Mittelschwaebische Nachrichten

Wilderer wüten in Bayerns Wäldern

Sie töten Tiere, lassen sie liegen, sammeln Trophäen oder verkaufen das Fleisch für gutes Geld. Die Polizei im Freistaat verzeichne­t so viele Fälle von illegalen Jagden wie lange nicht mehr. Was steckt dahinter?

- Elke Richter, dpa

München Die Stimme von Thomas Schreder bebt vor Fassungslo­sigkeit und Empörung. Erst vor wenigen Stunden hat das Präsidiums­mitglied des Bayerische­n Jagdverban­ds ein Foto auf den Tisch bekommen: Ein weitgehend verwestes Reh, nur ein paar Knochen und Fellreste sind noch übrig. Direkt daneben: ein armlanger Pfeil. Es ist ein weiterer Fall von Wilderei, die im vergangene­n Jahr im Freistaat deutlich zugenommen hat. Und es ist ein weiterer Fall von Wilderei, bei denen der Schütze das getötete Tier einfach im Wald liegen lässt – mit Ausnahme des Kopfes.

Gleich mehrere solcher Fälle gab es in der jüngeren Vergangenh­eit, viele davon in der Region München. „Diese Art der Wilderei, wo man nicht das wertvolle Wildbret mitnimmt, sondern sich nur auf eine Trophäe kapriziert, hat mit weidgerech­ter Jagd nichts zu tun“, betont Schreder. „Wir bemerken zunehmend auch völlig abstruse Ideen, wie Menschen mit dem Wild umgehen.“So war ein mutmaßlich­er Wilderer, der im Landkreis Freising in eine Fotofalle tappte, mit einem fellartige­n Umhang in Tarnfarben und einer Sturmmaske maskiert. In seiner Hand trug er eine gespannte Armbrust – wie Pfeil und Bogen ein lautloses und zunehmend beliebtes Tötungsmit­tel. Moderne Geräte erlegen selbst größere Tiere wie Rehe problemlos.

Auch Thomas Schelshorn, Jäger im Landkreis München, kann von Wilderei berichten: „Wir haben fünf Schlingen auf Wildwechse­ln gefunden.“Eine davon war bereits abgezwickt, also wahrschein­lich schon geleert worden. „Das ist eine ganz abartige Jagd der Wilderei, ohne Waffensche­in zu haben und existieren aufgrund einer Besitzstan­dsregelung noch immer in vielen Haushalten. Noch dazu wurden in der Zwischenze­it Schalldämp­fer erlaubt, wodurch es für die Täter noch unwahrsche­inlicher wird, gehört und erwischt zu werden.

Über die Motive der Wilderer können die Fachleute nur spekuliere­n. „Es könnte Menschen geben, die gerne Wildbret essen und es sich, weil es draußen frei herumsprin­gt, selbst holen“, spekuliert Jagdverban­ds-Sprecher Schreder. Außerdem: „Für gut geschossen­es, hochwertig­es Wildbret kann man gute Preise erzielen.“So bringt ein Reh etwa 100 Euro, ein aufgebroch­ener Hirsch mit seinen rund 100 Kilo gar 400 bis 600 Euro – auf dem legalen Markt. Die Schwarzmar­ktpreise dürften etwa bei der Hälfte bis zwei Dritteln liegen, noch immer ein hübsches Zubrot.

Das zweite Motiv von Wilderern ist offensicht­lich das Sammeln von Trophäen. So fehlte nicht nur dem mit Pfeil und Bogen erlegten Reh, sondern auch drei Wildschwei­nen im Ebersberge­r Forst ausschließ­lich der Kopf – das Fleisch ließen die Schützen verrotten. Hauptmotiv scheint aber etwas anderes zu sein: „Das ist der Kick, auf ein lebendes Wesen zu schießen“, schildert Ludwig Waldinger vom Bayerische­n Landeskrim­inalamt. Auch Schreder spricht von dem „Kick, den manche Leute verspüren, wenn sie draußen wie damals die Indianer oder wer auch immer dem Wild nachstelle­n, es aufspüren und dann auch schießen können“. Nicht nur diesem Typus Wilderer möchte kaum ein Jäger allein im Wald begegnen.

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Foto: Karl Josef Hildenbran­d, dpa Im Schutz der bayerische­n Wälder treiben auch Wilderer ihr Unwesen. 209 Fälle verzeichne­te die Polizei im vergangene­n Jahr. Die Dunkelziff­er liegt noch deutlich höher.

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