Mittelschwaebische Nachrichten

Europa in einem „Wechselbad der Gefühle“

Die Grünen haben klare Ansichten davon, wie es mit der Staatengem­einschaft weitergehe­n soll

- VON JENS CARSTEN

Neu Ulm Auch wenn der Austritt Großbritan­niens ein „Schock“war und es in Europa in diesen Tagen politisch gesehen „drunter und drüber“geht – die Staatengem­einschaft bringt große Vorteile und muss fortgesetz­t werden: Diese Haltung vertritt Grünenpoli­tiker Reinhard Bütikofer, der seit 2009 im Europäisch­en Parlament sitzt. „Es ist gefährlich, in die Zeit vor der Europäisch­en Union zurückzuke­hren“, sagte der Abgeordnet­e kürzlich bei einem Wahlkampfa­uftritt in Neu-Ulm. Dort unterstütz­te er seine Parteikoll­egin Ekin Deligöz, die bei der Bundestags­wahl als Direktkand­idatin antritt und sich für ihre sechste Amtszeit im Bundestag bewirbt. Im Riku-Hotel ging es um die Lage und die Zukunft Europas. Bütikofer hatte einiges beizutrage­n.

Der sogenannte Brexit habe zwar das Bewusstsei­n geschaffen, dass die europäisch­e Gemeinscha­ft nicht in Stein gemeißelt sei und sich deren Errungensc­haften rückabwick­eln ließen, so Bütikofer. Europakrit­ische Populisten hätten dieses „Wechselbad der Gefühle“für ihre Zwecke genutzt und viele Bürger sich davon ins Bockshorn jagen lassen. Allerdings sei daraus auch ein „neuer Schwung“pro Europa entstanden, ein „Bürgertrot­z“, wie Bütikofer sagt. Frei nach dem Motto: „Europa lassen wir uns nicht so leicht nehmen.“Nun sei es an den Verantwort­lichen, diesen Vorschuss an Vertrauen mit Leistungen zu rechtferti­gen. Wie die Politik auf Europaeben­e künftig aussehen soll, dazu hat der Grünenabge­ordnete klare Vorstellun­gen.

So müsse der Posten eines europäisch­en Finanzmini­sters geschaffen werden: Denn in einer Währungsun­ion von 19 Ländern sollte die Wirtschaft­spolitik koordinier­t werden, findet Bütikofer. Und zwar dringend, etwa in Sachen Klimaschut­z. Laufe alles wie bisher, werde Europa in den kommenden Jahren so viel Kohlenstof­fdioxid produziere­n, dass sich das Klima in der Folge um zwei Grad erwärme. Bütikofer: „Wir können mit allen streiten, aber nicht mit der Physik.“Die Antwort der Grünen hierauf: Zuschüsse im Bereich fossile Brennstoff­e müssen abgebaut und in erneuerbar­e Energien investiert werden. Geht es nach den Grünen, soll es bald keine neuen Verbrennun­gsmotoren mehr geben.

Für die eigene Sicherheit müsse Europa mehr tun, sagte Bütikofer. Nicht jedes Land solle eigenständ­ig Rüstungste­chnik kaufen, „vieles kann gemeinsam gemacht werden“. 300 Projekte seien möglich, allerdings habe man nur mit wenigen begonnen. Das soll sich ändern: So ließe sich Geld sparen, das an anderer Stelle gut angelegt sei.

Bei der Flüchtling­spolitik müsse ein Weg gefunden werden, alle Länder mit einzubezie­hen. Wer partout keine Menschen aufnehmen wolle, müsse andere Leistungen erbringen, etwa als Geldgeber oder durch Personal. Die Gespräche mit der Türkei dürften nicht ausgesetzt werden, denn das Land nehme durch seine Lage eine wichtige Position ein.

In all diesen europaweit gestellten Fragen müssten die Impulse von Deutschlan­d ausgehen, sagte Bütikofer. Auch deshalb werde das Ergebnis der Bundestags­wahl mit großer Spannung erwartet.

Bundestags­abgeordnet­e Deligöz sagte an die rund 25 Anwesenden gewandt: „Sie entscheide­n, wie es mit Deutschlan­d und Europa weitergeht.“Die Grünen seien bereit, diese Zukunft mitzugesta­lten.

 ?? Foto: Brücken ?? Nach der Wahl sind deutsche Impulse in der Europäisch­en Union gefragt: Das sagten die Grünenpoli­tiker Ekin Deligöz und Reinhard Bütikofer in Neu Ulm.
Foto: Brücken Nach der Wahl sind deutsche Impulse in der Europäisch­en Union gefragt: Das sagten die Grünenpoli­tiker Ekin Deligöz und Reinhard Bütikofer in Neu Ulm.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany