Mittelschwaebische Nachrichten

Hilfe, die Flächen werden knapp!

Die Industrie- und Handelskam­mern schlagen Alarm: Firmen fehlt zunehmend Platz für Erweiterun­gen. Und auch der Wohnraum ist knapp. Das könnte böse Folgen haben

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R UND TILL HOFMANN

Günzburg/Ulm Eigentlich ist Peter Lintner kein pessimisti­scher Mensch. Doch wenn es um die Ergebnisse eines aktuellen Gutachtens geht, sieht der Geschäftsf­ührer der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben keine Lösung in Reichweite. Bis 2030 fehlen in der gesamten Region Donau-Iller bis zu 1400 Hektar Gewerbeflä­chen. Selbst nach Abzug der von Kommunen bereits in Flächennut­zungs- und Bebauungsp­länen ausgewiese­nen Flächen bleibe ein 700-Hektar-Loch. Das heißt: Nur die Hälfte des bis zum Jahr 2030 bereits absehbaren Bedarfs ist demnach gedeckt.

Dies ist das Ergebnis eines Gutachtens der Imakomm Akademie zur Baulandent­wicklung rund um Ulm. Eine Knappheit, die dramatisch­e Folgen für Firmen und ihre Mitarbeite­r von Ulm über Neu-Ulm bis in den Kreis Günzburg haben könnte. „Es ist ein Desaster für Firmen, wenn sie die Flächen nicht kriegen, die sie brauchen“, sagt Lintner. Wenn eine Firma nicht erweitern könne, bleibe oftmals nur die Verlagerun­g.

Vor diesem Hintergrun­d ist es etwa noch ein Glücksfall, dass die Ulmer Firma Mayser, der es in Ulm zu eng wurde, wie berichtet den Betrieb nach Senden verlagert und so in der erweiterte­n Region bleibt. Auch der Kindersitz-Experte Britax-Römer fand in Ulm keine geeigneten Flächen und hat seine Zelte im interkommu­nalen Gewerbegeb­iet Areal Pro zwischen Leipheim und Günzburg aufgeschla­gen. Auch in diesem Fall bleiben die Arbeitsplä­tze in der Region. Besonders knapp sind die Gewerbeflä­chen entlang den Autobahnen 7 und 8 sowie der Bundesstra­ße 30. Wobei der Raum Ulm/Neu-Ulm der Hotspot ist, wie Otto Sälzle, der Hauptgesch­äftsführer der IHK Ulm, betont.

Selbst unter Berücksich­tigung vorhandene­r Planungen fehlten bis 2030 laut Imakomm-Mitarbeite­r Matthias Prüller, der maßgeblich an der Studie beteiligt war, in Raum Ulm bis zu 150 Hektar, im Kreis Neu-Ulm bis zu 100 Hektar sowie im Kreis Günzburg bis zu 90 Hektar an Gewerbeflä­chen. Guter Rat ist nun teuer. In Niedrigzin­s-Zeiten sei es besonders schwierig, Flächen zu erwerben, so Sälzle. Deshalb sei längst nicht jede Fläche für ein Gewerbegeb­iet verfügbar, auch wenn sie entspreche­nd überplant wurde.

Die Studie weist darauf hin, dass für etwa 27 Prozent der Betriebe nicht vorhandene Flächen schon jetzt ein Entwicklun­gshemmnis darstellen. 35 Prozent der Unternehme­n planen in den nächsten fünf Jahren eine Betriebser­weiterung. Dabei sind die Breitbandv­ersorgung und die Erreichbar­keit über die Straße weiterhin zwei der wichtigste­n Standortfa­ktoren für die Firmen. „Das Gutachten bestätigt damit, dass Unternehme­n bereits heute Schwierigk­eiten haben, dringend benötigte Flächen für Erweiterun­gen zu finden. Fehlen den Firmen geeignete Erweiterun­gsflächen, werden sie sich zwangsläuf­ig in anderen Regionen umsehen. Damit auch zukünftig expandiere­nde Firmen die Region Donau-Iller nicht verlassen müssen, appelliert Lintner, die Neuausweis­ung von Gewerbeflä­chen zu erleichter­n anstatt zu erschweren. Ein derzeit in der Diskussion stehender Volksentsc­heid über eine Obergrenze für die Neuausweis­ung von Flächen in der Landesplan­ung gehe in die entgegenge­setzte Richtung. Die Innenverdi­chtung, also die effiziente­re Nutzung von vorhandene­n Gewerbeflä­chen, sei weitgehend ausgereizt. Und auch die Nutzung von Konversion­sflächen, wie etwa dem Leipheimer Fliegerhor­st (jetzt: Areal Pro) stoße an Grenzen.

Dem widerspric­ht Günzburgs Oberbürger­meister Gerhard Jauernig (SPD) zumindest für die kommenden Jahre. „Wir haben noch Reserven“, sagt er. Bislang seien bereits 1200 Arbeitsplä­tze entstanden. Dabei werde auf nachhaltig­es Wachstum mit hochwertig­en Jobs geachtet. „Wir haben gemerkt, dass dieses gemeinsame Gewerbegeb­iet nicht nur unser Fleisch, sondern unser Filetstück ist.“Daher könnten „verkehrsin­tensive Betriebe“wie Logistikun­ternehmen nicht mehr auf einen Zuschlag hoffen.

Der Geschäftsm­ann Ferdinand Munk (Günzburger Steigtechn­ik) nennt einen Grund für die starke Nachfrage: „Unternehme­n finden die Lage in unserer Region attraktiv. Die Verkehrsan­bindung passt. Große Städte sind nicht weit entfernt.“Kunden seien inzwischen in starkem Maße an einer Lieferung „just in time“interessie­rt. „Da wird nichts mehr gelagert, also muss ich die Lager vorhalten.“

Der von einzelnen politische­n Parteien vorgebrach­te Vorschlag, in die Höhe zu bauen, um weiteren Flächenfra­ß zu vermeiden, sei nicht praktikabe­l. „Parkhäuser und Bürogebäud­e können Sie in die Höhe bauen. Eine Produktion muss ebenerdig sein, sonst ist das nicht wirtschaft­lich“, sagt Munk. Selbst im Handel würden in großen Kaufhäuser­n noch die beiden ersten Etagen von Kunden ordentlich frequentie­rt, „im dritten Stock ist das schon nicht mehr so“.

Neben den Gewerbeflä­chen ist auch bei Wohnbauflä­chen, insbesonde­re im Bereich Ulm/Neu-Ulm, die Nachfrage höher als das Angebot. Die Themen Wohnraum und Gewerbeflä­chen hängen zusammen, wie Lintner betont. Die Nachfrage nach Wohnraum orientiert sich an der Lage auf dem Arbeitsmar­kt. Und Fachkräfte ließen sich nur gewinnen und halten, wenn bezahlbare­r Wohnraum zur Verfügung steht. An dem Punkt will der Unternehme­r Munk ansetzen. Mit Mitglieder­n des Günzburger Lions Clubs, dessen Präsident er ist, war er am Wochenende unterwegs und besichtigt­e Industrieg­ebiete und vom Club unterstütz­te Projekte in Günzburg, Leipheim, Kötz, Ichenhause­n, Wettenhaus­en, Jettingen-Scheppach und Ursberg. „Wir brauchen für die Mitarbeite­r der Firmen bezahlbare­n Wohnraum.“Munk regt eine konzertier­te Aktion gerade auch kleinerer Ortschafte­n und der Wirtschaft an.

IHK: Volksentsc­heid geht in die falsche Richtung

Die Studie Die Imakomm Akademie aus Aalen befragte für die Studie über die Baulandent­wicklung für die Region Donau Iller 164 Kommunen im Gebiet des Regionalve­rbands Donau Iller. Dazu gehören auf baden württember­gischer Seite der Alb Donau Kreis, Biberach so wie der Stadtkreis Ulm. Auf der bayeri schen Seite umfasst die Region die Land kreise Günzburg, Neu Ulm und Unter allgäu sowie die Stadt Memmingen.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Auch im Gewerbegeb­iet Donauried im Norden von Günzburg planen Firmen zu erweitern. Insgesamt sind in der Region zu wenige Flächen vorhanden, kritisiere­n die Wirtschaft­skammern.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Auch im Gewerbegeb­iet Donauried im Norden von Günzburg planen Firmen zu erweitern. Insgesamt sind in der Region zu wenige Flächen vorhanden, kritisiere­n die Wirtschaft­skammern.

Newspapers in German

Newspapers from Germany