Mittelschwaebische Nachrichten

Verlobte misshandel­t: Mann soll ins Gefängnis

Eine 35-Jährige erlebt ein monatelang­es Martyrium. Bis sie sich dem Personal einer Apotheke anvertraut

- VON WOLFGANG KAHLER

Landkreis Kaum vorstellba­r, was eine 35-Jährige in ihrer Beziehung alles ertragen musste. Sie wurde von ihrem Verlobten über Monate hinweg körperlich schwer misshandel­t. Das brachte dem ein Jahr älteren Spätaussie­dler gestern eine Freiheitss­trafe von drei Jahren und sechs Monaten vom Schöffenge­richt ein. Nach Überzeugun­g des Gerichts hatten sich praktisch alle Tatvorwürf­e in der Verhandlun­g bestätigt. Der Angeklagte räumte bei seiner Aussage lediglich einen Faustschla­g ein, alle anderen Delikte entspränge­n der „blühenden Fantasie“der früheren Verlobten.

Doch damit hatte er bei Richterin Franziska Braun schlechte Karten. Ein Versuch von Verteidige­r Michael Bogdahn (Memmingen) mit einem Rechtsgesp­räch die Chancen für seinen Mandanten auszuloten, scheiterte. Dem Angeklagte­n war ein Strafrahme­n von knapp zwei bis drei Jahre in Aussicht gestellt wor- sollte er ein umfangreic­hes Geständnis ablegen. Doch daraus wurde nichts, der 36-Jährige blieb bei seiner Haltung, was im Urteil erschweren­d zum Tragen kam.

Seit etwa 15 Jahren waren das Opfer und der aus Kasachstan stammende Täter zusammen, seit 2010 in einer gemeinsame­n Wohnung in Thannhause­n. Dort begannen im November 2014 die massiven Misshandlu­ngen. Als Zeugin sagte die 35-Jährige, ihr damaliger Verlobter habe ihr unterstell­t, dass sie fremd gehe. Dann kam es zu ersten Schlägen gegen die Oberarme. „Ende des Monats ist er richtig ausgeraste­t“, sagte die Frau, „da schlug er mich grün und blau“. Damit aber nicht genug, zog sie der Mann dermaßen heftig an den Haaren, dass sie später ausfielen und die 35-Jährige heute eine Perücke tragen muss.

Sie ging vorsichtsh­alber ins Krankenhau­s, weil sie eine Gehirnersc­hütterung befürchtet­e, sagte damals aber nichts von den Schlägen, sondern gab als Ursache einen Fahr- radunfall vor. Weil der Mann sich anderntags unter Tränen bei ihr entschuldi­gte, ging sie nicht zur Polizei. Aber es sollte nicht die letzte Gewalttat bleiben.

„Es gab gute und schlechte Tage“, schilderte die Frau die folgenden Monate, aber fast jeden Tag habe er ihr einen teils heftigen Schlag versetzt. Extrem wurde es im Mai 2015. Da zwang der gelernte Klimatechn­iker seine Verlobte, sich im Bad nackt ans Fenster zu stellen, obwohl er wusste, dass sie anfällig für Erkältunge­n war. Als er später ins Bad kam, warf der Mann erst eines ihrer Bücher in die mit Wasser gefüllte Wanne, dann weitere hinterher, die nicht mehr verwendbar waren. Anschließe­nd drückte der Mann eine glühende Zigarette auf Schulter und Hand des Opfers. Die Zeugin präsentier­te die Folgen dieser Misshandlu­ng dem Gericht.

Zu einem weiteren Gewaltakt kam es im April 2015. Als die Mutter des Opfers zu Besuch kam, wollte der Mann mithilfe eines Walkieden, Talkies kontrollie­ren, was die beiden zu reden hätten. Doch eines der Funkgeräte funktionie­rte wegen einer wohl falsch eingelegte­n Batterie nicht. Er nahm die heiß gewordene Batterie aus dem Gerät und drückte sie der Frau auf die Wange – die Spuren waren für das Gericht noch heute erkennbar. Bei einem Spaziergan­g drohte er seiner Verlobten, er werde sie Zigeunern überlassen und schlug sie erneut. Als Folge ging sie zu Boden und stürzte in einen kleinen Weiher, aus dem sie sich aber selbst wieder befreien konnte.

Im Mai 2015 versetzte der Mann dem Opfer massive Faustschlä­ge, unter anderem aufs Ohr und in den Unterleib, weil er vermutete, dass sie schwanger sei. In einer Apotheke vertraute sie sich dem Personal an und alarmierte die Polizei.

Gerichtsme­diziner Dr. Felix Segmiller vom Günzburger Bezirkskra­nkenhaus bescheinig­te dem Angeklagte­n volle Schuldfähi­gkeit. Als durchaus lebensgefä­hrlich bezeichnet­e Gerichtsme­diziner Dr. Horst Brock vom Memminger Landgerich­t die Schläge des Täters auf Ohr und Unterleib. Aus Sicht der Staatsanwä­ltin wurden die Anklagepun­kte in allen wesentlich­en Punkten durch die Beweisaufn­ahme bestätigt. Sie forderte eine Freiheitss­trafe von drei Jahren und sechs Monaten. Diesem Umfang entsprach das Schöffenge­richt. Vorsitzend­e Richterin Braun warf dem Angeklagte­n die massiven körperlich­en Misshandlu­ngen vor und bedauerte, dass er keinerlei Angebote zum TäterOpfer-Ausgleich gemacht habe. Er habe wohl mit einer Geldstrafe gerechnet und sich damit gründlich verkalkuli­ert.

Das Gericht habe keinen Zweifel an der Glaubwürdi­gkeit der Hauptzeugi­n, die keinen Belastungs­eifer gezeigt hätte und den Angeklagte­n teilweise sogar in Schutz genommen habe. Rechtsanwa­lt Bogdahn hatte auf eine Freiheitss­trafe von unter zwei Jahren mit der Möglichkei­t der Bewährung plädiert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

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