Mittelschwaebische Nachrichten
Jetzt startet die Karpfensaison
Franken ist berühmt für diese Fische. Es gibt aber auch in der Region einen großen Züchter. Er bemüht sich um ein besseres Image des Tieres
Mindelaltheim Der Karpfen gilt als fränkische Spezialität. Die Fans fahren im Herbst in den Aischgrund, um ihn zu verspeisen. Doch warum so weit fahren? Es gibt ihn auch hier, in unserer Region. Am ersten Wochenende im September eröffnet die Fischzucht Vollmann-Schipper in Mindelaltheim (Kreis Günzburg) die Karpfensaison mit einem zweitägigen Fest. Angeboten werden auch Führungen durch die Teichanlagen. Es ist eine Art Image-Kampagne, denn: „Die Schwaben sind etwas schwierige Fischkunden“, sagt Isabelle Vollmann Schipper. Vor sechs Jahren übernahm die 40-Jährige den elterlichen Betrieb, der seit 1928 in Familienhand ist. Es ist die größte Karpfenzucht in Schwaben.
„Es ist eine tolle Sache, wenn man weiß, es geht weiter,“sagt KarlHermann Vollmann-Schipper. Denn die Tochter hatte erst ganz andere berufliche Pläne. Zuerst lernte sie Reiseverkaufskauffrau, wurde dann Stewardess, um schließlich 2003 heimzukehren. Jetzt ist sie Fischwirtschaftsmeisterin wie ihr Mann Robert, der in dem Betrieb seien Lehre absolvierte.
Von der Terrasse in Mindelaltheim blicken Vater und Tochter auf eine Teichlandschaft – Natur pur. Es ist nicht sehr lange her, dass hier Torf gestochen wurde. Der Vater kann sich noch daran erinnern. Heute gibt es in den ehemaligen Torfstichen 15 Weiher, alle gut ein bis eineinhalb Meter tief. Über dem Wasser fliegen Libellen, die Seerosen blühen weiß und purpurfarben. Im Wasser schwimmen Rostgänse. „Es sind Höhlenbrüter“, sagt Isabelle Vollmann-Schipper, „plötzlich waren sie da und verteidigen lautstark ihre Jungen.“Und es gibt Nilgänse – beide Arten sind in der Region eher Exoten. Die Artenvielfalt in dem Biotop entlang der Bahnstrecke Augsburg–Ulm ist enorm.
Insgesamt bewirtschaften die Vollmann-Schippers 120 Hektar Wasserfläche. Neben Mindelaltheim gibt es Weiher bei Roggenburg (Kreis Neu-Ulm) und im Allgäu bei Seeg. Für die Karpfenzucht neu hinzu gepachtet, wurden drei Teiche zwischen Roßhaupten und Lechbruck (Ostallgäu). Sie sind etwas ganz Besonderes. Denn sie werden, wie der Schwaltenweiher bei Seeg, extensiv bewirtschaftet. Das heißt nur schwach besetzt und nicht gefüttert. „Die Karpfen sind dadurch fettarm und absolut sauber im Geschmack“, sagt Isabelle Vollmann-Schipper. Sie will mit dem Vorurteil aufräumen, dass diese Fischart fett und moosig schmeckt.
Speisefisch macht bei VollmannSchipper rund 15 Prozent des Umsatzes aus. Neben Karpfen werden unter anderem Forellen und Lachsforellen – frisch oder geräuchert – ab Hof verkauft. Den Großteil erwirtschaftet der Betrieb mit Besatzfischen, die an Fischereivereine verkauft werden. Neben Karpfen sind es Schleien, Hechte, Zander, Barsche und Weißfische. Sie werden mit speziell für den Fischtransport ausgestatten Fahrzeugen unter Zugabe von Sauerstoff bis weit über die Landesgrenze ausgeliefert.
Die Aufzucht der Fische ist eine Wissenschaft für sich. Es gibt drei wesentliche Faktoren: pH-Wert, Sauerstoff-Gehalt und Temperatur in den Teichen müssen stimmen. Ist das Wasser etwa zu basisch, muss gegengesteuert werden. So wird durch die Zersetzung von zugebenem Grüngut oder Heu Kohlensäure gebildet, die den pH-Wert senkt.
Die Natur an den großen Wasserflächen ist keineswegs konfliktfrei: Kormoran, Fischreiher, Gänsesäger und Frösche machen sich über die Fische her. Ein immer größeres Problem wird der Biber. Er taucht im Winter unter dem Eis der gefrorenen Weiher. Die Karpfen, die sich am Grund in Gruppen zusammenrotten, den Stoffwechsel herunter schrauben und Monate nichts fressen, erschrecken und schwimmen im Stress auseinander: Da die Fettreserven zu früh angegriffen werden, kann es zu größeren Verlusten kommen. Der Biber unterhöhlt auch immer wieder Dämme.
Fasst man alle Faktoren zusammen, die die Fischzucht vom Ei weg beeinflussen, so bleiben am Ende des ersten Sommers von einer halben Million der eingesetzten Fische gerade einmal rund zehn Prozent übrig. Auf die ersten drei Lebensjahre bezogen sogar nur ein Prozent.
Die Artenvielfalt entlang der Bahnstrecke ist enorm
Karpfenfest Das Fest findet am 2. und 3. September statt. Mittags gibt es Fischgerichte, nachmittags werden Füh rungen durch die Anlage angeboten.