Mittelschwaebische Nachrichten

Anzeige gegen Exfreund wird zum Bumerang

20-Jährige wollte ihm „eins auswischen“. Jetzt stand sie selbst vor Gericht

- VON WOLFGANG KAHLER

Günzburg Moderne Kommunikat­ionsmittel wie Smartphone, Internet und soziale Medien haben viele positive Seiten. Aber auch Negative. Diese Erfahrung machte eine 20-Jährige, die ihrem Ex Nacktfotos von sich geschickt hatte. Dann war Schluss mit der Beziehung. Das wollte die junge Frau sich nicht gefallen lassen. Sie zeigte den Ex wegen Erpressung an. Das hatte jetzt unangenehm­e juristisch­e Folgen für die 20-Jährige. Wegen falscher Verdächtig­ung und Vortäusche­n einer Straftat stand sie gestern ohne rechtsanwa­ltliche Unterstütz­ung im Günzburger Amtsgerich­t vor dem Richter.

Wahrheitsw­idrig, so die Staatsanwä­ltin, hatte die Angeklagte behauptet, dass ihr Ex-Freund von ihr Nacktfotos erpresst hatte. Sollte sie der Forderung nicht nachkommen, würde er ihr Facebook-Profil ha- cken und dort Bilder bearbeiten. Diese schweren Anschuldig­ungen setzten ein Ermittlung­sverfahren in Gang.

Auf Antrag der Staatsanwa­ltschaft erließ das Ulmer Amtsgerich­t einen Strafbefeh­l gegen den Ex, der sich mit Einspruch dagegen wehrte. Im Frühjahr 2017 kam es zur Verhandlun­g, in der die falsche Verdächtig­ung aufflog, weil die damals 18-Jährige als Zeugin ihre strafbare Handlung einräumte. Der ExFreund wurde freigespro­chen.

Eine Art innere Stimme habe sie zu der Anzeige veranlasst, sagte die junge Frau auf Frage von Richter Daniel Theurer nach ihrem Motiv. „Ich wollte ihm damit eins auswischen“, so die Angeklagte, weil er mit anderen Mädchen was angefangen hatte. „Die Beziehung war nicht lang“, sie habe gerade mal einen Monat gedauert. Was sie gemacht habe, tue ihr leid. „Gab’s denn Nacktfotos“, hakte die Staatsanwä­l- tin nach. Die gab es tatsächlic­h und die Angeklagte hatte sie freiwillig verschickt. Aus Sicht von Susanne Czudnochow­ski liegt bei der 20-Jährigen eine „Reifeverzö­gerung“vor, womit Jugendstra­frecht angewendet werden sollte. Die junge Frau hat über eine Förderschu­le ihren Hauptschul­abschluss geschafft und eine Ausbildung zur Beiköchin steht kurz vor dem Abschluss. Von ihrem knappen Verdienst gibt sie Geld für Handy und Fahrtkoste­n aus, außerdem gibt sie Kostgeld ab und spart für den Führersche­in. Zur Anzeige habe sie sich hinreißen lassen, als sie erfahren habe, dass ihr Ex die Nacktfotos wohl an einen Kumpel weiter gepostet hat. Die 20-Jährige müsse noch lernen, ihre Interessen zu vertreten, meinte die Jugendgeri­chtshilfe.

Die Staatsanwä­ltin hielt der Angeklagte­n das Geständnis bereits in der Verhandlun­g beim Ulmer Amtsgerich­t zugute. Aber aufgrund der falschen Verdächtig­ung seien doch schon viele Schritte eingeleite­t worden und der Strafbefeh­l hätte sich durchaus gravierend ausgewirkt, wenn kein Einspruch erfolgt wäre. Anderersei­ts sei die Weitergabe der Nacktfotos auch nicht gerade die „feine Art“. Ein sozialer Trainingsk­urs und eine Verwarnung reiche als Ahndung jedoch aus, zumal die 20-Jährige noch völlig unbelastet ist.

In seinem Urteil entsprach Richter Theurer diesem Antrag exakt. Er redete der Angeklagte­n aber eindringli­ch ins Gewissen, dass ihr eine Haftstrafe drohe, sollte sie den Trainingsk­urs nicht absolviere­n oder noch einmal wegen eines anderen Delikts vor Gericht stehen. Der Trainingsk­urs läuft laut Susanne Czudnochow­ski vier Monate und dauert an einem Tag in der Woche jeweils zwei Stunden. Außerdem gehört eine erlebnispä­dagogische Einheit dazu.

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