Mittelschwaebische Nachrichten
Hilfe, die Flächen werden knapp!
Die Industrie- und Handelskammern schlagen Alarm: Firmen fehlt zunehmend Platz für Erweiterungen. Und auch der Wohnraum ist knapp. Das könnte böse Folgen haben
Günzburg/Ulm Eigentlich ist Peter Lintner kein pessimistischer Mensch. Doch wenn es um die Ergebnisse eines aktuellen Gutachtens geht, sieht der Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Schwaben keine Lösung in Reichweite. Bis 2030 fehlen in der gesamten Region Donau-Iller bis zu 1400 Hektar Gewerbeflächen. Selbst nach Abzug der von Kommunen bereits in Flächennutzungs- und Bebauungsplänen ausgewiesenen Flächen bleibe ein 700-Hektar-Loch. Das heißt: Nur die Hälfte des bis zum Jahr 2030 bereits absehbaren Bedarfs ist demnach gedeckt.
Dies ist das Ergebnis eines Gutachtens der Imakomm Akademie zur Baulandentwicklung rund um Ulm. Eine Knappheit, die dramatische Folgen für Firmen und ihre Mitarbeiter von Ulm über Neu-Ulm bis in den Kreis Günzburg haben könnte. „Es ist ein Desaster für Firmen, wenn sie die Flächen nicht kriegen, die sie brauchen“, sagt Lintner. Wenn eine Firma nicht erweitern könne, bleibe oftmals nur die Verlagerung.
Vor diesem Hintergrund ist es etwa noch ein Glücksfall, dass die Ulmer Firma Mayser, der es in Ulm zu eng wurde, wie berichtet den Betrieb nach Senden verlagert und so in der erweiterten Region bleibt. Auch der Kindersitz-Experte Britax-Römer fand in Ulm keine geeigneten Flächen und hat seine Zelte im interkommunalen Gewerbegebiet Areal Pro zwischen Leipheim und Günzburg aufgeschlagen. Auch in diesem Fall bleiben die Arbeitsplätze in der Region. Besonders knapp sind die Gewerbeflächen entlang den Autobahnen 7 und 8 sowie der Bundesstraße 30. Wobei der Raum Ulm/Neu-Ulm der Hotspot ist, wie Otto Sälzle, der Hauptgeschäftsführer der IHK Ulm, betont.
Selbst unter Berücksichtigung vorhandener Planungen fehlten bis 2030 laut Imakomm-Mitarbeiter Matthias Prüller, der maßgeblich an der Studie beteiligt war, in Raum Ulm bis zu 150 Hektar, im Kreis Neu-Ulm bis zu 100 Hektar sowie im Kreis Günzburg bis zu 90 Hektar an Gewerbeflächen. Guter Rat ist nun teuer. In Niedrigzins-Zeiten sei es besonders schwierig, Flächen zu erwerben, so Sälzle. Deshalb sei längst nicht jede Fläche für ein Gewerbegebiet verfügbar, auch wenn sie entsprechend überplant wurde.
Die Studie weist darauf hin, dass für etwa 27 Prozent der Betriebe nicht vorhandene Flächen schon jetzt ein Entwicklungshemmnis darstellen. 35 Prozent der Unternehmen planen in den nächsten fünf Jahren eine Betriebserweiterung. Dabei sind die Breitbandversorgung und die Erreichbarkeit über die Straße weiterhin zwei der wichtigsten Standortfaktoren für die Firmen. „Das Gutachten bestätigt damit, dass Unternehmen bereits heute Schwierigkeiten haben, dringend benötigte Flächen für Erweiterungen zu finden. Fehlen den Firmen geeignete Erweiterungsflächen, werden sie sich zwangsläufig in anderen Regionen umsehen. Damit auch zukünftig expandierende Firmen die Region Donau-Iller nicht verlassen müssen, appelliert Lintner, die Neuausweisung von Gewerbeflächen zu erleichtern anstatt zu erschweren. Ein derzeit in der Diskussion stehender Volksentscheid über eine Obergrenze für die Neuausweisung von Flächen in der Landesplanung gehe in die entgegengesetzte Richtung. Die Innenverdichtung, also die effizientere Nutzung von vorhandenen Gewerbeflächen, sei weitgehend ausgereizt. Und auch die Nutzung von Konversionsflächen, wie etwa dem Leipheimer Fliegerhorst (jetzt: Areal Pro) stoße an Grenzen.
Dem widerspricht Günzburgs Oberbürgermeister Gerhard Jauernig (SPD) zumindest für die kommenden Jahre. „Wir haben noch Reserven“, sagt er. Bislang seien bereits 1200 Arbeitsplätze entstanden. Dabei werde auf nachhaltiges Wachstum mit hochwertigen Jobs geachtet. „Wir haben gemerkt, dass dieses gemeinsame Gewerbegebiet nicht nur unser Fleisch, sondern unser Filetstück ist.“Daher könnten „verkehrsintensive Betriebe“wie Logistikunternehmen nicht mehr auf einen Zuschlag hoffen.
Der Geschäftsmann Ferdinand Munk (Günzburger Steigtechnik) nennt einen Grund für die starke Nachfrage: „Unternehmen finden die Lage in unserer Region attraktiv. Die Verkehrsanbindung passt. Große Städte sind nicht weit entfernt.“Kunden seien inzwischen in starkem Maße an einer Lieferung „just in time“interessiert. „Da wird nichts mehr gelagert, also muss ich die Lager vorhalten.“
Der von einzelnen politischen Parteien vorgebrachte Vorschlag, in die Höhe zu bauen, um weiteren Flächenfraß zu vermeiden, sei nicht praktikabel. „Parkhäuser und Bürogebäude können Sie in die Höhe bauen. Eine Produktion muss ebenerdig sein, sonst ist das nicht wirtschaftlich“, sagt Munk. Selbst im Handel würden in großen Kaufhäusern noch die beiden ersten Etagen von Kunden ordentlich frequentiert, „im dritten Stock ist das schon nicht mehr so“.
Neben den Gewerbeflächen ist auch bei Wohnbauflächen, insbesondere im Bereich Ulm/Neu-Ulm, die Nachfrage höher als das Angebot. Die Themen Wohnraum und Gewerbeflächen hängen zusammen, wie Lintner betont. Die Nachfrage nach Wohnraum orientiert sich an der Lage auf dem Arbeitsmarkt. Und Fachkräfte ließen sich nur gewinnen und halten, wenn bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung steht. An dem Punkt will der Unternehmer Munk ansetzen. Mit Mitgliedern des Günzburger Lions Clubs, dessen Präsident er ist, war er am Wochenende unterwegs und besichtigte Industriegebiete und vom Club unterstützte Projekte in Günzburg, Leipheim, Kötz, Ichenhausen, Wettenhausen, Jettingen-Scheppach und Ursberg. „Wir brauchen für die Mitarbeiter der Firmen bezahlbaren Wohnraum.“Munk regt eine konzertierte Aktion gerade auch kleinerer Ortschaften und der Wirtschaft an.
IHK: Volksentscheid geht in die falsche Richtung
Die Studie Die Imakomm Akademie aus Aalen befragte für die Studie über die Baulandentwicklung für die Region Donau Iller 164 Kommunen im Gebiet des Regionalverbands Donau Iller. Dazu gehören auf baden württembergischer Seite der Alb Donau Kreis, Biberach so wie der Stadtkreis Ulm. Auf der bayeri schen Seite umfasst die Region die Land kreise Günzburg, Neu Ulm und Unter allgäu sowie die Stadt Memmingen.