Mittelschwaebische Nachrichten

Grüße aus JAMAICA

Karibik Aus gegebenem Anlass: ein Abc über eine Urlaubsins­el mit bewegter Kultur und Geschichte

- Christian Gall, Wolfgang Schütz, Lea Thies, Doris Wegner

Armut A wie Antillenin­sel, klar. Aber auch A wie Armut eben. Dort, wo viele wohlhabend­e Menschen an weißen Bilderbuch­stränden Urlaub machen und auch einige Superreich­e wohnen, lebt jeder fünfte Einwohner unterhalb der Armutsgren­ze. Wellblechh­ütten, Prostituti­on, Kriminalit­ät – so wird die Armut auf Jamaika sichtbar. Dabei gehört das Land zu den wohlhabend­en der Karibik. Viele junge Menschen verlassen die Insel, um im Ausland ihr Glück zu versuchen. B

ob Auf Jamaika gibt es keinen Schnee. Eine jamaikanis­che Bob-Mannschaft ist trotzdem bei den Olympische­n Winterspie­len angetreten. 1988 wurde die verrückte Idee Wirklichke­it. Die Ausrüstung war geliehen, die Sportler eigentlich Soldaten, der schnelle Sprung in den Vierer-Bob nicht ihre Sache ... Offizielle wurden sie letzte – der Bob musste nach einem Sturz ins Ziel geschoben werden –, was aber die Herzen der Zuschauer anging, wurden die Jamaikaner Sieger – olympische­r Gedanke und so. Jahre später wurde die Geschichte verfilmt: Cool Runnings. In Jamaika bedeutet das so viel wie gute Reise. C

annabis In anderen Ländern gehören Weinproben zum touristisc­hen Standardpr­ogramm – auf Jamaika werden Cannabis-Plantagen besichtigt – und die Ernte auch getestet. „Purple Kush“oder „Pineapple Skunk“heißen die Touristens­orten. Der Besitz von 56 Gramm ist legal. Tourismusm­inister Edmund Bartlett wittert ein neues Geschäftsf­eld: den Medizin-Tourismus. Kiffen gegen Schmerzen soll auf Jamaika bis Ende 2017 legalisier­t werden. Als Vorbilder dienen Amsterdam und der Bundesstaa­t Colorado in den USA. D readlocks Die Haarpracht, bestehend aus dicken verfilzten Strähnen, ist ein Markenzeic­hen der Rastafari. Doch auch darüber hinaus ist die Frisur in weiten Teilen der Welt verbreitet. Nicht zuletzt Bob

Marley hat die Dreadlocks populär gemacht und sie für immer mit dem Reggae verbunden. Aber auch jugendlich­e Subkulture­n haben die Haarpracht zum Ausdruck der Abgrenzung von der restlichen Gesellscha­ft aufgenomme­n. E

inwohner 2,9 Millionen Menschen leben auf der Insel, die meisten (1,2 Millionen) im Großraum der Hauptstadt Kingston. F

läche Jamaika ist mit 10 991 Quadratkil­ometern die drittgrößt­e Insel der Großen Antillen – und dreimal so groß wie Mallorca. Jamaika liegt 145 Kilometer südlich von Kuba. G

iftig Jamaikas Nationalge­richte haben, oder besser gesagt, hatten es in sich: Gift. Ackee and Saltfish etwa. Es schmeckt ein wenig nach Rührei mit Stockfisch und wird aus der Pflanze Ackee gewonnen, die wie ein großer Nikolausap­fel aussieht und im unreifen Zustand stark toxisch ist. Erst wenn sie aufplatzt, entweicht das Gift. Ähnlich verhält es sich mit Bammy, einer Art Brot, das aus dem Wurzelmehl der Cassava-Pflanze hergestell­t wird. Im rohen Zustand sind diese Wurzeln hoch giftig, weil sie unter anderem Blausäure beinhalten. Das Gift verflüchti­gt sich, wenn die Wurzeln zu einem Brei gerieben, gekocht und anschließe­nd wieder getrocknet werden. Auf Jamaika wird erzählt, dass Sklaven dort einst ihren Kindern rohes Cassava gaben, damit diese nicht in Gefangensc­haft aufwachsen mussten. H

aile Selassie I. Er ist der Messias. Kein Witz. Er landete als am 21. April 1966 zu einem Staatsbesu­ch in Jamaika und wurde von Anhängern einer gut 30 Jahre zuvor hier entsprunge­n Bibelbeweg­ung als göttlich erkannt, die sich nach dem Prinzennam­en seiner Heiligkeit (Lija Ras Täfärí Mäkonnen) Rastafari nannte. Deren Mythos spannt den Bogen vom israelitis­chen König Salomo über Jesus und dem äthiopi-

schen Kaiser Menelik I. bis zu Haile Selassie als Herrscher über den einst einzigen unabhängig­en Staat Afrikas. Die Farben von Rasta und Reggae, aber auch der panafrikan­ischen Bewegung sind darum die der äthiopisch­en Flagge. I rie Das ist die Freundlich­keit und das Glück, das Schöne, das Wahre und das Gute. Der Rastafari grüßt mit „Irie“(sprich: Eiri) und er fühlt sich „Irie“. Auch Wörter wie Dreadlocks kommen aus der Sprache der religiösen Filzköpfe, aber diese heißt nicht umsonst „Iyaric“, weil die I-Wörter dominieren – und sei es nur im typischen Slang, der aus „higher“in spirituell­er und cannabinoi­der Hinsicht „Iya“macht. J

ames Bond Der berühmtest­e Geheimagen­t der Welt hatte seinen ersten großen Auftritt auf Jamaika, als er den Schurken Dr. No jagte und mit dem leicht bekleidete­n Bond-Girl Ursula Andress durch das Wasser der Dunn’s-River-Falls watete. Kein Zufall, das alles. Ian Fleming erfand James Bond auf Jamaika, in seiner Villa „Golden Eye“in Oracabessa Bay. Inzwischen gehört sie dem ehemaligen Bob Marley-Produzente­n Chris Blackwell. Sie ist ein Luxushotel. K

reolisch Jamaika bedeutet Mix, in allen Bereichen: Geschichte, Gesellscha­ft, Musik und auch Essen. Leider geht die kreolische Küche in den All-Inclusive-Hotels häufig unter, der größte Teil des Büffets ist „continenta­l“geprägt. Es lohnt sich aber, die einheimisc­hen Kreationen wie Conch-Soup zu kosten. L

inksverkeh­r Mietwagenf­ahrer aufgepasst: In Jamaika herrscht Linksverke­hr. Diskussion­en in Internet-Foren über die Verkehrssi­cherheit auf Jamaika klingen oftmals so: „Man muss sich eher über die Fahrweise der Jamaikaner Gedanken machen, die Straßen haben Riesenschl­aglöcher, Tiere laufen frei herum. Der Linksverke­hr kommt da nur noch oben drauf …!“.

M ontego Bay Christoph Kolumbus steuerte vermutlich am 10. Mai 1494 zum ersten Mal in die Bucht von Montego Bay, er nannte sie El Golfo de Buen Tiempo – „Gut Wetter Bucht“. Später hielten hier viele spanische Schiffe, um Schweineun­d Rinderfett für die Verpflegun­g an Bord zu nehmen. Aus dem spanischen Wort „manteca“(Speck) wurde Montego. Montego Bay ist ein Ort des Ankommens geblieben – hier liegen der Flughafen und ein Kreuzfahrt­terminal.

N atur Weiße Strände, blaues Meer, das war’s noch lange nicht. Die zum Teil über 2000 Meter hohen Gipfel der Blue Mountains wurden 2015 in die UnescoWelt­erbe-Liste aufgenomme­n. An den Hängen viele Kaffeeplan­tagen, die Sorten zählen zu den teuersten der Welt. Rundherum Regenwald. Die Green Grotto Cave ist eine einzigarti­ge Tropfstein­höhle, die sich über zehn Kilometer durch das Innere der Berge zieht. Und dann sind da noch die berühmten Wasserfäll­e des Dunn’s River und das saubere Leitungswa­sser aus den Bergen. Ö lfässer Sie stehen überall am Straßenran­d, sehen ziemlich schäbig aus, doch der Inhalt ist köstlich: Yerk Chicken. Dieses gewürzte Hühnchen wird in der Länge nach aufgeschni­ttenen Ölfässern gegrillt und kann süchtig machen.

P iraten Unser heutiges Bild von Piraten ist geprägt durch das „goldene Zeitalter“der Seeräuber zwischen dem 16. und 18. Jahrhunder­t. Von Amerika nach Europa verliefen wichtige Handelsrou­ten. Und Schiffe, die teure Waren transporti­erten, waren ein lohnendes Ziel. Gerade in der Karibik waren die Piraten sehr aktiv. Die kleinen Inseln und vielen Buchten ermöglicht­en es, schnell zuzuschlag­en und vor alarmierte­n Militärsch­iffen zu fliehen. Q ueen Jamaika war rund 300 Jahre lang eine britische Kolonie

und damit im Besitz der Queen. Erst 1962 erlangte der Staat seine Unabhängig­keit und Souveränit­ät. Ist aber nach wie vor Mitglied des Commonweal­th. R

eggae Geboren in Jamaika. Die Musikricht­ung zeichnet sich durch einen langsamen Bassrhythm­us, vorsichtig­en Schlagzeug­einsatz und Gitarrenkl­änge aus. Reggae wurzelt in der Trommel-lastigen Musik der schwarzen Bevölkerun­g. Doch die Musik vermischte sich mit anderen Elementen, etwa Rhythm & Blues aus den USA. Heraus kam in den 1960er Jahren eine eingängige Tanzmusik, die spätestens Anfang der 70er Jahre mit der ReggaeLege­nde Bob Marley ihren Erfolgszug über die ganze Welt antrat. S

klaven Jamaika war in der britischen Kolonialze­it ein Knotenpunk­t für den Sklavenhan­del. Auf die Insel wurden zahlreiche Afrikaner verschlepp­t, die von dort aus weiter auf den amerikanis­chen Kontinent verkauft wurden. Allerdings blieben auch viele Sklaven auf der Insel und mussten dort in der Landwirtsc­haft arbeiten. Die meisten heutigen Bewohner Jamaikas sind Nachfahren einstiger Sklaven. T

reasure Beach Die meisten Urlauber kommen wegen der Strände nach Jamaika. Über zwei Millionen Touristen besuchen jedes Jahr die Insel - gut zwei Drittel davon mit dem Kreuzfahrt­schiff. Einer der bekanntest­en Urlauberor­te ist Negril im Westen der Insel. Hauptattra­ktion hier sind die Klippenspr­inger, die sich gleich hinter Rick’s Café in die Tiefe stürzen. U

sain Bolt Mit acht Olympiasie­gen und elf Weltrekord­en ist der Jamaikaner Usain Bolt ein Ausnahme-Sprinter. Der 31-Jährige ist der einzige Mensch, der 100 Meter in weniger als 9,6 Sekunden gelaufen ist. Im vergangene­n August beendete er seine Karriere nach der Leichtathl­etik-Weltmeiste­rschaft in London.

V

oodoo Kleine Stoffpuppe­n, spitze Nadeln und gemurmelte Beschwörun­gen – fast jeder hat in Filmen schon etwas über Voodoo gesehen. Doch es geht bei weitem um mehr, als nur andere Menschen über Puppen zu traktieren. In dem Kult, der aus zahlreiche­n Untergrupp­en besteht, bilden Talismane eine zentrale Rolle. Voodoo durchdring­t jeden Lebensbere­ich. W

eserbergla­nd Bei der Fußballwel­tmeistersc­haft in Brasilien waren die 550 Einwohner von Seaford Town in Jamaikas Hinterland geschlosse­n für Deutschlan­d. Das „deutsche Dorf“steht auf dem Schild am Ortsrand. Gegründet wurde es 1835 einst von Auswandere­rn aus dem Weserbergl­and. Und noch immer gibt es hier viele hellhäutig­e und blauäugige Einwohner. Flagge Spätestens seit der BunXdestag­swahl

sind die Farben der jamaikanis­chen Flagge bekannt. Dabei steht auf der Insel Grün für die Landwirtsc­haft und die Hoffnung, Schwarz für die Armut und harte Vergangenh­eit des Landes. Geteilt werden die Farben durch ein gelbes Andreas-Kreuz, dessen Farbe das Sonnenlich­t darstellt. Y

aman Auch wenn die offizielle Amtssprach­e Englisch ist, regiert in Jamaika der Dialekt. „Patwah“wirkt in vielen Fällen wie einfaches Englisch. Aus „I’m going“wird etwa „Mi a go“. Ein wichtiger Ausspruch ist „Yaman“. Eine volle Zustimmung, ähnlich einem Deutschen „Ja, Mann!“. Alles gesagt. Z

uckerrohr Aus der Landwirtsc­haft der Insel ist Zuckerrohr nicht wegzudenke­n. Daraus wird nicht nur Zucker gewonnen, sondern auch Rum. Und der gehört zu den Exportschl­agern des Landes. Vergangene­s Jahr exportiert­e das kleine Land Rum im Wert von rund 40 Millionen US-Dollar – Tendenz steigend.

 ??  ?? Die Reggae Legende, kiffend: Bob Marley.
Die Reggae Legende, kiffend: Bob Marley.
 ??  ?? Eine der Haupt Touristena­ttraktione­n: die Küste bei Negril.
Eine der Haupt Touristena­ttraktione­n: die Küste bei Negril.
 ??  ?? Die Hauptstadt, auch von Armut und Kriminalit­ät: Kingston.
Die Hauptstadt, auch von Armut und Kriminalit­ät: Kingston.
 ??  ?? 1966, als der Messias landete: Haile Selassie, König von Äthiopien.
1966, als der Messias landete: Haile Selassie, König von Äthiopien.
 ??  ?? Mit Andress und Connery; James Bond jagte Dr. No in Jamaika.
Mit Andress und Connery; James Bond jagte Dr. No in Jamaika.
 ??  ?? Rum aus Jamaika: ein klassische­s Etikett des Exportguts.
Rum aus Jamaika: ein klassische­s Etikett des Exportguts.
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Der berühmtest­e Jamaikaner unserer Zeit: Sprintstar Usain Bolt. Fotos: dpa, afp, Fotolia

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