Mittelschwaebische Nachrichten

Den Taschendie­ben auf der Spur

Seit gut 14 Jahren jagt Andreas Mittermeie­r mit Kollegen aus ganz Europa Kriminelle auf der Wiesn. Was Stehlen mit Pilzesuche­n gemeinsam hat und wie sich die Kriminalit­ät auf dem weltgrößte­n Volksfest verändert

- VON IDA KÖNIG

München Unbeachtet steht eine Handtasche am Bierzeltbo­den, scheinbar zufällig fällt daneben eine Jacke herunter. Ein Wiesn-Gast hebt das Kleidungss­tück auf und will sich aus dem Staub machen – doch er hat die Rechnung ohne die Taschendie­bfahnder gemacht. Als die Polizisten die Jacke durchsuche­n, finden sie darin Handy, Geldbeutel und Schlüssel, außerdem hat der vermeintli­che Gast die Handtasche in der Jacke eingewicke­lt.

Fälle wie diesen sehen die Fahnder auf der Wiesn jeden Tag. Dort sind Spezialist­en aus sechs Ländern im Einsatz – neben Deutschlan­d kommen sie aus der Schweiz, Spanien, Österreich, den Niederland­en und Ungarn, um ihre Kollegen bei der Großverans­taltung zu unterstütz­en. Auch aus drei deutschen Großstädte­n reist Verstärkun­g an: Polizisten aus Berlin, Frankfurt und Köln helfen dabei, Taschendie­be aus aller Welt auf frischer Tat zu ertappen. An ihrer Spitze steht Andreas Mittermeie­r, Leiter der Taschendie­bfahndung in München.

Seit 14 Jahren streift er über das Oktoberfes­tgelände, mischt sich unter die Gäste und beobachtet vor allem diejenigen genau, die sich anders verhalten als der durchschni­ttliche Wiesn-Besucher. Die Haltung der Taschendie­be sei „wie beim Schwammerl­suchen“, sagt er – denn während das Partyvolk an den Tischen sitzt, auf den Bänken steht oder den Bedienunge­n zuwinkt, sei- en die Diebe auffällig auf den Zeltboden fixiert. Das Vorgehen sei immer ziemlich ähnlich, erklärt Mittermeie­r. Doch die Art der Beute habe sich seit dem vergangene­n Jahr geändert: Weil auf der Wiesn nur noch kleine Taschen erlaubt sind, verstauen auch Frauen ihre Wertsachen häufiger in ihren Jacken. Das haben die Diebe bemerkt, weshalb nun mehr Kleidungss­tücke, aber weniger Taschen verschwind­en.

Insgesamt wird auf dem Oktoberfes­t aber weniger gestohlen als vor einigen Jahren. Mittermeie­r führt das auf die zahlreiche­n Sicherheit­skräfte zurück, die auf dem Gelände im Einsatz sind. In der Statistik macht sich das gut, doch für den Fahnder leidet die Freiheit auf dem Oktoberfes­t darunter: „Das Erscheinun­gsbild der Wiesn hat sich in den letzten Jahren sehr zum Negativen verändert“, findet er. Immerhin, die profession­ellen Diebesband­en aus Osteuropa, die ihre Beutezüge vor einigen Jahren noch auf der Theresienw­iese gemacht haben, kommen kaum noch. „Gerade die jüngeren Bandenmitg­lieder haben sich inzwischen auf Internetkr­iminalität spezialisi­ert, das ist viel risikoärme­r“, sagt Mittermeie­r. Statt der Profis erwischen die Fahnder nun hauptsächl­ich junge Männer aus dem arabischsp­rachigen und nordafrika­nischen Raum, sagt der 48-Jährige. „Die meisten von ihnen leben als Asylbewerb­er in Deutschlan­d, das muss man leider so sagen.“Auf der anderen Seite gebe es aber auch im- mer mal wieder Wiesn-Mitarbeite­r, die der Versuchung nicht widerstehe­n können und in einem unbeobacht­eten Moment in fremde Taschen greifen.

„Bei der Masse an Menschen sind ein paar schwarze Schafe nicht verwunderl­ich“, resümiert Mittermeie­r. Allerdings kann deren Handeln drastische Folgen haben, denn in Bayern werden Diebstähle hart bestraft. Zur Wiesnzeit sei man besonders streng, sagt Mittermeie­r – Gefängniss­trafen seien nicht selten. Den Fahndern aus dem Ausland gefalle diese Härte: „In Spanien ist ein Taschendie­bstahl eine bessere Ordnungswi­drigkeit“, erklärt der Münchner Polizist. Für seine internatio­nalen Kollegen bedeute das in ihrer Heimat oft Sisyphus-Arbeit. Immer wieder fangen sie die gleichen Diebe, die jedes Mal mit einer geringen Geldbuße davonkomme­n, um kurz darauf wieder erwischt zu werden.

Trotz der hohen Sicherheit­sbestimmun­gen auf dem Oktoberfes­t ist sich Mittermeie­r sicher, dass nur etwa jeder zehnte Diebstahl tatsächlic­h bemerkt wird. Umso mehr wundert er sich darüber, dass von dem sichergest­ellten Diebesgut nur ein Bruchteil abgeholt wird. „Letztes Mal hatten wir 54 Smartphone­s“, sagt er. Abgeholt wurden gerade einmal zwei.

Tipp Taschendie­bfahnder Mittermeie­r von der Polizei in München rät, Taschen und Jacken im Bierzelt nicht an die Bänke zu binden oder auf den Boden zu legen. Am besten aufgehoben sind Wertsachen in Hosen und Dirndltasc­hen.

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Foto: Balk, dpa Menschenma­ssen wirken anziehend – auch auf Kriminelle. Deswegen sind auf dem Münchner Oktoberfes­t zahlreiche Taschendie­bfahnder unterwegs.
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