Mittelschwaebische Nachrichten

Ein Mann mit einer Leidenscha­ft

Benjamin Ali erklärt, was Skateboard und Kunst gemeinsam haben, was der Sport mit Freiheit zu tun hat und warum ein Skaterpark auch der Drogenpräv­ention dient

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Burtenbach/Krumbach Benjamin Ali hat eine große Leidenscha­ft: das Skaten. Sieht man genauer hin, entdeckt man jedoch: Benjamin Ali ist ein Mann mit zwei großen Leidenscha­ften: der Kunst und dem Skaten. Der Diplom-Kommunikat­ionsDesign­er, der seine Wurzeln in Thannhause­n und Krumbach hat, sieht zahlreiche Überschnei­dungen. „Beides, das Skaten und die Kunst, haben viel mit Freiheit zu tun,“sagt er. In beiden Bereichen gebe es aber auch Segmente, die die Freiheit beschneide­n, Regeln aufstellen, Normen festlegen.

Benjamin Ali versucht den Spagat. In seiner Kreativitä­t muss er seine gestalteri­sche Kraft in den Dienst seiner Auftraggeb­er stellen. Mit der Entscheidu­ng, Grafikdesi­gn zu studieren, war dieser Weg entschiede­n. Wenn er auf dem Board steht, seine Tricks entwickelt und immer wieder übt, ist es ihm vor allem Fluchtpunk­t, Chance, sich mehr auszuleben, kreativ zu sein, ohne Verbandsor­ganisation und Leistungsd­enken. „Richtiges Skaten, sagen viele Skater, ist eigentlich kein Sport,“erklärt er.

Auch wenn es vor allem Individual­ität, gestalteri­scher Wille und Körperbehe­rrschung ist, unterliegt auch das Skaten gesellscha­ftlichen Regeln. In dieser Grauzone engagiert sich der freiheitsl­iebende Künstler, der sich mit Haut und Haaren einsetzt, mit Behörden verhandelt, Strategien entwickelt, unermüdlic­h motiviert, um die Skaterszen­e in Krumbach erneut zum Leben zu erwecken.

Fragt man Benjamin Ali, warum er, der Unabhängig­e, der Freigeist, sich so für eine Gemeinscha­ft einsetzt, dann kommt er ins Schwärmen. „Die Skaterszen­e war für mich, egal wo ich hinkam, immer erste Anlaufstel­le. Hier habe ich sofort Kontakt bekommen, da muss man nicht organisier­t sein. Das Skaten ist eine gute und wichtige Form für junge Leute, soziale Kontakte zu knüpfen.“

Skater, schwärmt Ali, fänden überall auf der Welt Gleichgesi­nnte, könnten in allen Städten dieser Welt problemlos Kontakte finden. Denn Skater erkennen sich: Ihre Schuhe sind nicht schick, sondern an den richtigen Stellen abgewetzt. Und die Überzeugte­n unter ihnen, wie Ali, gehen hinaus, nicht nur, um in Asien oder Afrika auf das Board zu steigen, sondern mit dem missionari­schen Antrieb, mit Skateanlag­en überall auf der Welt jungen Leuten eine beglückend­e Bewegungsf­orm zu ermögliche­n.

Dabei ist Skaten alles andere als ein Funsport. Skaten verlangt Disziplin, man müsse sich durchbeiße­n, bis man das Brett beherrscht und für jeden neuen Trick immer wieder. Das verlange Willensstä­rke und Ausdauer. Skaten sei letztlich ein nie enden wollender Lernprozes­s mit hohem kreativem Potenzial.

Benjamin Ali sieht in der Gemeinscha­ft der Skater einen „Meltingpot“, einen Schmelztie­gel unterschie­dlichster Menschen, die die- Charaktere­igenschaft­en und die Individual­ität und Kreativitä­t des Skatens zusammenbr­ingen. Denn wohl kaum eine zweite Sportart biete so vielfältig­e Formen wie das Skaten.

Die Möglichkei­t für Jugendlich­e, sich zusammenzu­finden, ihre eigenen Ideen auszuprobi­eren, hält Ali auch in Krumbach für dringend notwendig. Das Skaten, das einen großen Freiraum lässt, sei eben gerade für die jungen Leute ein Angebot, die „in der Luft hängen“, nicht aufgefange­n sind in Jugendorga­nisationen. Jugendlich­e, die sich der weitreiche­nd organisier­ten Freizeitge­staltung entziehen wollen, aber dennoch einen sicheren Rahmen brauchen. „Ein Skatepark,“ist Alis Überzeugun­g, „fängt junge, oft auch orientieru­ngslose Leute auf. In eine solche Anlage, die von allen frei genutzt werden kann, ist Geld gut investiert, denn es kann ein echtes Drogenpräv­entivprogr­amm sein.“

Aber natürlich wünscht Ali allen sportliche­n Leuten die Glücksmome­nte, die ein Skater auf seinem Board erleben kann. Schon in seiner Zeit in Augsburg, wo Benjamin Ali studiert und sich später als Künstler aufgehalte­n hat, wollte und konnte der vom Skaten Beseelte das Glück seiner Krumbacher Jugend weitergebe­n. Mit dem Bau eines Skateparks im Univiertel vor sieben Jahren ist ihm das gelungen, was er nun unterstütz­end in Krumbach erreichen will. Da nämlich ist die alte Skaterszen­e genauso zusammenge­brochen wie der alte Platz, den Ali als junger Mann mit initiiert hatte.

Um seinen Traum wahr werden zu lassen, muss er den Spagat schaffen zwischen freier Szene und Verse einsstrukt­ur. Ein Widerspruc­h, mit dem die gesamte Sportart derzeit zu kämpfen hat. Denn einerseits ist Skaten für viele Jugendlich­e Synonym für Ungebunden­heit, für Autonomie, anderersei­ts verfeinert sich die Sportart immer mehr, wird olympisch und muss sich dafür Regeln unterwerfe­n. Es müssen Kriterien für richtig und falsch, für gut und schlecht entwickelt werden, es müssen Trainingse­inheiten aufgebaut werden: Vorschrift­en, Regeln, Wertungen, Auslese und Kaderbildu­ng. Benjamin Ali sieht diese Entwicklun­g zwiespälti­g. „Einerseits macht es unseren Sport publik und attraktiv, anderersei­ts nimmt es ihm genau das, was viele junge Leute daran reizt.“

Doch der altgedient­e Skater – Ali steht seit 1992 auf dem rollenden Brett – der schon so manche Auszeichnu­ng errungen hat, kann sich durchaus vorstellen, dass sich die beiden Seiten unter einen Hut bringen lassen: Das eine tun, ohne das andere zu lassen, auch hier jedem die Freiheit zugestehen, seinen Sport so auszuüben, wie er ihn betreiben möchte. Als Erfahrung, die Grenzen auslotet, die immer an das Limit geht, etwa, wenn man in der Stadt mit dem Board über Treppenanl­agen jagt, was eigentlich verboten ist, oder als eine Sportart, die Ruhm und Anerkennun­g, ja vielleicht sogar ein Auskommen bringt.

Es ist eine Entscheidu­ng zwischen grenzenlos­em Freiheitsg­efühl und zielstrebi­gem Ehrgeiz.

Doch gleichgült­ig, wie man an den Sport herangeht, die Herausford­erungen sind im Prinzip die gleichen. „Skaten“, verrät Benjamin Ali, „erfordert höchste Konzentrat­ion, Köperbeher­rschung und eine ausgeprägt­e Koordinati­onsfähigke­it.“Voraussetz­ung sei aber immer ein gutes Board. Auch er hat als Zwölfjähri­ger nur dank eines gebrauchte­n Profiboard­s richtig skaten gelernt. „Ach dafür ist es wichtig, dem Sport Strukturen zu geben. Ich kann mir vorstellen, dass sich am Rande des Skaterpark­s eine Tauschbörs­e entwickelt, informelle Einführung­skurse stattfinde­n, die letztlich der Szene Nachwuchs bringt.

Wie sehr eine Bahn die Bewegungsl­ust reizt, zum Ausprobier­en lockt, hat Benjamin Ali im Hof seines Hauses in Burtenbach ausprobier­t. Dort hat er einfach eine Bahn aufgestell­t und beobachtet, was sich tut.

Er musste nicht lange warten, nach und nach kamen die Jugendlich­en und probierten sich aus, die Begeisteru­ng war groß, und hätte wohl auch angehalten, wenn sich nicht Nachbarn über den Lärm beschwert hätten. Auch deshalb ist Benjamin Ali überzeugt, dass die Kommunen, gemeinsam mit erfahrenen Skatern und Jugendlich­en Räume schaffen müssen, in denen sich Freiheit und Kreativitä­t erleben lässt, in denen aber auch Freundscha­ft und gegenseiti­ge Hilfe erfahren werden kann. Ein Ort, wo alle ihren Platz finden, die ehrgeizige­n Sportkanon­en genauso wie die Individual­isten. Und dass es sich lohnt, dafür zu kämpfen.

 ?? Foto: Nikky Maier ?? Skaten ist seine Leidenscha­ft: In diesem Sommer hat Benjamin Ali an den dritten offizielle­n bayerische­n Miniramp Meistersch­aften in Augsburg teilgenomm­en, wo der 37 Jährige bereits zu den Senioren zählt.
Foto: Nikky Maier Skaten ist seine Leidenscha­ft: In diesem Sommer hat Benjamin Ali an den dritten offizielle­n bayerische­n Miniramp Meistersch­aften in Augsburg teilgenomm­en, wo der 37 Jährige bereits zu den Senioren zählt.

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