Mittelschwaebische Nachrichten
Über Pilger und Pannen
Die Babenhauser Wallfahrt nach Matzenhofen gibt es seit einem Jahrhundert. Welche Geschichten sich angesammelt haben
Babenhausen „Als der Erste Weltkrieg kein Ende nehmen wollte, machten sich damals 1917 eine Handvoll betagter Männer auf den Weg nach Matzenhofen, um dort für die glückliche Heimkehr ihrer Söhne aus dem Felde zu beten“: Das vermerkt der ehemalige Heimatpfleger Ludwig Zedelmaier in einer Schrift aus dem Jahr 1982. Und weiter: „Dort legten sie das Gelübde ab, dass sie diese Wallfahrt alljährlich am ersten Dienstag im September wiederholen wollen.“Es sollte der Anfang einer Tradition werden, die nun seit hundert Jahren besteht: der Babenhauser Männerwallfahrt.
Vor Kurzem fand sie wieder statt. Jahr für Jahr laufen Männer aus dem Fuggermarkt zur rund zehn Kilometer entfernten Kirche mit der „Schmerzhaften Muttergottes“. Die meisten Teilnehmer kamen in den 1980er Jahren: Damals pilgerten Männer nach Matzenhofen. Heute nehmen noch rund 20 bis 30 Wallfahrer die Tour samt Bergwertung in Unterschönegg auf sich. Über 100 Jahre blieb nicht nur die Aufbruchzeit, 9 Uhr, gleich – sondern auch anderes.
So treffen sich die Wallfahrer, ob zu Fuß, mit Rad oder Auto, gegen 11 Uhr in der Wallfahrtsgaststätte. Traditionell gibt es „Leberkäs und gschöpfte Wecka“. Um 13.15 Uhr läutet die Glocke zur Andacht: Die singen Marienlieder und es wird die Lauretanische Litanei gebetet. Das Ende bildet ein Tedeum. Musikalisch umrahmt wird die Andacht seit 50 Jahren von Fritz Fahrenschon an der Orgel.
Das Jubiläum ist für den 94-Jährigen nun Anlass, zurückzutreten. Mit ihm nimmt auch der 89-jährige Josef Habres als Chronist und Vorbeter Abschied. Damit endet eine Ära, gehörte doch Habres’ Großvater zu den Gründervätern der Wall102 fahrt und der Vater gab das Wallfahrtsbuch an Josef Habres weiter. Darin sind Namen der Wallfahrer, Organist und Wetterbericht verzeichnet.
Mit dem Amt des Chronisten ist das des Vorbeters verknüpft. Diese Aufgaben übernimmt nun Altbürgermeister Theo Lehner, der seit Jahrzehnten zu den Wallfahrern gehört. Wenn Heimatforscher Dieter Spindler über die Wallfahrt spricht, wird deutlich, dass auch der gesellMänner schaftliche Aspekt eine zentrale Rolle spielt. Gemeinsam zu reden, zu wandern, Karten zu spielen und das eine oder andere Bier zu trinken, ist ein fester Bestandteil. So manche Anekdote rankt sich darum.
So mussten angeblich Pilger in den Nachkriegsjahren aus Wehrmachtsbeständen stammenden Kaffeesatz teils gegen die Ziegenmilch für den Kaffee eintauschen. Unvergessen sind auch Sprüche des Matzenhofer Wirtes Pius. Dem früheren Zweiten Bürgermeister Babenhausens, Roman Mayer, soll er einmal Biere von Nachbartischen aufgerechnet und gesagt haben: „Du hascht es doch!“
Zu den treuesten Wallfahrern gehörte der inzwischen verstorbene Schulrat Urban Wucher, der als Dreijähriger auf dem Fahrradsitz seines Vaters mitfuhr und 80 Jahre später immer noch zu den Teilnehmern gehörte. Als er einmal den Dienst als Organist übernahm, kam ihm ein Dackel in die Quere. Der legte sich auf die Basspedale und sorgte für ein verheerendes Brummen, erzählt Spindler.
Erst als Balgzieher Habres zu Hilfe eilte, das renitente Tier beim Schwanz packte und mit den Worten „nixiger Siach“die Chorstiege hinunterbeförderte, sei Ruhe eingekehrt. Ein anderes Mal soll ein Teilnehmer den mitgebrachten Strauß Blumen nicht – wie geplant – der Gottesmutter, sondern der Wirtin gestiftet haben. Berüchtigt sind die Einkehrschwünge in Unterschönegg auf dem Rückweg. Dabei mundete den Wallfahrern nicht nur Selbergeschlachtetes, sondern auch der Most, was mitunter zu Problemen beim Heimweg führte.
Laut Aufzeichnungen ist die Wallfahrt nur um die Jahre 1994/95 wegen der Kirchenrenovierung schon einmal ausgefallen.