Mittelschwaebische Nachrichten
Immer mehr Frauen trinken Alkohol
Was früher verpönt war, ist nun gesellschaftlich kein Problem mehr. Aber Ärzte warnen vor den Folgen. Der weibliche Körper kann das Zellgift schlechter abbauen als der männliche
Augsburg Frauen, die in der Öffentlichkeit Alkohol trinken? Das galt vor gut 100 Jahren noch als ein Unding. Es stand in erster Linie den Männern zu, einen zu heben und auch mal einen in der Krone zu haben. Stichwort Burschenschaften. Trinken bis zum Umfallen gehörte da dazu. „Bis in die 1970er Jahre beispielsweise haben Frauen eher heimlich daheim getrunken – Schnaps und Likör aus Kummer oder Einsamkeit“, sagt auch Dr. Friederike Rahlf-Martin, Suchtkoordinatorin beim Bezirk Schwaben.
Doch heute ist das anders. Wer sich an den Wochenenden nachts vor Klubs oder Kneipen umschaut, sieht oft genauso viele an- oder betrunkene junge Frauen wie Männer.
Gleichzeitig ist auch die Zahl der Frauen stark gestiegen, die ein problematisches Trinkverhalten haben, erläutert Dr. Albert Putzhammer, Ärztlicher Direktor der Bezirksklinik Kaufbeuren, die eine große Suchtfachabteilung hat. Dann ist man zwar nicht alkoholkrank, befindet sich aber womöglich auf dem Weg dahin und schädigt zumindest auf die Dauer seinen Körper. Genaue Zahlen darüber, wie viele Menschen in Deutschland ein problematisches Trinkverhalten haben, es zwar nicht, aber man könne davon ausgehen, dass sich Frauen und Männer in diesem Punkt allmählich angleichen, sagt Putzhammer.
Dabei vertragen Frauen wesentlich weniger Alkohol als Männer
– aus genetischen Gründen. Sie können das Zellgift nicht so gut abbauen. Frauen sind auch schneller alkoholkrank als Männer, wenn sie über Jahre die gleiche Menge trinken.
Zwar sind beispielsweise in der Suchtfachabteilung der Bezirksklinik Kaufbeuren nur 32 Prozent der aufgenommenen Menschen mit einer Alkoholkrankheit Frauen. Ein Wert, der sich übrigens mit schwaben-, bayern- und bundesweiten Zahlen gut decke, wie Putzhammer betont. Aber dieser ist relativ stark gestiegen. Vor acht Jahren lag der Wert in Kaufbeuren bei 28,5 Prozent. Das sei statistisch gesehen eine doch nicht unerhebliche Steigerung.
Der Leiter der Kaufbeurer Suchtmedizin, Oberarzt Dr. Alfred Hecker, weiß aus der klinischen Praxis, dass eine Alkoholkrankheit bei Frauen oft nur ein sekundäres Symptom ist. „Diese Krankheit entgebe wickelt sich oft infolge von Traumaerlebnissen, bereits bestehenden Depressionen oder Persönlichkeitsstörungen.“
Eher seltener rutsche eine Frau einfach nur über das Feiern in eine Alkoholkrankheit. Anfänglich konsumieren Frauen zunächst eher Wein, Sekt oder Bier, sagt Hecker. Später gehe es über zu härteren Sachen wie Schnaps. „Im fortgeschrittenen Stadium kehrt sich das wieder
Herz Kreislauf Probleme durch hohen Blutdruck
um, weil die Leber nicht mehr mitmacht.“
Zu hoher Alkoholkonsum kann zu gefährlichen Krankheiten führen – im Besonderen zu Leberzirrhose, Krebs, Nervenschäden samt Gleichgewichtsstörungen, Magenproblemen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, etwa durch hohen Blutdruck, und Schädigungen des Embryos bei Schwangerschaften. Dazu kommen soziale Folgen wie Verlust des Partners oder der Familie, der Wohnung, der Arbeit, des Führerscheins und der sozialen Stellung. Insgesamt, so rät Putzhammer, sollte man vorsichtig sein mit dem Alkoholkonsum. Das gelte natürlich auch für die Männer.