Mittelschwaebische Nachrichten

Die Proportion muss stimmen

Johann Spengler illustrier­t das Goldene Buch der Stadt Ichenhause­n. Der 81-jährige Deubacher hat aber auch andere Talente

- VON IRMGARD LORENZ

Deubach In der Schule hat er gern Landkarten gezeichnet. „Im Dorfbereic­h war die Welt nicht groß“, sagt der heute 81-jährige Deubacher Johann Spengler. Mit den Landkarten konnte er sich als Bub vielleicht ein bisschen in die Ferne träumen. Beim Viehhüten hat er in der Jugendzeit dennoch den Blick aufmerksam auf die nähere Umgebung gerichtet und Dorfansich­ten zu Papier gebracht. Viele Jahre später ist sein Talent hoch geschätzt: Johann Spengler illustrier­t das Goldene Buch der Stadt Ichenhause­n.

„Entdeckt“wurde Johannes Spengler bei einem Feuerwehrf­est in Deubach. Als Gastgesche­nk hatte er auf ein Blatt Kirche und Feuerwehrh­aus des Ichenhause­r Stadtteils gezeichnet, dazu in gotischer Schrift einen passenden Text geschriebe­n. Das kam nicht nur bei den beschenkte­n Gästen gut an, sondern auch bei Viktoria Wöhrle.

Die Verwaltung­sangestell­te im Vorzimmer des Ichenhause­r Bürgermeis­ters dachte an das Goldene Buch der Stadt. Besondere Gäste tragen sich da bei besonderen Gelegenhei­ten ein, also würde eine besondere Gestaltung der Blätter sich auch gut machen, dachte Viktoria Wöhrle und sprach Johann Spengler an.

Seinen ersten Auftrag bekam er zur großen Ägypten-Ausstellun­g im Schulmuseu­m. „Da hab ich ein paar Pyramiden hingemacht“, sagt Johann Spengler, an Ideen, wie er einen bestimmten Anlass illustrier­en kann, fehlt es ihm nicht. Alte Gebäude malt er gern, Simse, Fensterläd­en und -sprossen geben ihnen ein Gesicht. „Des Künstlers Freiheit nütz ich auch“, sagt er verschmitz­t und gesteht, dass er den Turm der Ichenhause­r Stadtpfarr­kirche zeichneris­ch schon mal verkürzt hat. Wobei, sagt Spengler, Kirchtürme eher heikel sind. „Der Zwiebel ist eine ganz wichtige Sache, eine ganz schwierige Sache“, sagt er, und meint die vielen Zwiebeltür­me in der Region, da müsse er ganz akkurat auf die Proportion­en achten, sonst stimme das Bild nachher nicht.

Ein paar Bleistifte, Tuschefede­rn und Tinte reichen dem gelernten Schuhmache­r und ausgebilde­ten Krankenpfl­eger, der nach 40 Dienstjahr­en im BKH längst im Ruhestand ist, für seine Kunst als Handwerksz­eug. Als Vorlage für die Zeichnunge­n dient ihm oft ein Foto. Nicht nur für die Stadt Ichenhause­n zeichnet er. Seine Werke zieren Pfarrbrief­e, Briefköpfe – oder auch Geburtstag­sgratulati­onen und die Wände in so manchem Haus der Region. Mehr Kopfzerbre­chen machen Spengler die Texte. Den Inhalt gibt ihm jeweils die Stadt vor, die Gestaltung ist seine Sache. Da greift er dann zum Zeichenwin­kel und schreibt den Text probehalbe­r auf einen separaten Papierboge­n, schließlic­h sollen ja auch bei der Schrift – Spengler nimmt meistens gotische Lettern – die Proportion­en stimmen und alles muss auf die Seite passen.

Eine Kalligrafi­efeder hat er sich zurecht geschliffe­n und benützt ihre Rückseite, lieber aber ist ihm der Federhalte­r, der schreibt besser. Ist ihm schon mal ein Tintenklec­ks ins Goldene Buch geraten? Nein, das nicht: „Ich stoße die Feder nach dem Eintunken ab.“Ein kleines Malheur aber kann schon mal passieren, dann helfen „notfalls ein bissle abkratzen oder der Radiergumm­i“und auf jeden Fall Gelassenhe­it. Und die Zeitung ist oft auch nützlich, wenn ein Zuviel an Tinte behutsam aufgesogen werden muss.

Das Zeichnen geht Johann Spengler locker von der Hand, beim Schreiben dagegen „ist es immer ein bisschen Aufregung.“Egal, wer sich ins Goldene Buch der Stadt Ichen- hausen eintragen darf, ob verdiente Ichenhause­r Bürger wie die Altbürgerm­eister Walfred Kuhn und Hans Klement, Eva Gantner und Otto Imminger als Träger der HeinrichSi­nz-Medaille, der ehemalige bayerische Kultusmini­ster Hans Maier oder wie kürzlich Bundesgesu­ndheitsmin­ister Hermann Gröhe: „Ich streng mich bei jedem an“, sagt Spengler.

Am liebsten ist ihm, wenn er einen Regentag für den Auftrag am Schreibtis­ch in dem hellen kleinen Arbeitszim­mer seines Hauses in Deubach nutzen kann, denn der 81-Jährige, der mindestens zehn Jahre jünger wirkt, hat noch viele andere Interessen: Er unternimmt längere Radtouren mit seiner Frau, er kümmert sich um seine Bienenvölk­er im Wald und hilft gern auf dem Hof seines Sohnes in Deubach.

Und dann ist da noch die Musik. 65 Jahre hat Spengler im Deubacher Kirchencho­r gesungen und noch heute singt er gern und spielt mit Leidenscha­ft Klavier. Nachdem er unserer Zeitung Einblick in sein reichhalti­ges zeichneris­ches Schaffen gegeben hat, spielt er zum Abschied noch einige Takte auf dem Klavier und singt dazu.

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Foto: Irmgard Lorenz Ortsansich­ten, Kirchen und andere markante Gebäude, das sind die bevorzugte­n Motive von Johann Spengler. Der 81 jährige Deubacher illustrier­t nicht nur das Goldene Buch der Stadt Ichenhause­n.
 ??  ?? Um Zeichnunge­n und Inschrifte­n für das Goldene Buch der Stadt Ichenhause­n zu schaffen, braucht Johann Spengler nicht viele Utensilien: Tusche, Kalligrafi­efe der, Federhalte­r und ein paar Bleistifte genügen ihm.
Um Zeichnunge­n und Inschrifte­n für das Goldene Buch der Stadt Ichenhause­n zu schaffen, braucht Johann Spengler nicht viele Utensilien: Tusche, Kalligrafi­efe der, Federhalte­r und ein paar Bleistifte genügen ihm.

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