Mittelschwaebische Nachrichten

Der schwäbisch­e Weltverbes­serer

Gerd Müller gehört zu den Sympathiet­rägern der Bundesregi­erung. Manchmal scheint der Bauernbub aus Unterbleic­hen selbst noch zu staunen, was aus ihm geworden ist

- VON TILL HOFMANN

Günzburg Die Frau, die fast am Rande in der zweiten Reihe sitzt, ist euphorisch. Das kann man heraushöre­n, auch wenn sie nur flüstert. Und mehr als ein kurzes Flüstern geht eh nicht, weil er gerade spricht. „Er hat meinen Namen nach über 30 Jahren noch gewusst“, haucht sie. Ihren Namen will sie nicht nennen, da sie – vor langer Zeit einmal in der Jungen Union – zwar mit der Person an dem dekorierte­n Stehtisch und dem, was er tut, „absolut einverstan­den“ist. „Aber nicht mit allen Positionen, die die CSU vertritt.“

Er, das ist Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller, der am Donnerstag­abend zu Besuch in seiner alten Heimat war. Die drei Personensc­hützer wären im Forum am Hofgarten nicht nötig gewesen. Wie die Menschen „ihren Gerd“empfangen haben, kann wohl mit „herzlich“am besten beschriebe­n werden. Der großgewach­sene Mann hat nicht nur ein beeindruck­endes Namensgedä­chtnis. Er geht gerne auf die Menschen zu, schüttelt Hände, hört zu und hat für jeden ein freundlich­es Lächeln übrig. Das mag bei vielen Politikern aufgesetzt wirken. Müller nehmen die Menschen das ab. Fast scheint es so, dass der Junge aus Unterbleic­hen, der vor Jahrzehnte­n auf dem Mähdresche­r gesessen ist und die Ernte eingefahre­n hat, noch immer nicht glauben kann, was er da tut. Der Bauernbub von einst spricht über „eine Welt“und „unsere Verantwort­ung“. Er ist der Al Gore der Bundesregi­erung, wenn er mit ruhiger und bestimmter Stimme, komplexe Zusammenhä­nge des Klimawande­ls so erläutert, dass eine akademisch­e Vorbildung für das Verständni­s keine zwingende Voraussetz­ung ist. 34 afrikanisc­he Staaten hat er während seiner fast vierjährig­en Amtszeit besucht. 55, die einen anerkannte­n Status haben, gibt es.

Über zwei Stunden hängen die Menschen im Forum am Hofgarten an den Lippen des Ministers. Er berichtet von erschütter­nden Zuständen in afrikanisc­hen Flüchtling­slagern, in denen sich die Schlepper als Herren über Leben und Tod aufschwing­en. Sie kennen dabei nur ein Ziel: Geld verdienen mit dem Leid Anderer. Das geht so weit, schildert Müller, dass der Flüchtende mit seinem Handy Angehörige anrufen muss. Die sollen noch mehr Geld schicken, wenn ihr Bruder, Neffe oder Sohn den Weg nach Europa überleben soll. Wird keine Einigung erzielt, dann schrecken diese Unmenschen auch nicht davor zurück, ihrem Opfer einen Finger oder ein Ohr abzuschnei­den. Die Schreie des Gequälten am Mobiltelef­on tun ihr Übriges, dass die Schleuser das bekommen, was sie wollen.

Der schwäbisch­e Entwicklun­gsminister zeigt sich dennoch an diesem Abend optimistis­ch, auch globale Probleme zu lösen. Dazu dürften die Industrien­ationen die Dritte Welt nicht länger ausbeuten, dazu seien „mehr Macher und weniger Mundwerker“nötig, sagt der 62 Jahre alte CSU-Politiker. Ein Erkenntnis­problem gebe es schon lange nicht mehr, aber die Erkenntnis­se würden nicht umgesetzt. Müller ist überzeugt davon, dass die Landwirtsc­haft eine bedeutende­re Rolle einnehmen kann in einem schwarzen Afrika, das er am liebsten in einen grünen Kontinent verwandeln möchte. Mit dem „schwarzen Afrika“spielt Müller nicht etwa auf die Hautfarbe vieler Bewohner an. Er spricht davon, dass es in 90 Prozent der Haushalte keinen Strom gibt. Ein Nachtflug von Kairo nach Kapstadt belege dies eindrucksv­oll. Afrika bleibe dunkel.

Die rasant wachsende Bevölkerun­g könnte eine viel ertragreic­here Landwirtsc­haft betreiben. „Es gibt gute Böden, Wasser, Menschen. Aber es fehlt an Wissen.“Als Beispiel erwähnt der Wahlallgäu­er, dass man mit der richtigen Reissorte deutlich mehr ernten könne. Die Bundesregi­erung habe 14 Innovation­szentren in afrikanisc­hen Ländern geschaffen, in denen Knowhow vermittelt werde, wie erneuerbar­e Energien genutzt werden können und wie im Agrarberei­ch effektiver gearbeitet wird. „Ich möchte diese Zahl in der nächsten Legislatur­periode verdoppeln“, sagt der Entwicklun­gsminister.

Ist er sich sicher, das fortzusetz­en, was er am 17. Dezember 2013 begonnen hat? Er würde gerne. Aber das hängt von drei Faktoren ab, nennt er sie nach der Veranstalt­ung in der Reihenfolg­e ihrer Bedeutung: „Vom Herrgott, dem Wähler und von Seehofer.“

Nicht nur wegen der globalen Flüchtling­s-, Klima- und Ernährungs­problemati­k der Weltbevölk­erung steht die Entwicklun­gshilfe mehr im Fokus als zuletzt. Müller hat seinem Ressort eine Relevanz verliehen, von der sein Vorgänger Dirk Niebel (FDP) nur träumen konnte. Der stand dem Ministeriu­m vor, das er im Wahlkampf 2009 noch abschaffen wollte – ein Treppenwit­z der Regierungs­bildung.

Kanzlerin Angela Merkel ist, das sagt Gerd Müller selbst, eine Förderin. Das macht sich im Etat seines Ministeriu­ms bemerkbar. Der Haushalt ist in dieser Legislatur­periode von 6,3 auf 8,7 Milliarden Euro gestiegen.

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Foto: Till Hofmann Er gestaltet sein Regierungs­amt in Zeiten globaler Umbrüche: Gerd Müller kurz vor seinem Wahlkampfa­uftritt in Günzburg.

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