Mittelschwaebische Nachrichten
Ist die Bundesliga noch die stärkste Liga der Welt?
Die Beteiligten heben vor dem Saisonstart an diesem Wochenende die Ausgeglichenheit hervor. Der Zuschauerschnitt jedoch ist gesunken. Deutsche Top-Spielerinnen zieht es ins Ausland
Frankfurt Es ist gute Tradition geworden, dass die ein Dutzend Klubs aus der Frauen-Bundesliga zu der vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) organisierten Eröffnungsveranstaltung artig Funktionäre, Trainer und Spielerinnen schicken, die gebetsmühlenartig alle dieselbe Stoßrichtung verfolgen und von der „stärksten Liga der Welt“schwärmen. Doch stimmt die Lobhudelei der Protagonisten noch, wenn die Pforten zur 28. Spielzeit am heutigen Samstag mit den beiden Auftaktpartien VfL Wolfsburg gegen 1899 Hoffenheim und SGS Essen gegen FC Bayern (14 Uhr/WDR) geöffnet werden?
Zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt waren unter den besten Vier in der Women’s Champions League keine Mannschaften aus der Bundesliga, und wie zum Beleg für die verlustig gegangene Deutungshoheit der Frauenfußball-Großmacht setzte dann auch noch die Nationalmannschaft die Europameisterschaft in den Sand. „Es gibt keinen Grund, in Panik zu verfallen“, beschwichtigt Melanie Behringer, die Spielführerin vom FC Bayern. Und die schwedische Nationalspielerin Nilla Fischer vom Doublegewinner VfL Wolfsburg versichert: „Hier ist die beste Liga in Europa.“Immer wieder würden Kolleginnen ihr flüstern, auch sie könnten sich vorstellen, in Deutschland Fußball zu spielen.
Aber: Die niederländische Topspielerin Lieke Martens, Europas neue Fußballerin des Jahres, wechselte lieber zum FC Barcelona. Vom FC Bayern zog es Vivianne Miedema, die Mittelstürmerin beim Europameister Niederlande, zu den Arsenal Ladies, wo auch die EM-Torschützenkönigin Jodie Taylor unter Vertrag steht. Zwar hat kein Land mehr EM-Teilnehmerinnen abgestellt als Deutschland, aber auf der Liste der vielen Neuzugänge taucht keine Weltklassespielerin auf. Die aber werden vielleicht bald noch von Klubs wie Real Madrid und Juventus Turin umgarnt, die gerade auch den Frauenfußball für sich entdecken.
Dem DFB-Präsidenten sind die Alarmsignale nicht entgangen. „Die Frauen-Bundesliga ist ausgeglichener als die Liga in Frankreich. Aber England wird kommen, auch Spanien“, sagt Reinhard Grindel, der den Wettbewerb als „Herausforderung“beschreibt. „Wir brauchen dringend Gesichter, mit denen sich junge Mädchen identifizieren. Wir dürfen die Spielerinnen nicht nur entwickeln, wir müssen sie auch halten. Es wäre nicht so gut, wenn sie nach England, Spanien oder Frankreich abwandern. Da müssen wir ein klein bisschen aufpassen.“
Nationalspielerin Dzsenifer Marozsan schwärmt derart von den Entwicklungs- und Verdienstmöglichkeiten beim französischen Triple-Sieger Olympique Lyon, dass ihrem Beispiel bald noch mehr folgen könnten. Sara Däbritz (FC Bayern) oder Linda Dallmann (SGS Essen) können sich einen Wechsel ins Ausland auch vorstellen.
Pauline Bremer, die nach ihrer unverständlichen EM-Ausbootung bald wieder berufen werden dürfte, ging bereits mit 19 von Potsdam nach Lyon und wechselte nun nach Manchester, wo die Citizens-Frauen vielleicht eher einen ChampionsLeague-Titel gewinnen als die Männer. Die weibliche Königsklasse wird für die internationale Wettbewerbsfähigkeit mehr denn je zum Gradmesser. Die Bundesliga-Vertreter aus Wolfsburg und München müssen sich der rasant verschärften Konkurrenzsituation stellen.
Nur die stärksten Lizenzvereine unter dem Männerdach – sieben von zwölf Bundesligisten – sind in der Lage, überhaupt mitzuhalten. Die reinen Frauenfußball-Konstrukte Turbine Potsdam oder 1. FFC Frankfurt sind überholt worden. Topfavorit auf die Meisterschaft ist wieder Wolfsburg, wo Stephan Lerch vor seiner Premierensaison als Cheftrainer steht.
Bayern-Kollege Thomas Wörle sieht sein Team nach einigen Abgängen selbst national „maximal in der Rolle des Jägers“. Einen Part, der auch noch dem SC Freiburg zugetraut wird, der sich mit nachhaltiger Aufbauarbeit zum Spitzenklub und wichtigen Zulieferer für Jones entwickelt hat.
Was kann die Liga ansonsten leisten? Der Zuschauerschnitt ist wieder unter die 1000er-Marke gerutscht. Es wird wieder ein Kampf um mehr Aufmerksamkeit und Attraktivität. Sport1 oder Regionalprogramme der Öffentlich-Rechtlichen übertragen ausgewählte Partien, ansonsten wandern Live-Spiele hinter eine Bezahlschranke bei der Telekom.