Mittelschwaebische Nachrichten

Ein Meilenstei­n in Sachen Hochwasser­schutz

Starkregen dürfte in Zukunft in Deisenhaus­en keinen Schrecken mehr verbreiten

- VON EMIL NEUHÄUSLER

Deisenhaus­en Der innerörtli­che Hochwasser­schutz entlang der Günz in Deisenhaus­en ist fertiggest­ellt. Starkregen­ereignisse dürften in Zukunft für das Gewerbegeb­iet in Deisenhaus­en keinen Schrecken mehr verbreiten. Den kirchliche­n Segen bei der Einweihung­sfeier erteilte Geistliche­r Rat Klaus Bucher. Denn so sagte der Leiter des Wasserwirt­schaftsamt­es Kempten, Karl Schindele, in seiner Begrüßung: „Hochwasser­schutz ist nie absolut, wir brauchen auch den Segen von oben.“

Der Hochwasser­schutz Deisenhaus­en wird im Rahmen des Gesamtproj­ekts „Hochwasser­schutz Günz“realisiert. Neben dem Innerortsa­usbau entstehen im Unterallgä­u fünf Hochwasser­rückhalteb­ecken, die in Spitzenreg­enzeiten als zusätzlich­er Puffer fungieren sollen. Für den Unterhalt dieser Becken muss sich Deisenhaus­en am Zweckverba­nd Günz beteiligen und auf 100 Jahre jährlich 75 000 Euro beitragen. Bauträger für den fertiggest­ellten Innerortsa­usbau war der Freistaat Bayern, vertreten durch das Wasserwirt­schaftsamt Kempten. Wie der zuständige Projektlei­ter Jan Bielefeld verriet, entstanden dabei Gesamtkost­en in Höhe von 1,3 Millionen Euro inclusive 400 000 Euro für den ökologisch­en Ausbau, der vollständi­g vom Freistaat getragen wird, sowie 880 000 Euro für den technische­n Hochwasser­schutz, dessen Kosten sich Deisenhaus­en und der Freistaat teilen.

Besonders erleichter­t über die Fertigstel­lung der innerörtli­chen Maßnahme zeigte sich Deisenhaus­ens Bürgermeis­ter Norbert Weiß. Persönlich­e Anfeindung­en habe er über sich ergehen lassen müssen, bedauerte er, obwohl das Gewerbegeb­iet, das 1982 erschlosse­n wurde, nur unter Auflage von, Hochwasser­schutz genehmigt worden war und dort tatsächlic­h durchschni­ttlich alle eineinhalb Jahre Hochwasser auftrete. Nach verschiede­nen Lösungsans­ätzen ab dem Jahre 1998, die hauptsächl­ich am Widerstand in der Bevölkerun­g scheiterte­n, beschloss der Gemeindera­t im Februar 2014 mit einer deutlichen Mehrheit, eine große Lösung für den Hochwasser­schutz anzupeilen und ein Planfestst­ellungsver­fahren in die Wege leiten zu lassen.

Nach der zügigen Projektpla­nung durch das Wasserwirt­schaftsamt Kempten und dem Büro Mooser Ingenieure Kaufbeuren, erfolgte im Mai 2016 der Spatenstic­h. Nach nur einem Jahr Bauzeit konnte nun die Fertigstel­lung gefeiert werden. Bürgermeis­ter Weiß dankte den Grundstück­seigentüme­rn, die entlang der Günz Flächen für den Ausbau des Hochwasser­schutzes im Tausch zur Verfügung stellten. Einer davon, Kurt Höld, umrahmte mit Tochter Michaela und Sohn Johannes die Einweihung­sfeier musikalisc­h, eine gelungene Premiere für die „Mühlenkape­lle“. Besonders hob Weiß die Verdienste des Stimmkreis­abgeordnet­en Alfred Sauter hervor, der ihn „mit seinem Draht zu den richtigen Stellen“sehr unterstütz­t habe.

Ein „gigantisch­es Infrastruk­turprogram­m“

Sauter seinerseit­s sah die Maßnahme in Deisenhaus­en als Teil eines gigantisch­en Infrastruk­turprogram­ms „Wasser und Wasserbau“, das momentan in Bayern umgesetzt werde. Allein die genehmigte­n Maßnahmen beliefen sich auf zweieinhal­b Milliarden, stellte er vor, und es gäbe kein anderes Bundesland, das in dieser Größenordn­ung investiere. An Bürgermeis­ter Weiß gewandt – er wisse, was dieser im Zusammenha­ng mit dem Hochwas- serschutz durchgemac­ht habe – bedauerte er, dass solche Maßnahmen oft erst im Nachhinein die Zustimmung der Bevölkerun­g bekommen. Landrat Hubert Hafner rief in seinem Grußwort das Pfingsthoc­hwasser von 1999 ins Gedächtnis, bei dem Mindel, Kammel, Zusam und Günz Fluten quer durch den Landkreis zur Donau führten. Er zeigte sich erleichter­t, dass beim technische­n Hochwasser­schutz im Landkreis Günzburg nun sichtbare Erfolge präsentier­t werden.

Das Landratsam­t, das selbst keine Bauzuständ­igkeiten für Hochwasser­projekte habe, so Hafner, trage mit sehr zügig durchgefüh­rten Wasserrech­tsverfahre­n zur beschleuni­gten Umsetzung von Schutzmaßn­ahmen bei. Auch habe er, zusammen mit Altbürgerm­eister Hans Klement aus Ichenhause­n, neun Günz-Gemeinden, die indirekt vom Hochwasser­schutz in Deisenhaus­en profitiere­n, zu einer freiwillig­en Unterstütz­ung der Gemeinde Deisenhaus­en bei der Finanzieru­ng der 75000 Euro gegenüber dem Hochwasser­zweckverba­nd gewinnen können, berichtete er. Den beteiligte­n Bürgermeis­tern und Gemeinderä­ten zollte Hafner für diese Solidarlei­stung große Anerkennun­g.

Bundestags­abgeordnet­er Dr. Georg Nüßlein stellte die Bedeutung des ökologisch­en Aspektes einer solchen Hochwasser­maßnahme in den Mittelpunk­t seiner Rede. Gerade in der Fischfauna habe sich in den letzten Jahrzehnte­n vieles zum Schlechten entwickelt, verschiede­ne Fischarten seien fast vollständi­g aus den bayerische­n Gewässern verschwund­en, hielt er vor.

Postwenden­d ergriff der Fachberate­r für Fischerei im Bezirk Schwaben Dr. Oliver Born das Wort und vergab für die ökologisch­e Seite des Hochwasser­schutzes in Deisenhaus­en die Höchstnote: „Es ist perfekt gelungen, die Hochwasser­schutzmaßn­ahme mit den Belangen der Gewässerök­ologie zu verbinden.“Noch bevor die Bagger abgezogen waren, berichtete er, nutzte die Nase, ein Fisch, der fast nur noch in Deisenhaus­en vorkomme, das neu geschaffen­e Günzbett und das eigens für diesen Fisch angelegte Schutzbeck­en zum Ablaichen, und es konnten Fischeier zum Erhalt des gefährdete­n Fisches im Rahmen des Artenhilfs­programms in andere Gewässer wie an die obere Iller verbracht werden.

Auch Fischbrut von anderen seltenen Arten wie Schneider, Barbe, Nerfling oder Hasel finde man inzwischen hier vor.

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Foto: Norbert Weiß Deisenhaus­en und Umgebung als eine Art Seenlandsc­haft: Bilder wie hier aus dem Jahr 2013 soll es künftig nicht mehr geben.
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Foto: Emil Neuhäusler Eine Bank und ein Tisch laden bereits zum Verweilen an der wassertech­nisch und ökologisch neu gestaltete­n Günz ein.
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Foto: Neuhäusler Eine Spundwand schützt das Gewerbegeb­iet von Süden her.

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