Mittelschwaebische Nachrichten
Euphorisch, effektiv und endlich erwachsen
Trainer Stephan Hofmeister über eine perfekte Vorbereitung der Weinroten, einen neuen Leistungsträger und die Chance, aus einer Möglichkeit Realität zu bauen. Die Lederhose bleibt trotzdem im Schrank – vorerst
Herr Hofmeister, auf den letzten Drücker ist die Mannschaft im Frühjahr in der Bayernliga geblieben. Wie machen Sie den Fans Hoffnung, dass sie diesmal keine Zittersaison erleben müssen? Hofmeister: Bei uns ist die Bayernliga-Euphorie ungebrochen riesengroß. Wir haben den hart erkämpften Klassenerhalt zudem als große Chance begriffen und wir haben es in der zweiten Saison auch deshalb leichter als in der ersten, weil die Spieler ein Jahr älter geworden sind.
Den Reifeprozess dokumentieren unter anderem die positiven Ergebnisse in der Vorbereitung. Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung Ihres Teams? Hofmeister: Es ist das erste Mal, dass ich mit einer Vorbereitung rundum zufrieden bin. Es lief wie von selbst und die Spieler waren mit ganzem Herzen dabei. Sie verstehen inzwischen auch die Notwendigkeit der hohen Trainingsbelastung besser. Also: Ich bin tiefenentspannt – und wir freuen uns alle auf die Runde.
Keine Spur von Reizklima? Hofmeister: Ich mag Reizklima, aber das war diese Saison nicht notwendig. Das war eine ganz andere Hofmeister-Vorbereitung als sonst. Ehrlich: Schützlinge von früher würden mich nicht wiedererkennen. Aber es lag wirklich am Einsatz der Spieler, an ihrer Begeisterung für die Sache.
Zwischendurch gab es ein paar Verletzungen. Sind alle Spieler wieder fit? Hofmeister: Jonas Lehr, Niko Hermann und Michael Jahn hatten Verletzungen, wie sie in einer Vorbereitung halt auftreten. Aber das hat uns nicht arg gestresst. Zum Rundenstart sind sie alle fit. Echte Sorge bereitet uns dagegen Patrick Rösch. Er hatte wegen eines Muskelabrisses eine schwere Operation zu überstehen und die Vernarbung bereitet nun größte Probleme. Wir setzen in dieser Sache auf einen Torwartkolle- früherer Tage, Bernd Ebner. Bei dem ist er in osteopathischer Behandlung. Ich hoffe, dass der das wieder hinbekommt.
Mit Manuel Scholz hat sich der VfL einen lange umworbenen Könner geangelt. Welche Rolle übernimmt er in Ihrer Spielphilosophie? Hofmeister: Er passt ideal zu uns. Einmal, weil er zwar auf dem Papier schon auf die 30 zugeht, aber immer noch ehrgeizig ist wie ein 18-Jähriger. Dann ist er nicht der typische Krafthandballer, sondern technisch filigran. Und er hat sich in der Gruppe perfekt eingefügt. Er wird natürlich im Rückraum eine Führungsrolle übernehmen, vor allem durch seine Top-Effektivität. An der hat es in der vergangenen Saison aufgrund unserer Jugend ja häufig gemangelt.
Gibt es weitere Neuzugänge? Hofmeister: Nein. Für Patrick Rösch haben wir Dennis Mendle, der vergangene Saison A-Jugend und zweite Mannschaft spielte, hochgezogen. Das ist ja unsere Stärke und Teil des Günzburger Modells: Wenn wir ein Problem haben, können wir immer auf die eigene Jugend zurückgreifen.
Zum Sportlichen: Am Samstag geht’s mit dem Spiel in Waldbüttelbrunn los – und das Auftaktprogramm in der Bayernliga hat es in sich. Hofmeister: Unsere beiden ersten Gegner gehören zum engsten Favoritenkreis. Waldbüttelbrunn war zuletzt Dritter, Landshut Überraschungszweiter. Und wir spielen zweimal auswärts. Aber es hat auch einen Riesenvorteil: Die zwei schwierigsten Spiele der Saison haben wir gleich im September weg.
Stichwort Drei-Jahres-Plan: Nach Ihrer eigenen Festlegung sollte der VfL Günzburg im Frühjahr 2019 in die Dritte Liga aufsteigen. Bleibt das weiterhin realistisch? Hofmeister: Das ist die Vision, die wir haben. Natürlich ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich gering. Aber wir haben die Chance, aus einer kleinen eine größere Wahrscheingen lichkeit und vielleicht Realität zu bauen.
Die meisten Vereine, die knapp einem Abstieg entronnen sind, sprechen danach erst mal vom Klassenerhalt als Ziel für die kommende Runde. Hofmeister: Auch wir hoffen zunächst, dass wir trotz des happigen Auftaktprogramms in dieser Saison mit dem Abstieg überhaupt nichts zu tun haben. Aber die meisten unserer Spieler sind ja erst 22. Die machen jedes Jahr einen großen Leistungsschub. Ich halte die Vision für realistisch – und der Drei-JahresPlan ist in der Mannschaft anerkannt.
Vielleicht beschleunigt es die Sache, wenn Sie für den Job am Spielfeldrand die Lederhose mal wieder aus dem Schrank holen. Die setzte in Ihrer Zeit als Trainer der A-Jugend modische Standards und erhielt obendrein Glücksbringer-Status. Hofmeister: Die Lederhose wird erst in der dritten Liga wieder angezogen. Zählt zum Drei-Jahres-Plan eigentlich auch, dass die Tage des Cheftrainers Hofmeister beim VfL gezählt sein könnten, wenn es nicht klappt? Hofmeister: Dem VfL Günzburg werde ich immer verbunden bleiben. Aber es kann unabhängig von sportlichen Resultaten sein, dass sich in drei oder in fünf Jahren mein Aufgabenbereich verändert. Generell gibt es für mich bei der ersten Mannschaft noch jede Menge zu tun. Allerdings: Wenn ich merke, dass sich die Mannschaft mit mir langweilt, höre ich auf.
Landkreis-Rivale Niederraunau ist abgestiegen, versucht sein Glück nun wieder in der Landesliga. Wie beurteilen Sie die Chancen, dass der Nachbar in die Bayernliga zurückkehrt? Hofmeister: Im Testspiel gegen uns ist Niederraunau stark aufgetreten, stellte eine sehr dichte Abwehr. Ich hoffe, dass der TSV trotz seiner eigenen bescheidenen Äußerungen in der Landesliga wieder ganz oben angreift. Wir machen beide das Gleiche – nur an verschiedenen Orten.
Bleiben wir vor der eigenen Haustür. Burgau sieht schon lange keinen Handball mehr, Leipheim hat keine Männer und keine eigenen Jugendmannschaften, die Ichenhauser Männer sind aus der Bezirksoberliga abgestiegen. Wie’s scheint, taumelt Handball in der Region trotz aller Erfolge deutscher Teams der Bedeutungslosigkeit entgegen. Eine Momentaufnahme? Hofmeister: Wir bedauern diese Entwicklung sehr. Wir hoffen, dass sich der SC Ichenhausen dieses Jahr fängt und wieder aufsteigt – und auch seine jahrzehntelang gute Jugendarbeit wieder in den Griff bekommt. Von meiner Seite aus gibt’s immer wieder Anregungen, Standorte wie Burgau, Leipheim und Ichenhausen zu unterstützen. Da wird mir aber innerhalb des VfL nicht gefolgt.
„Ehrlich: Schützlinge von früher würden mich nicht wiedererkennen.“
„Wenn ich merke, dass sich die Mannschaft mit mir langweilt, höre ich auf.“