Mittelschwaebische Nachrichten
Nach drei Kriegsjahren: das Ende aller Träume vom Weltreich
Unsere Kolonien mit ihren schwachen Besatzungen und ohne Unterstützung von dem Mutterlande konnten den Feinden nicht lange Widerstand leisten. Ende August besetzten die Franzosen und Engländer Samoa, im September die Engländer den Bismarck-Archipel mit Herbertshöhe, die Japaner die Marschallinseln, die Karolinen und Marianen.
Die befestigte Stadt Tsingtau in unserer aufblühenden Kolonie Kiautschou wurde von den Japanern mit Unterstützung der Engländer seit Anfang September zu Wasser und zu Lande belagert. Der Gouverneur Meyer Waldeck verteidigte getreu seinen Worten „Einstehe für Pflichterfüllung bis aufs äußerste“die Festung. Anfang November mußte er Tsingtau unter ehrenvollen Bedingungen übergeben.
Von unseren Kolonien in Afrika fiel Togo schon Anfang August in die Hände der Franzosen und Engländer. Längeren Widerstand leisteten die größeren Kolonien. In Kamerun wurde in den ersten Augusttagen Duala besetzt. Jaunde wurde zum Mittelpunkt der Kämpfe. 17 Monate verteidigte der Gouverneur Ebermaier die Kolonie gegen die Übermacht der französischen, englischen und belgischen Streitkräfte. Mit dem Reste der Schutztruppe ging er aus Mangel an Munition im Januar 1916 auf das neutrale spanische Gebiet im Süden der Kolonie über.
Deutsch-Südwestafrika hielt sich mit etwa 5000 Mann gegen 60 000 Mann englischer und südafrikanischer Truppen. Anfang Juli 1915 mußte sich der Rest der Verteidiger aus Mangel an Lebensmitteln unter ehrenvollen Bedingungen ergeben. Oberstleutnant von Heydebreck, der Verteidiger der Kolonie, war schon vorher einer schweren Verwundung erlegen.
Von Deutsch-Ostafrika hält sich gegen Ende des 3. Kriegsjahres noch etwa der vierte Teil gegen eine fast zwanzigfache Übermacht. Es ist der letzte Rest des deutschen Besitzes in Übersee. In den ersten Monaten des Krieges kam es zu kleineren Gefechten. Bei Tanga erlitten die Engländer im November eine schwere Niederlage. Seit März 1916 kämpfen gegen 100 000 Mann, weiße und farbige Engländer, Südafrikaner, Belgier und Portugiesen gegen unsere Schutztruppe. Ihr Führer, Oberst von Lettow-Vorbeck, ist in Anerkennung seiner Verdienste durch den Orden Pour le mérite im April 1917 ausgezeichnet worden.
Aus: „Drei Jahre Weltkrieg“– für einfache Schulverhältnisse bearbeitet von Kreisschulinspektor Schulrat Dr. J. Radtke, Verlag Ferdinand Hirt in Breslau