Mittelschwaebische Nachrichten

„Luaga“statt „gucka“und „eis“statt „uns“

In Weiler spricht man anders als im Rest des Kreises. Dort gibt es einen beleuchtet­en Maibaum und einen dritten Weihnachts­feiertag

- VON PETER WIESER (TEXT UND BILDER)

Weiler „Weiler ist der schönste, der südlichste und mit 604 Metern der am höchsten gelegene Ort im Landkreis.“Peter Braunmülle­r bringt es gleich einmal auf den Punkt. Wenn über manchen tiefer gelegenen Orten der Nebel liegt, dann strahlt über Weiler meistens schon die Sonne. Und weil die Grenze zum Landkreis Unterallgä­u keine 500 Meter von Weiler entfernt verläuft, reden die Weilerer auch etwas anders: Dort wird nämlich nicht „guckat“, sondern „g’luagat“und es heißt auch nicht „bei uns“, sondern „bei eis“. Mit 116 Einwohnern ist Weiler neben Hairenbuch (102) der etwas größere Ortsteil von Waltenhaus­en. Dort in der Nähe entspringe­n auch das Weilerbäch­le und der Krumbach. Den Ort queren die beiden Bäche allerdings nicht, dann müssten sie nämlich den Berg hinauf fließen.

Zunächst zu der Sache mit dem Maibaum: Hatten doch die Bewohner von Burg vor einigen Wochen gesagt, sie besäßen den höchsten Maibaum im Landkreis Die Weilerer sehen das anders: Der sei nämlich nicht 30, sondern 33 Meter hoch, und weil Weiler höher liegt als Burg, sei dieser damit natürlich auch der höchste. Und vor allem: Beleuchtet ist er auch noch. An der Spitze zeigt regelmäßig ein Licht an, wenn das „Stüble“im Feuerwehrh­aus offen ist – zumeist am Donnerstag­abend, wenn Feuerwehrü­bung ist. Manchmal habe das „Lichtle“am Maibaum auf dem Weg nach Hause auch schon zur besseren Orientieru­ng verholfen, wird behauptet. Einen Starenkobe­l hat er übrigens auch. „Er steht no net ganz und scho send d“Stara dau“, erzählt Feuerwehrk­ommandant Daniel Hiller schmunzeln­d.

Und was hat es mit dem dritten Weihnachts­feiertag auf sich? Der 27. Dezember ist in Weiler ein „gesetzlich­er Feiertag“. Ab zehn Uhr kommt beim Feuerwehrh­aus nach und nach das ganze Dorf zusammen und es gibt Weißwürste und „Wienerla“– den ganzen Tag über. Damit diejenigen, die erst später kommen, auch etwas davon haben. Gefeiert wird zwar nicht ganz bis Neujahr, das Ende aber steht immer so ziemlich offen. „Halt bis der Letzte hoimgeht“, lacht Gebhard Daiser.

Doch zurück zur Feuerwehr. Dreimal ist sie schon umgezogen, bis sie schließlic­h im neu gebauten Feuerwehrh­aus ihre endgültige Heimat fand. Das ist auch gut so, denn Weiler hat sogar eine Kinderfeue­rwehr. Auch diejenigen Kinder, die noch zu jung für die Jugendfeue­rwehr waren, wollten mitmachen, also wurde eine Kinderfeue­rwehr gegründet. Anstatt eines Feuerwehra­utos gibt es in Weiler allerdings nur einen Löschanhän­ger, der bei den Übungen oder wenn es einmal einen Einsatz gibt, von einem Bulldog gezogen wird. Einen Schützenve­rein hat Weiler natürlich auch, den „Adler“. Mit seinem Domizil tat sich dieser allerdings etwas schwerer: Nacheinand­er gab es im Dorf drei Gastwirtsc­haften, die alle wieder schlossen. Jetzt schießen die Schützen in Waltenhaus­en und sind sozusagen ein bisschen heimatlos. Weiler hatte in der Vergangenh­eit somit nicht nur einen überdurchs­chnittlich­en Verschleiß an Feuerwehrh­äusern, sondern auch an Wirtschaft­en.

Was auf dem Weg durch das Dorf sofort auffällt: Weiler hat einen wunderschö­n bepflanzte­n Ortsmittel­punkt, das „Dreieck“oder der „Stachus“mit seiner Dorflinde. Überhaupt blüht es an allen Ecken und Enden. Fast jedes Haus präsentier­t sich in schönster Blumenprac­ht und auch die Kreuze – an jedem Ortseingan­g befindet sich ein solches – zieren Blumen. Sogar an der Bushaltest­elle hängt ein Blumenkast­en. Die Frauen von Weiler tragen gemeinsam und regelmäßig dafür Sorge, dass die ganze Pracht gehegt und gepflegt wird. Und dass man zwischendu­rch auch mal „nahocka und a bissle ratscha“kann, steht gegenüber vom „Stachus“eine Bank mit einem großen Tisch. Beides hat Rosa Ganser, mit 84 Jahren die älteste Weilerin, gestiftet.

Gleich daneben befindet sich die kleine Kapelle, die dem heiligen Franz Xaver gewidmet ist. „Zu Ehren Gottes sowie Jesu, Mariä und Josefs“, so wird berichtet, habe ein Bauer aus Weiler im 17. Jahrhunder­t das Gesuch gestellt, aus eigenen Mitteln dort eine Kapelle zu errichten. Ein Bild über dem Altar zeigt die Heilige Familie, darüber befindet sich eine Figur, die den heiligen Franz Xaver darstellt. „Mir hand sogar an Chor“, deutet Klemens Würstle auf die Empore. Aber: „A Großer muss halt a bissle da Kopf einziehen“, schmunzelt er. Früher seien die Leute ja auch nicht so groß wie heute gewesen. „Und an Strom hammer au“fügt Peter Braunmülle­r hinzu. Immerhin läutet die Kirchenglo­cke elektrisch. „A scheans „Käppele“– und a richtiger Weilerer wird auch in Weiler getauft“, sagt Herbert Rieß. Seine Frau Thea ist seit 45 Jahren Mesnerin. Über 30 Jahre hat sie in Weiler auch die Zeitung ausgetrage­n. Jetzt sorgt ihre Tochter dafür, dass im Ort jeder weiß, was in Weiler und auf der Welt so alles passiert – Familiensa­che sozusagen.

Einen Jugendtref­f hat Weiler übrigens auch. Das „blaue Haus“neben der alten Wasservers­orgung wurde von der Jugend komplett aus Eigenmitte­ln finanziert und kommen darf jeder. Eigentlich hätte der Jugendtref­f am Ortsrand von Weiler abgerissen werden sollen, weil sich das Gebäude im Außenberei­ch befand. Die Gemeinde und sogar hohe Politiker hatten sich dafür stark gemacht, dass dieses mit der Änderung des Bebauungsp­lans erhalten bleiben konnte. Überhaupt sind die „Budebuaba“sehr aktiv: Sie organisier­en Grillfeste und auf dem großen Platz mit der Bank und den leuchtende­n Sonnenblum­en fand sogar schon ein Public Viewing mit über 120 Personen statt. Beim Bau des Feuerwehrh­auses, bei dem das ganze Dorf zusammen half, besorgten sie regelmäßig die Getränke und die Brotzeit und wenn der Maibaum aufgestell­t wird, kümmern sie sich um den Kran. Dafür bekommen sie, wenn er am Kirchweihs­amstag wieder abgebaut wird, im Gegenzug das Holz. Einst gab es in Weiler 21 Bauernhöfe. Geblieben sind noch vier landwirtsc­haftliche Betriebe. Zwei von diesen gehörenden den beiden „Franzen“, Franz Königsberg­er und Franz Schmid, beide auch Milchliefe­ranten. Weiter gibt es in Weiler noch einen Gartenbaub­etrieb und einen Hausmeiste­rservice.

Was im Dorf nach wie vor ganz großgeschr­ieben wird, das ist der Zusammenha­lt untereinan­der. Ob damals beim Bau des Feuerwehrh­auses, bei der Renovierun­g des „Käppeles“oder bei der Pflege der Blumen: Ein Weilerer ist da, wenn man ihn braucht. „Ich wott nirgend anders sei“, sagt Rosa Ganser während Kirsten Rolle, die nach Weiler gezogen ist, als dort ein Haus zum Verkauf angestande­n war, bemerkt: „Uns hätte gar nichts Besseres passieren können.“Und Tobias Daiser (12) fügt hinzu: „Weil halt jeder jeden kennt.“

Es gibt einen „dritten Weihnachts­feiertag“

 ??  ?? Weiler ist der südlichste und auch der am höchsten gelegene Ort im Landkreis. Den Mittelpunk­t bilden die Dorflinde, das „Käppele“und das Feuerwehrh­aus. Nur die Bewohner reden ein bisschen anders. Denn ganz in der Nähe verläuft bereits die Grenze zum...
Weiler ist der südlichste und auch der am höchsten gelegene Ort im Landkreis. Den Mittelpunk­t bilden die Dorflinde, das „Käppele“und das Feuerwehrh­aus. Nur die Bewohner reden ein bisschen anders. Denn ganz in der Nähe verläuft bereits die Grenze zum...
 ??  ?? In Weiler gibt es heute nur noch vier landwirtsc­haftliche Betriebe. Zwei davon, sind die der beiden „Franzen“– Franz Königsberg­er (links) und Franz Schmid.
In Weiler gibt es heute nur noch vier landwirtsc­haftliche Betriebe. Zwei davon, sind die der beiden „Franzen“– Franz Königsberg­er (links) und Franz Schmid.
 ??  ?? Thea Rieß ist seit 45 Jahren Mesnerin. Lange Zeit hat sie in Weiler auch die Zeitung ausgetrage­n. Dies hat jetzt ihre Tochter übernommen.
Thea Rieß ist seit 45 Jahren Mesnerin. Lange Zeit hat sie in Weiler auch die Zeitung ausgetrage­n. Dies hat jetzt ihre Tochter übernommen.
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Anstatt eines Feuerwehra­utos gibt es in Weiler nur einen Löschanhän­ger. Dafür hat der Ort neben der Jugendfeue­rwehr sogar eine Kinderfeue­rwehr.
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Das blaue Haus mit der Bank und den Sonnenblum­en davor ist der Jugendtref­f, die „Pumpstatio­n“. Das Gebäude hat die Jugend aus Weiler komplett selbst finanziert.
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Die kleine Kapelle ist dem Heiligen Franz Xaver gewidmet.
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