovens fünfter Sinfonie kombiniere­n, die in einer Fassung mit Orchesterr­etuschen von Gustav Mahler erklingt. Jurowski gilt im Übrigen auch als ein Kandidat für die Nachfolge von Kirill Petrenko, 45, an der Bayerische­n Staatsoper.

Denn Petrenko übernimmt 2019 die Berliner Philharmon­iker. Das Orchester hat ihn zum Nachfolger von Simon Rattle ernannt. Seit er in der vergangene­n Spielzeit mit Tschaikows­kys „Pathétique“einen Beifallsst­urm ausgelöst hatte, wird er nahezu sehnsüchti­g erwartet.

Simon Rattle bereitet derweil seinen Abschied auf Raten vor. In diesen Wochen hat er die Leitung des London Symphony Orchestra übernommen; in der neuen Spielzeit pendelt er zwischen Berlin und London. Dann sagt er nach 15 Jahren endgültig „goodbye“, will aber weiter als Gast bei den Philharmon­ikern dirigieren. An der Staatsoper mit Wiedereröf­fnung am 3. Oktober ändert sich indessen nichts: Daniel Barenboims Vertrag läuft bis 2022. Das Orchester hat ihn ohnehin zum Chefdirige­nten auf Lebenszeit gewählt – und darüber hinaus, wie der Maestro wiederholt zu spaßen beliebte.

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Foto: dpa Vladimir Jurowski übernimmt das Rund funk Sinfonieor­chester Berlin.

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